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09.07.11 / Spaltpilz in der Wiege / Seit seiner Gründung 1830 ist Belgien von innerer Zerrissenheit geprägt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Spaltpilz in der Wiege
Seit seiner Gründung 1830 ist Belgien von innerer Zerrissenheit geprägt

Durch Streit geboren, ist Belgien bis heute von tiefer innerer Zerrissenheit geprägt. Im Zuge der territorialen Neuordnung durch den Wiener Kongress im Jahre 1815 wurden die südlichen Niederlande (Belgien) und Holland im Norden unter König Willem I. zum Königreich der Niederlande vereinigt. Von Beginn an gab es Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsteilen, die 1830 zum Aufstand der Belgier führten. Selbst mit militärischen Mitteln gelang es dem König nicht, die Revolution niederzuhalten, so dass die Belgier am 4. Oktober 1830 ihre Unabhängigkeit proklamierten. Auf einer internationalen Konferenz erkannten die Großmächte die Trennung zwischen Belgien und den nördlichen Niederlanden an und akzeptierten den vom belgischen Nationalkongress nominierten Leopold I. aus dem Hause Sachsen-Coburg als Monarchen des neuen Staates.

Diesem gelang es jedoch nicht, sein Volk zu einen. Der Gegensatz zwischen den niederländisch sprechenden Flamen und den frankophonen Wallonen entzündete sich bereits an der Tatsache, dass Französisch als alleinige Amtssprache eingeführt wurde. Daraus entwi­ckelte sich im Laufe der Zeit die Flämische Bewegung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Schatten des reinen Kulturbetriebs heraustrat und weitgehende Rechte der Flamen reklamierte. Auch wenn es vordergründig um sprachliche Selbstbehauptung ging, wurde immer deutlicher, dass es sich tatsächlich um einen politisch-sozialen Konflikt zwischen den eher agrarisch-kleinbürgerlich geprägten Flamen und dem wohlhabenden wallonischen Bildungsbürgertum handelte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Konflikt noch weiter politisiert, und den Flamen ging es nun hauptsächlich um Emanzipation und, als nächsten Schritt, um Sezession.

Nach dem Zweiten Weltkrieg spitzte sich die Lage weiter zu, als viele Flamen wegen angeblicher Kollaboration mit dem Deutschen Reich verfolgt wurden. Selbst König Leopold III. wurde heftig angegriffen, weil er mit den Deutschen über die Zukunft seiner Dynastie verhandelt hatte. Während die Flamen zu ihm hielten, waren die Wallonen mehrheitlich gegen den Monarchen. Das Land drohte wegen der „Königsfrage“ in einen Bürgerkrieg zu stürzen, was Leopold nur durch die Abdankung zugunsten seines Sohnes Balduin verhindern konnte.

Diesem gelang es, die Lage zu beruhigen, indem die Gebiete der Flamen und der Wallonen 1962 durch die Festlegung einer „Sprachgrenze“ territorial definiert wurden. Seit 1970 wurde Belgien zudem im Zuge von fünf Staatsreformen zu einem föderalen Staat umgewandelt, der in eine Flämische und eine Wallonische Region sowie die Region Brüssel-Hauptstadt gegliedert ist, die über weitreichende Kompetenzen verfügen. Diese administrative Zersplitterung hat indes dazu geführt, dass eine einheitliche und effiziente Verwaltung nicht mehr gegeben ist.

In den vergangenen Jahren haben sich die Spannungen zwischen beiden Volksgruppen so sehr verschärft, dass das Land quasi unregierbar geworden ist und vor dem Zerfall steht. Der König, laut Verfassung der „Hüter der Einheit des Landes“, ist bei dieser Entwicklung nur noch Statist. Zerfällt Belgien, wäre er ein Herrscher ohne Reich.           Jan Heitmann


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