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02.07.11 / Donner brachte sie einander näher / Ein Sommerausflug ins Grüne bei schwülem Wetter endete mit einem Gewitter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Donner brachte sie einander näher
Ein Sommerausflug ins Grüne bei schwülem Wetter endete mit einem Gewitter

Es war ein wunderbarer, ein herrlicher Tag. Ein sonniger Sonntag. Das junge Mädchen, das bei Schneider & Schneider wochentags von morgens bis abends Rechnungen über ausgelieferte Fahrrad- und Mopedersatzteile tippen musste, fuhr heute mit einem großen, hellblauen Reiseomnibus ins Grüne. Sie hatte sogar einen Fensterplatz.

Von morgens bis abends in Kösters Feinkosthandlung Margarine zu verkaufen und Schichtkäse abzuwiegen, das ist für einen jungen aufgeweckten Mann auf die Dauer kein reines Vergnügen. Deshalb fuhr auch er an diesem Sonntag mit dem hellblauen Reise­omnibus ins Grüne. Er hatte den Platz neben dem Mädchen.

„Ob das Wetter so schön bleibt?“, fragte der junge Mann. „Hoffentlich!“, sagte das junge Mädchen. Der Bus war voll besetzt mit fröhlichen Sonntagsmenschen. Sie hatten sich alle gefreut auf diesen Tag, an dem sie die Großstadt einmal vergessen wollten.

„Im Radio“, sagte der junge Mann, „haben sie für heute Gewitterstörungen angesagt. „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand“, erwiderte das junge Mädchen erschrocken. „Ich fürchte mich vor Gewittern!“ „Ach, es handelt sich doch nur um Natur­ereignisse, ohne die es einfach nicht geht“, versuchte der junge Mann zu erklären. „Unangenehm nur, dass bei Gewittern der Schichtkäse zu säuern beginnt. Aber sehen Sie: Der Himmel ist ein einziges blaues Dach – das Radio wird sich geirrt haben!“

Endstation des Tagesausflugs war die Berggaststätte „Zur fidelen Einkehr“. Der Fahrer stellte seinen hellblauen Reiseomnibus auf dem Parkplatz ab und ging mit den Sonntagsausflüglern in die Gaststube. Nach dem gemeinsamen Essen sagte er: „Um halb sieben fahren wir von hier aus wieder zurück. Bis dahin, meine Herrschaften, machen Sie sich ein paar schöne Stunden. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!“

Sie machten sich gemeinsam auf den Weg, der junge Mann und das junge Mädchen. Manchmal sah er sie von der Seite an und dachte: Sie ist sehr hübsch, sie gefällt mir.  Bald hinter der Berggaststätte stand eine Bank mit vielen eingeschnittenen Herzen und Anfangsbuchstaben.

Sie setzten sich. Ein paar Wölkchen segelten über das Himmelszelt. Der junge Mann sagte leise: „Ich möchte Du zu Ihnen sagen – darf ich?“ „Wir kennen uns doch erst seit ein paar Stunden“, sagte das junge Mädchen. Als dann der junge Mann den Arm um sie legen wollte, da rutschte sie einen Meter weit weg an das andere Ende der Bank. „Ich bitte Sie“, sagte sie, „seien Sie doch vernünftig. Wir wollen uns doch nicht den Sonntag verderben!“

Der junge Mann zog die Luft durch die Nase und sah gelangweilt zum Himmel hinauf. „Nanu?“ sagte er. „Lauter Wolken! Ich glaube, es gibt doch ein Gewitter!“ „Das sind nur ganz harmlose Wölkchen“, sagte das junge Mädchen. Dann dachte es, dass sein Begleiter eigentlich doch ein ganz netter Junge wäre, aber gerade deswegen wollte sie es ihm nicht so leicht machen … und dann fing es an zu donnern! „Es donnert“, sagte der junge Mann. „Himmel ja – Sie haben recht!“ „Es ist ein trockenes Gewitter!“ „Die trockenen Gewitter sind die schlimmsten“, sagte das Mädchen. Es donnerte abermals. Sie rückte wieder ein bisschen näher an ihren Begleiter heran. „Blitze“, sagte sie, „schlagen meist in den höchsten Punkten ein!“ „Ja“, sagte der junge Mann, „dieses hier ist ein sehr hoher Punkt. Die Gaststätte ,Zur fidelen Einkehr‘ liegt 314 Meter über dem Meeresspiegel.“ Es donnerte schon wieder. „Ich hatte bereits als Kind Angst vor Gewittern“, sagte das Mädchen.

Es donnerte geschlagene zwei Stunden. Es war ein trockenes Gewitter, ein Gewitter aus heiterem Himmel. Die Sonne hatte gar nicht aufgehört zu scheinen. Sie saßen immer noch auf ihrer Bank und das Mädchen sagte: „Küss mich noch einmal, Herbert ... Dann höre ich den Donner nicht und fürchte mich auch nicht!“

Es war ein herrlicher Sonntag. Erst am späten Nachmittag kehrten sie in die „Fidele Einkehr“ zurück. Sie hatten gerade noch Zeit, Kaffee zu trinken. „Tut mir leid“, sagte der Wirt, „dass es so laut ist. Aber sonntags kommen die Einheimischen zum Kegeln.“ „Uns stört’s nicht“, lächelte das junge Mädchen – und das ganze Gasthaus dröhnte unter dem Donnerlärm der rollenden Kugeln und stürzenden Kegel ...Willi Wegner


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