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25.06.11 / Harscher Rotstift / Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand – Niebel will restriktivere Vergabepraxis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Harscher Rotstift
Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand – Niebel will restriktivere Vergabepraxis

In die lange Jahre festgefahrene deutsche Entwicklungshilfe und ihre „Gießkannenpolitik“ bläst ein frischerer Wind. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2009 als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat Dirk Niebel (FDP) finanzielle Hilfen an die Dritte Welt in dreistelliger Millionenhöhe gestrichen. Kriterium für den harschen Rotstift waren Korruption und Verletzung der Menschenrechte in den Empfängerländern. Auch einige andere Maximen deutscher Entwicklungshilfe kommen auf den Prüfstand.

Der höchste eingefrorene Betrag trifft Afghanistan. Niebel zahlte 125 Millionen Euro nicht aus, da die Regierung Hamid Karsei in der Bekämpfung der Korruption die vereinbarten Ziele nicht eingehalten habe. Der ehemalige Hoffnungsträger des Westens steht international ohnehin in der Kritik. Karsei soll, so berichten Insider in der Hauptstadt Kabul, namhafte Beträge der gewährten Hilfen ins Ausland transferieren, um nach einem eventuellen Sturz abgesichert zu sein. Zudem wird sein Cousin Ahmad Rateb Popal als Chef der sogenannten Watan-Gruppe verdächtigt, indirekt Kontakte zu ausländischen Drogenkartellen zu unterhalten. Er saß in den USA fast zehn Jahre wegen Drogenschmuggels ein. Afghanistan ist nach wie vor das weltweit führende Land in der Produktion von Rohopium und dem Schmuggel der Droge über den benachbarten Iran in den Westen. Niebels Streichprogramm erfasste aber auch einige Staaten in Afrika. Der Minister ließ mehrere Millionen Euro für Uganda einfrieren, als die Regierung in Kampala für praktizierte Homosexualität die Todesstrafe einführte.

Wichtiger scheint indes, dass das Ministerium seine Vergabestrategie ändert. Es sollen mehr Investitionen in die ländlichen Räume fließen, anstatt die Großmannssucht mancher Regenten zu fördern, die sich mit aufwändigen Projekten ein Denkmal setzen wollen. Die ländliche Bevölkerung soll durch das Entstehen von Arbeitsplätzen profitieren, ohne dass es zu Landraub durch Agrarkonzerne kommt. Auch führende Ökonomen wie Jeffrey Sachs aus den USA kritisieren, dass der Fokus des Westens zu sehr auf industrielle und städtische Entwick­lung gerichtet sei. Andere Kritiker führen an, dass die nach dem herkömmlichen Modell transferierten Gelder hauptsächlich wieder der Wirtschaft der Geberländer zugute kommen. Auch Deutschland verteidigt die Ausgaben mit dem Hinweis, dass jeder Euro einen dreimal größeren Effekt für die heimische Ökonomie in Form anschließender Exporte zeitige. Frankreich koppelt Hilfen sogar an Aufträge für die eigene Wirtschaft.

Nach Niebels Wunsch sollen durch die Europäer bilaterale Handelsabkommen geschlossen werden, um für Länder wie beispielsweise Tunesien den Handel mit Agrargütern zu öffnen und zahlreiche noch bestehende Handelsbeschränkungen aufzuheben. Die sogenannte Welthandelsrunde jedenfalls sei über die Uneinigkeit im Export und Import von Industriegütern gescheitert. Das könne mit bilateralen Pakten ausgebügelt werden. Die EU solle dabei eine Spitzenstellung einnehmen. Der Minister geißelt vor allem, dass jährlich rund 40 Prozent der weltweiten Ernten durch mangelhafte Lagerung und falsche Transporte verderben. Auch hier ließe sich mit gezielten Investitionen in Logistik, Lager- und Transportwesen die Welthungerlage deutlich verbessern.

Eine weitere zentrale Forderung Niebels ist, in Zukunft bei der Entwicklungshilfe schneller auf aktuelle Krisen reagieren zu können. Deshalb müssten bisherige Vergabeverfahren auf den Prüfstand. Allerdings müsse gleichzeitig von den Nehmerländern eine „gute Regierungsführung“ verlangt werden. Und dazu gehöre ohne Zweifel der Kampf gegen die Korruption. Analog dazu fordert die Weltbank, eine funktionierende Justiz aufzubauen, um die Sicherheit in fragilen Staaten mit hoher Kriminalität zu gewährleisten. Das richtet sich etwa an Nigeria, wo marodierende Banden Öl im Millionenwert auf die Seite schaffen, während die Regierung gleichzeitig einen großen Teil der Erträge aus dem boomenden Geschäft in die eigene Tasche leitet. Immerhin leben nach Erkenntnissen der Weltbank 1,5 Milliarden Menschen in Staaten, die von einem hohen Maß an krimineller Gewalt oder von Gewaltkonflikten geprägt sind.

Ein nicht zu übersehendes Problem bei Leistungen der Ent­wick­lungshilfe oder bei Katastrophenhilfen sind die machtpolitischen Strukturen der jeweiligen Länder. Sie blockieren sehr oft eine ausreichende Kontrolle über den Einsatz der Gelder. Zudem erheben einige Länder sogar Zölle auf die im Rahmen der Entwicklungshilfe eingeführten Güter. Auch hier scheint es angebracht, an Lieferungen Forderungen nach lückenloser Kontrolle zu binden. Joachim Feyerabend


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