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18.06.11 / Preußische Revolutionäre / Copernicus, Kant, Herder und Schopenhauer wälzten die Geistesgeschichte um

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Preußische Revolutionäre
Copernicus, Kant, Herder und Schopenhauer wälzten die Geistesgeschichte um

Im Verhältnis zu seiner geringen Einwohnerzahl hat Ostpreußen unglaublich viele Männer nationalen und internationalen Ansehens hervorgebracht. Mehr noch: Mit seinen größten Söhnen, Copernicus, Kant, Herder und Schopenhauer hat Preußen (Ost- und Westpreußen) die wohl wichtigsten Umwälzungen der Geistesgeschichte nach der Reformation durch Martin Luther herbeigeführt.

Nicolaus Copernicus (1473–1543), einer der folgenreichsten Wissenschaftler aller Zeiten, stammte aus Thorn. Dieses gehörte zum Ordensstaat, musste aber 1466 im Zweiten Thorner Frieden an Polen abgetreten werden. Zwischen Deutschen und Polen ist daher streitig, ob er Pole oder Deutscher war. Unstreitig aber war er ein „ethnischer“ Deutscher, wie inzwischen auch der polnischsprachige Wikipediaeintrag einräumt.

Copernicus widerlegte die auch aus der Bibel begründete Behauptung, die Erde stehe in der Mitte des Kosmos. Damit wurde eine geistige Wende im Selbstbild des Menschen vollzogen, die wir in gewissem Sinne noch bis heute nicht ganz verarbeitet haben. Wir Menschen wollen letztlich doch nicht glauben, dass wir nur ein Staubkorn, eigentlich nicht einmal das, im All sind. Seit Copernicus und den auf ihm fußenden Wissenschaftlern kommen wir aber um diese Erkenntnis nicht herum. Die Ausdrängung unserer Erde aus dem Zentrum des Alls, damit auch des Menschen aus der Mitte der Schöpfung, ist vielleicht die wichtigste und folgenreichste naturwissenschaftliche Entdeckung, die ein Mensch jemals gemacht hat.

Immanuel Kant (1724–1804) hat für die Philosophie im Grunde dasselbe getan wie Copernicus auf seinem Gebiet. Die „Kritik der reinen Vernunft“ beschreibt die Grundlagen menschlicher Erkenntnis und damit die Grenzen dessen, was ein Mensch überhaupt erkennen kann. Kant kommt zu dem Ergebnis, dass wir nur das erkennen können, was mit den Mitteln des menschlichen Verstandes eben erkannt werden kann. Wir wissen nicht, ob das die Wahrheit ist oder ob es dahinter „wahrere“ Wahrheiten, die Wahrheit an sich gibt. Kant verweist den Menschen daher ganz auf sich selbst und seine Vernunft. Er leugnet Gott nicht, sagt aber, dass Gottes Existenz nicht mit Vernunftgründen bewiesen werden könne. Berühmt ist sein Satz: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Kants Philosophie hatte ungeheure Auswirkungen. Im Grunde ist jeder Gedanke, der seit Kant ge-fasst wurde, von seinen Einsichten geprägt.

Johann Gottfried Herder (1744–1803) ist der dritte Revolutionär. Er steht in der deutschen Wahrnehmung hinter unseren großen Dichtern. Mit seinem internationalen Ansehen aber steht er diesen eher voran. Ein Gradmesser für internationale Berühmtheit mag die Zahl der Druckspalten sein, welche die „Encyclopaedia Britannica“ einer Person widmet. Der Engländer Charles Darwin erhält insgesamt fünf Spalten – so viele wie dieselbe Enzyklopädie dem Deutschen Herder widmet. Zum Vergleich: Immanuel Kant hat elf Spalten, der damit ebenso „berühmt“ ist wie Johann Wolfgang von Goethe.

Herders Werk kann hier nicht gewürdigt werden. Es mag aber ein Absatz aus der „Encyclopaedia Britannica“ über ihn herausgenommen werden: Allen Werken Herders gemeinsam ist der Entwicklungsgedanke. Herder führt diesen Gedanken in vielen geistesgeschichtlichen Strömungen Deutschlands und anderer Nationen aus. Diesen Gedanken wandte er mit neuen und weitreichenden Ergebnissen an, und zwar auf allen Bereichen des Geistes. Er begann mit der Entwicklung (Evolution) der Dichtkunst und ging von dort dazu über, sich mit dem Gang der Menschheitsgeschichte zu befassen und der Art, wie der Mensch sich selbst darstellte.

Herder legte seine Auffassungen über Sprachen, Sitten, Religion und Poesie, über Wesen und Entwicklung der Künste und Wissenschaften, über die Entstehung von Völkern und historischer Vorgänge dar. Vernunft und Freiheit hielt er für Produkte der „natürlichen“ ursprünglichen Sprache, Religion für den höchsten Ausdruck menschlicher Humanität. Die unterschiedlichen natürlichen, historischen, sozialen und psychologischen Umstände führen zur vielschichtigen Differenzierung der Völker, die verschieden, aber dennoch gleichwertig sind. Herder betrachtet, ähnlich wie Goethe, die Welt und wird damit zu einem Prediger dessen, was wir heute Globalisierung nennen.

Arthur Schopenhauer (1788–1860) vollendete die Philosophie Kants. Kants Glaube an die Vernunft bleibt letztlich einem Gottesglauben verhaftet. Schopenhauer verwirft auch den Glauben an die Vernunft als einer Art transzendenter Wesenheit. Sein Skeptizismus legt die Axt an alle Gewissheiten und religiös-philosophische Selbstberuhigungssysteme. Welt und Weltall sind Phänomene einer vernunftlosen Ewigkeit, von denen der Mensch ein Teil ist, nicht ihr Zweck. Diesen Gedanken findet Schopenhauer im Buddhismus, den er als ein den europäischen Weltanschauungen gleichwertiges System anerkennt. Damit durchbricht er den Eurozentrismus der Philosophie und setzt damit eigentlich auch das Werk Herders fort. Schopenhauers Weltanschauung ist im Grunde zur „Religion der Moderne“ geworden.

Es ist schade, dass wir Deutschen unser ostdeutsches Erbe nicht mehr kennen und fast verleugnen. Den immer noch erstaunlich guten Ruf, den Deutschland als Wissenschafts- und Kulturnation in der Welt genießt, verdanken wir nicht nur dem Mercedesstern, sondern vielleicht sogar zum größten Teil den genannten preußischen Revolutionären. Menno Aden


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