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25.06.11 / »Stolpe hätte gehen müssen« / Potsdam: Enquetekommission zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit blamiert Rot-Rot

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

»Stolpe hätte gehen müssen«
Potsdam: Enquetekommission zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit blamiert Rot-Rot

Brandenburg hat eine offizielle En­quete­kommission zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Die bringt die rot-rote Landesregierung jetzt in Erklärungsnot.

Ein Gutachten der Kommission hat festgestellt: Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und mehrere Landtagsabgeordnete hätten nach der vom Landtag beschlossenen Prüfung ihrer DDR-Geheimdienstkontakte in den 90er-Jahren ihr Mandat zurückgeben müssen. Für die Regierung aus SPD und Linkspartei Grund genug, die Kommission nun in Misskredit zu bringen, klagen CDU, FDP und Grüne. Derweil zeigt das Beispiel Potsdam, dass mehr Konsequenz im Umgang mit der Vergangenheit möglich war.

„Wer sich um schmerzliche Einsichten drückt in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, erreicht damit immer nur einen zeitweiligen Frieden“, sagte Marianne Birthler vor wenigen Tagen dem Berliner „Tagesspiegel“ vor dem Hintergrund des Streits um die Enquetekommission. Die SPD der Mark bestreitet indes, dass es einen solchen zeitweiligen Frieden, einen Sonderweg Brandenburgs im Umgang mit der DDR und deren belasteten Vertretern und Stasi-Zuträgern je gegeben habe.

Das sah die Opposition stets ganz anders. Nun fühlt sie sich durch die Arbeit der Kommission bestätigt. Der von der SPD in das Gremium berufene Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel hat indes die Kommission unter Protest verlassen, wofür SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Holzschuher „vollstes Verständnis“ zeigte. Die Gutachten entsprächen nicht wissenschaftlichen Anforderungen und würden vielmehr für „platten politischen Meinungskampf“ genutzt, wirft Rot-Rot der Kommission vor. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser bemängelte, „Schlussfolgerungen und Attribute der Gutachter“ seien „mehr moralischer und politischer Natur als eine wissenschaftliche Bewertung“. Alles in allem sei das eine Abrechnung und nicht vom Interesse an Lehren für die Zukunft geleitet, klagt die SPD.

Dabei vergeht kaum eine Woche ohne neue Enthüllungen zum ungebrochenen Weiterwirken belasteter DDR-Funktionsträger und Stasi-Mitarbeiter. Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) prüfte jüngst die Stasi-Ver­strickung von 13 Richtern – auch den Fall einer Sozialrichterin. Und ausgerechnet Holzschuher empörte sich vor Tagen über Heinz Vietze, den langjährigen Strippenzieher der PDS oder Linkspartei. Das „Ungeheuerliche“ an Heinz Vietze, so Holzschuher, sei nicht dessen inoffizielle Mitarbeit bei der Stasi, sondern dass er als letzter SED-Bezirkssekretär in Potsdam vor 1989 schließlich hochrangiger Funktionsträger war und „an Listen für Internierungslager“ beteiligt gewesen sei.

Das Festhalten der SPD an Stolpe wie an seiner umstrittenen Form von „Vergangenheitsbewältigung“ bekommt nun allerdings auch im Inneren Risse. Ein Grund: Die Verfasser der aktuellen Studie der Enquetekommission sind als anerkannte Wissenschaftler kaum angreifbar: Gisela Rüdiger führte 18 Jahre die Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde in Potsdam. Hanns-Christian Catenhusen ist Jurist und Experte in Sachen Stasi-Überprüfung im öffentlichen Dienst der neuen Länder. „Außergewöhnlich wohlwollend“, so die beiden, seien die Behörden mit Stasi-Belasteten während Stolpes erster Amtszeit umgegangen. Statt in DDR-Unrecht verstrickten Abgeordneten die Niederlegung ihrer Mandate zu empfehlen, „kam es zu einer Vielzahl von Gnadenakten“ durch die vom Landtag seinerzeit eingesetzte Prüfkommission.

Das hatten jene Prüfer damals nicht mit dem Landtag abgesprochen. Stolpe und Vietze tauchten dann im Abschlussbericht nicht einmal mehr auf, obwohl im Fall Vietze sogar die Stasi-Akte vorlag. Nicht einmal als „Grenzfall“ wollten die in Stolpes Amtszeit eingesetzten Prüfer Vietze demnach einordnen – in eine Kategorie, die sie eigens geschaffen hatten, um damals rund zehn Abgeordnete zu entlasten.

Vietze saß daraufhin 19 Jahre unbehelligt im Landtag. Die Gutachter der Enquetekommission sehen darin ein „Indiz für die unzureichende Selbstreinigung des Parlaments“. Sie kritisieren vor allem, dass es anschließend keine öffentliche Diskussion gegeben habe – weder um den Abschlussbericht noch um die „Grenzfälle“. Die spätere Aufdeckung der Rosenholz-Dateien mit den Namen von Agenten der Stasi-Auslandsspionage „verhallte in Brandenburg ungehört“, kritisieren die Gutachter weiter.

Dass echte Aufarbeitung bei entsprechendem politischen Willen möglich war, zeigt das Beispiel der Stadt Potsdam. Der Bürgerrechtler und Gutachter Manfred Kruczek lobt in einem eigenen Gutachten die Prüfung Belasteter seitens der Landesmetropole, obwohl „die Einflussnahme aus der Landesebene zu einer Kursveränderung in der Landeshauptstadt besonders ausgeprägt war“. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe laut dem aktuellen Papier Kruczeks in seiner Zeit als Oberbürgermeister sogar Druck zugunsten einer Abschaffung der Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde ausgeübt – vergebens, denn das Stadtparlament hielt dagegen. Die Beibehaltung der Prüfung wirkte demnach vorbeugend gegen die Übernahme Belasteter in den öffentlichen Dienst. SV


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