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02.07.11 / Glanz und Tragik eines Königs / Die Bayerische Landesausstellung »Götterdämmerung« versteht sich als Neuinszenierung König Ludwigs II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Glanz und Tragik eines Königs
Die Bayerische Landesausstellung »Götterdämmerung« versteht sich als Neuinszenierung König Ludwigs II.

Am 13. Juni 1886 fand der entmachtete bayerische „Märchenkönig“ Ludwig II. unter ungeklärten Umständen im Starnberger See den Tod. Sein 125 Jahre zurückliegender Untergang ist Anlass für die Bayerische Landesausstellung im Neuen Schloss Herrenchiemsee. Sie ist als Drama in fünf Akten angelegt. Deren Schauplatz sind die erstmals für das Publikum zugänglichen, mit nackten Ziegelwänden aufwartenden Rohbauräume des Märchenschlosses.

Das nach den Vorstellungen Ludwigs II. auf der Herreninsel im Chiemsee erbaute und eingerichtete Schloss ist eine schöpferische Interpretation von Versailles, dem Residenzschloss seines Idols: des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. von Frankreich. Zentrum des Schlosses Herrenchiemsee ist das in Gold und Rot gehaltene Paradeschlafzimmer. Es ist größer und prachtvoller als das Versailler Vorbild.

Erster Akt der Landesausstellung: Wie Ludwig König wurde –Ludwig, Sohn König Maximilians II. von Bayern und Maries von Preußen, war 18 Jahre alt, als sein Vater unerwartet starb. „König“ schrieb Ludwig II. über eine ganze Seite in sein Tagebuch. Als stattlicher Herrscher präsentiert er sich in Krönungsmantel und Generalsuniform auf dem von Ferdinand Piloty 1865 gemalten Staatsporträt.

Zweiter Akt: Wie der König Krieg führte und einen Kaiser über sich gesetzt bekam – Bayern war mit Preußen verbündet. Als Frankreich 1870 Preußen den Krieg erklärte, zogen bayerische Truppen mit ins Feld. Gezeigt wird der berühmte „Kaiserbrief“ vom 30. November 1870, den zu schreiben sich Ludwig II. unter dem Druck seiner Minister genötigt sah. Als zweitmächtigster Herrscher des damals entstehenden Deutschen Reiches trug er im Namen der anderen Fürsten König Wilhelm I. von Preußen die Kaiserkrone an. Den Entwurf für Ludwigs Handschreiben lieferte Bismarck. Damit war die Reichseinigung eingeleitet. Mit ihr verlor Bayern seine Souveränität.

Dritter Akt: Wie der König seine Gegenwelten schuf – Fortan betätigte sich Ludwig II. als König der Kultur. Er war Förderer von Richard Wagner. Die Bühnenbilder zu Wagners Musikdramen wiederum lieferten dem König wichtige Anregungen für die Inszenierung seiner Schlösser. Nach den Worten Richard Loibls, des Direktors des Bayerischen Hauses der Geschichte, sind die Schlösser Ludwigs II. als Abfolge von Bühnenbildern, von Kulissen für ein gigantisches Historienspiel inszeniert, das sich nur und ausschließlich in der Vorstellung des Königs konkretisierte.

Prunkstück des dritten Aktes ist der mit Putten geschmückte goldene „Galaschlitten Ludwigs II.“ (1872/73). In diesem Pferdeschlitten war der Märchenkönig vorzugsweise in Winternächten auf nur für ihn angelegten Straßen unterwegs. Seit 1885 war das Gefährt aufs Modernste beleuchtet: In den Seitenlampen und der verglasten Krone strahlten Glühbirnen. Damit fuhr Ludwig das erste elektrisch beleuchtete Fahrzeug im Bayernland, vielleicht sogar überhaupt.

