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02.07.11 / Unerfüllte Zukunftsvisionen / Vollständiger Umzug aller Ministerien nach Berlin in Sicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Unerfüllte Zukunftsvisionen
Vollständiger Umzug aller Ministerien nach Berlin in Sicht

Vor zwei Jahrzehnten sprach sich der Bundestag für einen Umzug der Regierung nach Berlin aus. Nun gibt es Überlegungen, auch die letzten in Bonn verbliebenen Regierungsstellen an die Spree zu verlegen. Langfristig scheint, auch ohne entsprechenden Beschluss, die Entwicklung in diese Richtung zu gehen. Nach einer historischen Debatte fiel am 20. Juni 1991 im Deutschen Bundestag die Entscheidung: 338 Abgeordnete stimmten für einen Regierungsumzug nach Berlin, 320 für den Verbleib in Bonn. Für Berlin im Nachhinein gesehen ein Glücksfall. Wäre damals die Entscheidung gegen Berlin gefallen, hätte das für die Stadt wahrscheinlich drastische Auswirkungen gehabt.

Von den Anfang der 90er-Jahre von Berliner Politikern verbreiteten Zukunftsvisionen ist kaum eine Realität geworden. Berlin ist weder zu einer Fünf- bis Sechs-Millionen-Metropole herangewachsen, noch hat die Stadt eine magische Anziehungskraft auf Konzernzentralen entwickelt. Auch die erhoffte Stellung als Drehscheibe im Ost-West-Handel wird eher von Wien als von Berlin eingenommen. Lediglich der Regierungsumzug, in der damaligen Euphorie fast als zusätzliches „Sahnehäubchen“ betrachtet, hat für die Stadt die erhoffte Mobilisierungswirkung entfaltet. Die neuen Ministerien, Behörden und ihnen nachfolgenden Verbände haben in den 90er-Jahren nicht nur einen wesentlichen Anteil am Bauboom in der Stadt gehabt, sondern verhinderten durch Bevölkerungszuzug auch ein Absinken der Einwohnerzahl. Teil des vor 20 Jahren beschlossenen Bonn-Berlin-Gesetzes, das die Aufteilung der Regierungsfunktionen regelte, war die Vereinbarung, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter weiterhin in Bonn arbeiten wird. Zwanzig Jahre später sieht die Realität anders aus. Mittlerweile arbeiten über 50 Prozent der Regierungsmitarbeiter in Berlin und nur noch 45 Prozent am Rhein. Der von den Bonn-Befürwortern befürchtete „Rutschbahneffekt“ scheint durch die Macht des Faktischen stattgefunden zu haben. Inzwischen sprechen sich Politiker wie Wolfgang Thierse (SPD), vor zwanzig Jahren Umzugs-Befürworter, und Rita Süßmuth (CDU), die damals für einen Verbleib in Bonn gestimmt hat, für einen langfristigen Umzug aller Bundesministerien aus. In den Ministerien gibt es ohnehin entsprechende Überlegungen. Das Bundesjustizministerium hat vor vier Jahren bereits gehandelt und den noch in Bonn verbliebenen Teil des Hauses in ein „Bundesamt für Justiz“ umgewandelt. Ähnliche Planungen gibt es im „Bendlerblock“. Das Verteidigungsministerium prüft den Abzug der noch in Bonn verbliebenen Teile des Ministeriums. Auf der Bonner Hardthöhe sollen als Ersatz nachgeordnete Behörden und Stellen der Bundeswehr angesiedelt werden.

Insgesamt hat Bonn seit dem Umzugsbeschluss 1,5 Milliarden Euro als Kompensation erhalten. Statt ursprünglich geplanter 6550 Behördenstellen sind 11000 Stellen aus Frankfurt und Berlin an den Rhein verlegt worden. Trotz des Umzugs nach Berlin stieg zwischen 1996 und 2006 die Zahl der Erwerbstätigen in der Bonner Region um 49000. Entgegen den Befürchtungen, die vor 20 Jahren laut wurden, scheint Bonn den Verlust der Hauptstadtfunktion gut verkraftet zu haben. Norman Hanert


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