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25.06.11 / Wie viel Europa verträgt die Union? / Der Streit zwischen Euro-Skeptikern und den EU-Visionären eskaliert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Wie viel Europa verträgt die Union?
Der Streit zwischen Euro-Skeptikern und den EU-Visionären eskaliert

Europa schafft Frieden – mit solch hehren Worten versuchten einst Kanzler Helmut Kohl und sein Kassenwart Theo Waigel, den Deutschen den Abschied von der guten alten D-Mark schmackhaft zu machen. Unter ihren Nachfolgern aber schafft „Europa“ eher Unfrieden. Es geht – wieder einmal – um die Grundsatzfrage, wie viel nationalstaatliche Souveränität Deutschland aufgeben darf, also letztlich darum, von wo aus dieses Land regiert wird: Berlin oder Brüssel?

Konkreter Anlass ist die angeblich alternativlose Rettung des Euro. Wer bestimmt, mit wie viel Milliarden Euro die Deutschen sich am griechischen Staatsbankrott beteiligen dürfen? Das Volk, wenigstens indirekt über seine gewählten Volksvertreter? Oder eine für den Bürger undurchschaubare Entscheidungsebene mit den Akteuren EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB), die Finanzminister der 27 EU- beziehungsweise der 17 Eurozonen-Mitglieder, der Internationale Währungsfonds (IWF)?

An die Spitze der euro-skeptischen Bewegung hat sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gesetzt. In einem Fünf-Punkte-Memorandum fordert er nicht nur ein Ende der schrittweisen Aufgabe nationalstaatlicher Souveränitat, sondern sogar die Rückverlagerung gesetzgeberischer Kompetenzen von Brüssel nach Berlin.

Laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ (FAZ) kritisiert Dobrindt in dem Papier, nach jeder Krise sei „die Macht der EU größer geworden, die darauf folgende Krise aber nicht kleiner“. Daher müsse die „Machtverschiebung in Richtung Brüssel“ auf den Prüfstand gestellt werden. In diesem Zusammenhang warnte der CSU-Politiker vor einer „Entdemokratisierung und Entsouveränisierung der europäischen Staaten“. Es sei nun an der Zeit, Kriterien festzulegen, „an welchem Punkt der europäische Integrationsprozess zu Ende“ sei.

Damit ist klar, dass Dobrindt mehr als die umstrittene Milliardenhilfe für Griechenland im Auge hat. Sein Papier soll erklärtermaßen Initialzündung für eine breite Grundsatzdebatte über die deutsche Europapolitik sein.

Kein Wunder also, dass die Thesen des Generalsekretärs nicht überall auf begeisterte Zustimmung stoßen. Aber nach altbewährter bayerischer Tradition übernimmt die CSU die Rolle der Opposition gleich mit – die schärfsten Kritiker des Eurokritikers Dobrindt kommen aus den eigenen Reihen.

Insbesondere die Europaabgeordneten der Union fühlen sich vom CSU-Generalsekretär zu Unrecht angegriffen und gehen mit deftigem Vokabular zur Gegenattacke über. Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber stellt den eigenen Parteifreund in eine Reihe mit österreichischen und niederländischen „Rechtspopulisten“, wirft ihm provinzielles „Kirchturmdenken“ vor und macht sich „Sorgen, dass unsere Partei in der Europapolitik nicht mehr ernst genommen wird“. Dobrindt riskiere mit seinem Thesenpapier „einen ernsten Konflikt in der CSU“.

Die Antwort des Generalsekretärs ließ nicht lange auf sich warten. Gegenüber dem „Münchner Merkur“ bekundete Dobrindt, die Kritik des Parteifreundes sage „allenfalls etwas über den Charakter von Herrn Weber aus“. Schließlich vertrete er „die Urposition der CSU seit Strauß und Stoiber. Wer das als rechte Politik diskreditiert, scheint einen Linksruck in der Europapolitik vornehmen zu wollen“. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok wiederum wollte den Vorwurf des Links­rucks nicht auf sich sitzen lassen. In der „Süddeutschen Zeitung“ konterte er: „Herr Dobrindt hat nicht das Mindestmaß an Kenntnis. Seine Unkenntnis wird nur noch durch seinen Populismus übertroffen.“ Er bediene die „miese Stimmung“, die durch öffentliche Hinweise auf die deutschen Zahlungen in die EU-Kassen erzeugt werde. Hingegen verteidigte der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, den Generalsekretär: Dobrindt habe „die richtigen Themen angesprochen“. Die Gegenattacke der Europaabgeordneten sei „schlechter Stil, unangemessen und nicht hilfreich“.

Bei der eigenen Parteiführung scheint der CSU-Generalsekretär Rücken­deckung zu haben. Nach Angaben aus der Zentrale an der Nympfenburger Straße hat er das Thesenpapier dem Parteivorsitzenden Horst Seehofer vorgelegt, der es auch der Vorsitzenden der Schwesterpartei, Angela Merkel, zur Kenntnis gegeben habe. Diese habe, so merkte die „FAZ“ süffisant an, „nicht mit Kritik“ reagiert.

An der Parteibasis dürfte Dobrindt ohnehin weitgehend Zustimmung finden. Gerade die konservativen Stamm­wähler haben schon immer Probleme mit einer allzu forschen Europapolitik à la Helmut Kohl und Theo Waigel gehabt, als deren Symbol sie den Euro sehen. Sie sehen sich durch die Kritik des CSU-Generalsekretärs nun bestätigt Hans-Jürgen Mahlitz


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