Vierter Akt: Wie Ludwigs Königreich modern wurde – Auch der Gleichstromgenerator aus Schloss Linderhof und das als „König-Ludwig-Apparat“ vorgestellte Telefon aus Neuschwanstein sind Beispiele dafür, dass die Gegenwelten des Märchenkönigs auf dem neuesten technischen Stand waren. Unter Ludwig II. kam zudem der Bayerntourismus in Schwung. Erstes Großereignis, das Schaulustige aus dem ganzen Deutschen Reich anzog, waren die von Ludwig geförderten Oberammergauer Passionsspiele. Ausgestellt sind Kostüme der letztjährigen Aufführung.

Fünfter Akt: Wie König Ludwig starb und ein Mythos wurde –Trotz jährlicher Einkünfte von rund fünf Millionen Mark häufte der König bis 1885 etwa 14 Millionen Mark Schulden an. Aber vom Bauen war er nicht abzubringen. Er bekundete: „Mein Lebensglück hängt davon ab.“ Gezeigt wird ein Handschreiben Ludwigs II. an einen Vertrauten, in dem es heißt: „Ruhe nicht, bis Du einen gefunden hast, der für 20 Millionen gut steht.“ Es gehört in den Kontext seiner abenteuerlichen Versuche der Geldbeschaffung. Er zog gar in Betracht, den Sultan in Konstantinopel anzupumpen – oder eine Bank auszurauben. Solche Verstiegenheiten brütete der König in selbst gewählter Einsamkeit aus. In seiner Umgebung duldete er zuletzt nur noch einige Lakaien, Kutscher, Stalldiener und zum Kammerdienst abkommandierte Soldaten der leichten Kavallerie. Gerade Letztere gaben Anlass zu Gerüchten über die homosexuellen Neigungen des Königs. Die gelten heute als gewiss.

Allmählich kamen bei der Familie und den Ministern Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Königs auf. Deshalb sollte Bernhard von Gudden, Direktor der Kreisirrenanstalt von Oberbayern, ein Gutachten über den Geisteszustand Ludwigs II. erstellen. In diesem in der Schau präsentierten Dokument urteilt er, der König sei „in sehr weit vorgeschrittenem Grade seelengestört“ und leide an „Paranoia (Verrücktheit)“. Die meisten heutigen Psychiater lehnen von Guddens Diagnose ab: Der König war nicht geisteskrank, sondern litt an einer Persönlichkeitsstörung.

Daraufhin wurde am 10. Juni 1886 die Entmündigung und Regierungsunfähigkeit des Königs sowie die Übernahme der Regentschaft durch Prinz Luitpold öffentlich verkündet. Am 13. Juni brach der unter Daueraufsicht gestellte Ludwig II. gegen 18.45 Uhr in Begleitung seines Gutachters und nunmehrigen Arztes zum letzten Spaziergang auf. Kurz vor 23 Uhr fand man beide tot im Starnberger See. Im präsentierten Obduktionsbericht des Königs wird „Tod durch Ertrinken“ festgestellt. Die genauen Umstände bleiben unbekannt, so dass bis heute Mordtheorien die Runde machen.

Der tragische Tod offenbart nach Einschätzung Richard Loibls das Ende einer Epoche, die er in Anlehnung an Wagners Musikdrama „Der Ring des Nibelungen“ als „Götterdämmerung“ bezeichnet. Mit dem dramatischen Ende Ludwigs II. aber beginnt der Mythos des Märchenkönigs. Geht der Titel auf die als „Sissi“ populäre Kaiserin Elisabeth von Österreich zurück? Kurz nach dem Tod Ludwigs II. schrieb sie ein Gedicht mit der Strophe „Ja, ich war ein Märchenkönig, / Saß auf hohem Felsenthrone, / Schlanke Lilie war mein Scepter, / Funkelnd’ Sterne meine Krone.“

            Veit-Mario Thiede

Die Ausstellung „Götterdämmerung“ ist bis zum 16. Oktober  im Neuen Schloss Herrenchiemsee täglich von 9 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 9,50/8,50 Euro. Katalog und Aufsatzband aus dem Primus Verlag kosten 39,90 Euro


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