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02.07.11 / Achillesferse Transit / Weltenergiebedarf: Erdgasanteil steigt überproportional

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Achillesferse Transit
Weltenergiebedarf: Erdgasanteil steigt überproportional

Griechenland und der Euro waren für manche eine willkommene Ablenkung davon, dass der deutsche Beschluss zum „Atom-Ausstieg“ die energiepolitischen Gegensätze in der EU verschärft und indirekt der Entindustrialisierung Vorschub leistet. Doch die Realität meldet sich zurück: Die in der Internationalen Energieagentur (IEA) vertretenen Industriestaaten haben beschlossen, die strategischen Öl-Reserven „anzuzapfen“. Weniger weil Versorgungsengpässe drohen, sondern weil der wohl längere Ausfall von libyschem Öl die Preisspekulation angeheizt hat.

Wie aus dem jüngsten Bericht der IEA außerdem hervorgeht, wird der Weltenergiebedarf in den nächsten Jahrzehnten massiv steigen, vor allem wegen der Nachfrage aus Indien und China. Der Anteil von Öl und Kohle wird sich dabei zugunsten von Gas verringern. Zusätzlich zu den bekannten und teilweise erschlossenen Gasvorkommen gibt es zwar noch riesige „unkonventionelle“ Vorkommen in Ton und Schiefer – in den USA und auch in China. Auch die Technologien zur Ausbeutung dieser Vorkommen sind vorhanden, allerdings noch nicht rentabel.

Auf jeden Fall bleiben Öl und Gas neben den politischen Risiken in Förderländern auch dem Transportrisiko ausgesetzt. Engstellen wie die Straße von Hormuz oder der Suezkanal können leicht blockiert werden, Piraten haben vor Somalia und vor der Malaiischen Halbinsel bereits mehrmals Tanker überfallen, und Rohrleitungen erleichtern politische Erpressung durch Transitländer. Der Sudan etwa droht dem eben unabhängig werdenden Südsudan mit Sperre der Ölleitung zum Roten Meer und die Transitgebührenforderungen der Ukraine haben mehrmals die Lieferung von russischem Gas nach Westen beeinträchtigt.

Der Bau von „Northstream“, einer direkten Gasleitung von Russland nach Deutschland durch die Ostsee, ist diesem Umstand zu verdanken. Ebenso das Projekt „Nabucco“, das Gas aus dem Irak, Aserbaidschan und Turkmenistan – und vielleicht aus dem Iran – über die Türkei nach Europa bringen soll. Aber wer weiß, auf  was für Gedanken vielleicht einmal auch die Türkei kommt, ganz abgesehen von den Sabotage- und Erdbebenrisiken.

Aserbaidschan und Turkmenistan sind zwar an „Nabucco“ sehr interessiert, weil sie jetzt auf den Transit durch Russland angewiesen sind und weil der Flaschenhals Bosporus gegen Gasverflüssigung und Verschiffung übers Schwarze Meer spricht. Doch Russland setzt alles daran, die Ex-Sowjetrepubliken bei der Stange zu halten – und eine zur Anbindung Turkmenistans nötige Leitung durch das Kaspische Meer wäre sogar völkerrechtlich umstritten. Russland forciert das Projekt „Southstream“, das Gas durchs Schwarze Meer über die Türkei nach Mittel- und Südeuropa bringen soll, und zur Umgehung des Bosporus verhandeln Russland, Bulgarien und Griechenland über den Bau einer Ölleitung von Burgas an die Ägäis. „Nabucco“ verzögert sich jedenfalls weiter und die Kosten steigen.        R.G. Kerschhofer


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