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18.06.11 / Die Bio-Lüge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Moment mal!
Die Bio-Lüge
von Klaus Rainer Röhl

Autofahrer schalten auch heute noch am liebsten den Deutschlandfunk (DLF) ein, weil er verlässliche Nachrichten über die Staus auf den Autobahnen in ganz Deutschland bringt. Auch die übrigen Nachrichten galten viele Jahre als verlässlich, der Deutschlandfunk galt viele Jahre lang als rechts. In Wahrheit war er nur normal, während alle übrigen Sender, der eine gleich nach 68, der andere erst nach langen Kämpfen, einen strammen Linkskurs fuhren. Nicht links, wo es nach Marx und Mao riecht, sondern links, wo das Herz sitzt. Mehr gefühlt als nachgedacht. Aber engagiert. Für die Armen, die Elenden, die Andersfarbigen, die Bewohner der Dritten Welt, für die Verfolgten und Unterdrückten, allem voran natürlich für die Frauen. Gegen die Männer, natürlich nicht gegen alle, aber die Machos, die meist in Personaleinheit mit den Unternehmern auftreten, die Chefs, die Bosse, die Herren der Konzerne und globalen Unterdrücker.

Die seit langem in diesem Geist geschulten und deshalb auch festangestellten Re­dakteure und Journalisten haben die Fähigkeit entwickelt, die Unterdrücker auch im Alltag, am Arbeitsplatz, im Büro, in der Schule, vor allem aber in der Familie aufzuspüren und zu entlarven. In dieser Flut der mit gutem Willen und edlen Absichten und der jeweils neuesten Rock-, Hiphop-, Rap- oder Soul-Musik durchsetzten Nachrichtensendungen ragte bis vor einigen Jahren der Deutschlandfunk heraus. Mit verlässlichen, seriösen Nachrichten über das Wetter und die Verkehrsstaus, die internationale Politik und die Politiker. Bis eines Tages – linke Mühlen mahlen langsam, aber nachhaltig – auch der Deutschlandfunk von den guten Menschen übernommen wurde. Heute ist Deutschlandfunk-Hören wie „Taz“-Lesen, von den Früh-Nachrichten bis zum abendlichen Hörspiel. Jeden Vormittag von 10 bis 12 Uhr ist eine Diskussionsrunde mit prominenten Gästen wie, sagen wir mal, der SPD-Ministerin von NRW oder dem Leiter von Greenpeace, und jeder, der durchgestellt wird, kann per Telefon oder E-Mail mitdiskutieren und seine Meinung ganz offen sagen. Wenn er durchgestellt wird. Endlos diskutiert wurde wochenlang über Fukushima und dann natürlich über den „Atomausstieg“, die Energiewende und die „Erneuerbaren“, wie die Windmühlen und Sonnensammler auch vom Redakteur vertraulich abgekürzt werden, und letzte Woche eben über Bio – ein weites Feld. Denn der Mensch besteht, ernährt und kleidet sich bio-logisch. Mit Bio-Nahrung, Bio-Textilien, Bio-Ethik und – jetzt denken Sie, ich genehmige mir wieder eine satirische Übertreibung – Bio-Nahrung für Hunde. Eigentlich logisch. Soll ich selber biologisch leben und mein Hund wie ein Hund?

Wie so eine Diskussion im Deutschlandfunk heute zusammengesetzt ist, hält man sich keine Minute damit auf zu erörtern, ob es vielleicht auch ohne Bio-Nahrung geht, sondern gefragt und diskutiert wird nur noch das Wie. Besonders empört reagieren viele Teilnehmer darüber, dass neuerdings auch große Ladenketten, verächtlich „Discounter“ genannt, massenhaft Bio-Produkte anbieten. Am Anfang der Öko-Bewegung hatten Müsli-Esser und Mülltrenner es leicht, die anderen Deutschen tüchtig zu verachten, besonders die verhassten „Bild-Leser“, immerhin zwölf bis 15 Millionen Mitmenschen. Aber inzwischen haben die großen Konzerne und Lebensmittelhersteller sich längst auf Biokost umgestellt, und so kann jeder Verbraucher, auch die Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger, also praktisch Hinz und Kunz, sich Bioprodukte kaufen. Auch bei den Billigketten wie zum Beispiel „Netto“.

