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25.06.11 / Auch deutsche Vertreibung richtig bewerten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Gastkommentar
Auch deutsche Vertreibung richtig bewerten
von Rudi Pawelka

Wir haben uns daran gewöhnt: Kriegsverbrechen werden generell nur der deutschen Seite zugeschrieben. Auch 66 Jahre nach dem Zweiten Wektkrieg wird 90-jährigen der Prozess gemacht, um dem Recht Genüge zu tun. Man fragt sich, was ist das für ein Recht, das Kriegsverbrechen der anderen Seite völlig ausblendet? Dabei steht fest, Verbrechen gewaltigen Ausmaßes an Deutschen gab es sowohl während des Krieges als auch danach.

Man denke an die Flächenbombardements auf deutsche Städte, die hunderttausenden Zivilpersonen den Tod brachten, man denke an die begangenen Gräuel an der deutschen Bevölkerung beim Einmarsch der Roten Armee, nicht zu vergessen auch mancherorts im Westen, oder an die nicht gerade seltenen Gefangenenerschießungen durch die Alliierten an allen Fronten. Auch nachdem die Waffen 1945 schwiegen, wurden die Verbrechen an der deutschen Bevölkerung fortgesetzt und brachten Millionen den Tod: in Arbeitslagern für Zivildeportierte, in Kriegsgefangenenlagern, bei der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen oder durch den Terror im sowjetischen Machtbereich.

Aber es sind nicht allein die Toten, die ein Beleg für Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen sind. Die Vertreibung als solche stellt schon für sich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Vertreter des NS-Staates mussten sich wegen eines vergleichbaren Delikts bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg verantworten. Nie ist aber ein Täter aus dem Kreis von ehemaligen Gegnern Deutschlands zur Verantwortung gezogen worden.

Häufig hört man die Ansicht, Deutschland habe den Krieg schließlich begonnen und müsse alles hinnehmen. Ist dies wirklich so? Wie verträgt sich diese Ansicht mit dem Grundsatz eines ungeteilten Menschenbildes? Sind die Staatsangehörigen eines Landes jeder Willkür ausgesetzt, wenn ihre Staatsführung vorher das Recht gebrochen hat? Darf man Siegerjustiz nicht hinterfragen?

Dass jede Art von Aufrechnung abwegig ist und alle Menschen vor Verbrechensakten zu schützen sind, gleich, womit diese begründet werden, hat das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gerade Mitte April deutlich gemacht. Es verurteilte zwei Kroaten zu langjährigen Haftstrafen, den General Ante Gotovina zu 24 Jahren und den Polizeioffizier Mladen Markac zu 18 Jahren Gefängnis. Beide wurden für schuldig befunden, als Führer einer kroatischen Armeeeinheit am 4. August 1995 in die von Serben bewohnte Krajina eingefallen zu sein mit dem Ziel, die serbische Bevölkerung aus diesem Teil Kroatiens zu vertreiben. Das als UN-Schutzzone deklarierte Gebiet wurde mit Granatbeschuss belegt, hunderte Menschen systematisch ermordet. Das internationale Helsinki-Komitee schätzt die Zahl der Ermordeten auf 400 bis 800, serbische Quellen nennen 2600 Vermisste. Durch den ausgeübten Terror verließen etwa 200000 Serben ihre Heimat. Das Gericht erkannte, dass der eigentliche Zweck der Militäraktion die Vertreibung der Serben war. Als Beweisstück hierfür lag auch ein Protokoll über eine Besprechung auf der Adria-Insel Brioni vor, an der der damalige kroatische Präsident Franjo Tudjman, Verteidigungsminister Susek und führende Militärs teilnahmen. Danach war beschlossen worden, die serbische Bevölkerung zu vertreiben. Tudjman starb 1999 und konnte nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Gotovina wurde im Übrigen später im Bosnien-Krieg an die bosnischen Kroaten „ausgeliehen“ und leitete auch dort ähnliche Vertreibungsaktionen.

Zwischen den Vertreibungen von Deutschen und denen auf dem Balkan gibt es Parallelen, hierauf machte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in einem Kommentar aufmerksam. Das Blatt stellte fest, dass in beiden Fällen noch größere Verbrechen vorausgegangen seien, im Fall Kroatiens beging die serbische Armee in Kroatien erhebliche Kriegsverbrechen, die Folgeverbrechen beruhten aber auch auf Entscheidungen von Staatsorganen. Die „FAZ“ weist darauf hin, dass in Kroatien dennoch die Meinung vorherrscht, die Entscheidung zur Vertreibung sei richtig gewesen und macht auf eine analoge Auffassung in Tschechien bezüglich der Deutschen aufmerksam. Man müsste hinzufügen, in Polen unterscheidet sich die Meinung kaum davon. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass Gewalt gegen Zivilisten mit dem Ziel, sie zum Verlassen der Heimat zu veranlassen, nicht zu rechtfertigen sei, so die Schlussfolgerung der „FAZ“. Kroatien kann sich also nicht damit entschuldigen, es sei von serbischen Truppen zuvor angegriffen worden und habe Verbrechen an seiner Bevölkerung erdulden müssen.

Für die Verbrechen an Deutschen muss gleiches Recht gelten. Die Beschlüsse über die Vertreibung der Deutschen durch Truman, Churchill und Stalin, die im Potsdamer Protokoll ihren Ausdruck gefunden haben, waren verbrecherisch. Die Ausführenden haben gleiche Verbrechen begangen wie die beiden jetzt verurteilten Kroaten. Ihr Ausmaß war allerdings um ein Vielfaches höher! Auch wenn von den damaligen Akteuren niemand mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, weil wohl keiner mehr am Leben ist, haben die Betroffenen ein Anrecht darauf, zu erfahren, dass sie Opfer verbrecherischer Entscheidungen und von verbrecherischem Handeln geworden sind.

Die Geschichte darf nicht einfach über die Vertreibung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinweggehen. Sicher wäre den Völkern des Balkans und an vielen Orten der Welt vieles erspart geblieben, wenn man die Vertreibung der Deutschen zum Thema gemacht hätte und sich rechtzeitig für deren Ächtung eingesetzt hätte. Wenn Polen Aufklärung über die Toten von Katyn und Angehörige ein Gerichtsverfahren in Moskau verlangen, so zeigt dies, wie andere Staaten mit ihren Opfern umgehen. Auch die Würde deutscher Opfer verlangt Aufklärung und Anerkennung und zwar ohne Wenn und Aber und ohne demütigende Formeln. Die Vertreibung ist keine Kriegsfolge und keine Angelegenheit von Ursache und Wirkung. Diese Tatsache hat das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag allen Verharmlosern und Geschichtsfälschern ins Stammbuch geschrieben. In Deutschland müssen endlich klare Worte gefunden werden.

Der Autor, 1940 in Breslau geboren, ist seit 2000 Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien. In dieser Eigenschaft ist der Leitende Polizeidirektor a.D. zugleich Mitglied des Bundesausschusses des Bundes der Vertriebenen.


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