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02.07.11 / Es wird ernst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Es wird ernst
von Hans Heckel

Weniger die Inhalte waren es, die dem Beobachter des Grünen-Sonderparteitags in die Glieder fuhren. Es war die Lautstärke: Etliche Redner brüllten, ja kreischten regelrecht ins Mikrofon. War es strotzendes Selbstbewusstsein, gar Größenwahn? Oder schlich sich bereits eine Ahnung in die Gemüter, dass der Zenit überschritten ist?

Der überstürzte Atomausstieg, das stimmt, ist dem Druck der Grünen und der sie bislang unterstützenden Lobbygruppen zu verdanken. Kanzlerin Merkel wich bloß zurück. Zu Recht hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Grünen in Berlin zum „energiepolitischen Maß aller Dinge“ erhoben. Damit aber wird die linke Ökopartei auch für unerwünschte Folgen des abrupten Schwenks den Kopf hinhalten müssen.

Jetzt schon hakt es bei mancherlei Projekten zur „Erneuerbaren Energie“. Und die Probleme werden sich häufen. Atom­aussteiger und „Wutbürger“ werden sich an immer mehr Orten des Landes als unerbittliche Gegner gegenüberstehen: die einen für neue Windräder, Hochspannungstrassen, Pumpspeicher-, Biogas- oder gigantische Solarkraftwerke, die anderen für den Erhalt ihrer Landschaft. Erstmals werden „Grüne“ und „Naturschützer“ unmittelbar aufeinandertreffen.

Gegen die hier zu erwartenden Konflikte könnte sich der derzeitige Zwist zwischen Umweltverbänden und Grünen über fünf Jahre Restlaufzeit noch als harmlos erweisen. Die neuen Kämpfe werden – jeder für sich genommen – zwar eher regional statt national Wellen schlagen. Aber in ihrer Masse drohen sie das Image der Grünen zu untergraben: das der freundlichen Partei für die kleinen Projekte, für das möglichst störungsfreie Leben in romantischer Umgebung.

Und der Wohlfühlfaktor ist wichtig für die Grünen-Anhänger: Sie sind die Bestverdienenden im Lande (und nicht die FDP-Wähler, wie gern kolportiert wird), die weiter weg sind von den materiellen Existenzsorgen als jede andere Wählergruppe. Man nennt sie daher auch die „Postmaterialisten“, die es sich leisten können, ihr Hauptaugenmerk auf die Schönheit ihres Wohnumfelds zu legen statt auf den materiellen Existenzkampf. Sie erwarten von den Grünen, dass sie sie vor den Zumutungen einer Industriegesellschaft, von Marktzwängen und den Begleit­erscheinungnen wirtschaftlichen Wachstums schützen.

Das aber werden Künast und Co. immer weniger leisten können – nun, da sie den energiepolitischen Kurs Deutschlands in den kommenden Jahrzehnten als ihre ureigene Errungenschaft etikettiert haben, weniger denn je. Die Grünen müssen nicht erst „Verantwortung übernehmen“, sie werden (erstmals) verantwortlich gemacht werden.


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