Aber Vorsicht. Ist auch überall Bio drin, wo Bio draufsteht? Ein Rudel Jungjournalisten des „Kölner Stadtanzeigers“, einer nur gemäßigt links tickenden Tageszeitung, schwärmte aus, um der Sache auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis hatten die Jungredakteure schon erwartet: Nicht überall, wo Bio draufsteht, war auch Bio drin! Selbst Produkte mit dem fünfeckigen Bio-Siegel der EU sind nicht unschuldig und rein, weil sie mit Aromen versetzt sind, damit sie den Leuten besser schmecken. (Richtiges Bio-Essen soll aber nicht gut schmecken.) Das hatten die Redakteure schon geahnt. Was sie aber nicht erwartet hatten, verriet ihnen der stellvertretende Geschäftsführer der Organisation Foodwatch (Nahrungs-Wächter) nach langem Bohren: „Es gibt ja auch Bio-Tomaten, die nach nicht viel mehr als Wasser schmecken. Die Sorte macht viel aus und die Geschmackserwartung!“ Schließlich gab der Ober-Foodwächter preis: „Der Mehrwert, den ich für den höheren Preis bekomme, ist vor allem ein ökologischer.“

Das fanden auch die Teilnehmer der Dis­kussionsrunde. Bio-Produkte – na klar. Wieso sind die auf einmal so billig, empören sich die Anrufer, da stimmt doch was nicht, sind die überhaupt „nachhaltig“? „Und selbst wenn, die sind ja nicht fair“ (= fair trade = fairer Handel), kreischt eine Frau aus der Pfalz, die mit ihrer Gruppe regelmäßig die Läden kontrolliert. Diesen schönen Baumwollstoffen aus Indien oder China könne man ja nicht ansehen, ob sie vielleicht mit „Kinderarbeit“ hergestellt sind, da müsse noch ein Gütesiegel her und eins für Nachhaltigkeit, die anderen müssen ausgeschlossen werden, und der Tee dürfe nur aus biologisch kontrollierten Anbaugebieten kommen, von fair bezahlten Teepflückern gepflückt, getrocknet und verpackt sein! „Wer kontrolliert das bloß alles?“, rief ein Diskussionsteilnehmer dazwischen. Ob die Bauern bei der Kakao-Ernte auch glücklich sind? Wer denkt da nicht an die Milch von glücklichen Kühen? Und Kälber von glück­lichen Bullen, fügen wir hinzu, nicht seelenlos von der Samenbank gezeugt!

„Es ist ja wie mit dem Strom aus der Steck­dose!“, rief eine andere Empörte am Telefon, da könne ja trotz der Energiewende „Atomstrom“ drin sein, selbst wenn man den Strom von einem garantiert ökologischen Energieproduzenten bezieht. Wer soll das kontrollieren?

Man sieht, wir haben in Deutschland eine ungeheure Menge an Kontrolleuren nötig, dafür muss Geld vorhanden sein, meinten die meisten in der Diskussionsrunde und der Moderator auch, die Kontrolleure müssen ja auch gut ausgebildet sein. Und fair bezahlt – fügen wir hinzu: Hauswarte für jedes Haus und Block­warte für jede Straße, selber einwandfrei ökologisch und biologisch kontrolliert, aber...

Und nun kommt die Pointe unserer kleinen Geschichte, die leider keine Satire ist: Diese Diskussion fand statt am sechsten Tag des Ehec-Alarms und zwei Tage, nachdem bereits bekannt war, dass die Quelle der Nahrungsmittelverseuchung der Hersteller der Bio-Sprossen, ein Bio-Hof in Niedersachsen, war. Kein Wort darüber in der DLF-Diskussion und kein Wort darüber in der ganzen linken und linksliberalen Presse. Ausgenommen in der noch nicht gleichgeschalteten „Welt“. Dort ahnt ein junger, noch nicht gleichgeschalteter Journalist, dass die Sache keineswegs metaphysisch ist, sondern ganz reale Ursachen hat:

Weil der Ehec-Erreger offenbar ein natürlicher ist, der keinem Unternehmen der Agrochemie entsprungen ist, sondern vom Bio-Hof kommt! Und der „Welt“-Journalist Ulli Kulke fragt, was heute in Deutschland los wäre, wenn der Ehec-Erreger kein Produkt der offensichtlich nicht ausreichend kontrollierten Bio-Bauern in Bienenbüttel wäre – sondern ein Produkt von raffgierigen Unternehmen? Eine „Bio-Wende“ wäre die Folge, unter Führung von Angela Merkel: „Nach allen Erfahrungen der letzten Monate würde die schwarz-gelbe Koalition ein Programm auflegen, nach dem Deutschland binnen zehn Jahren aus der konventionellen Landwirtschaft ausstiege und qua Gesetz nur noch Biolandbau erlaubt wäre.“


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