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09.07.11 / Schlacht um EU-Budget eröffnet / Milliardenrettungsschirme verärgern die Bürger, doch Brüssel will jetzt sogar noch eine eigene Steuer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Schlacht um EU-Budget eröffnet
Milliardenrettungsschirme verärgern die Bürger, doch Brüssel will jetzt sogar noch eine eigene Steuer

Die EU-Kommission hat ihre Forderungen für die Finanzplanung von 2014 bis 2020 vorgelegt. Während bei den nationalen Haushaltsplanungen der Rotstift regiert, will die EU zukünftig über fünf Prozent mehr Geld verfügen können. Verteilt über sieben Jahre die Summe von 1025 Milliarden Euro – mit dieser Forderung hat Kommissionspräsident José Manuel Barroso die offiziellen Verhandlungen über den Finanzrahmen bis 2020 eröffnet.

Erste Reaktionen auf seine Vorschläge ließen nicht lange auf sich warten. Bereits innerhalb weniger Stunden erklärte ein Sprecher der britischen Regierung zu Barrosos Forderungen: „Inkompatibel mit den harten Entscheidungen, die in zahlreichen europäischen Staaten getroffen werden.“ Ähnliche Reaktionen kamen aus den Niederlanden, Italien, Schweden und Dänemark. Selbst Bundesaußenminister Guido Westerwelle mahnte eine strikte Ausgabenbegrenzung an. Bereits im Vorfeld hatte die EU-Kommission eine Kampagne gestartet, um mit den aus ihrer Sicht ungerechtfertigten „Mythen“, die über den EU-Haushalt verbreitet seien, aufzuräumen. Hauptziel war vor allem die EU-kritische Öffentlichkeit in Großbritannien. Dort hatte die Presse seit Wochen ausgiebig Beispiele des Brüsseler „Dolce Vita“ präsentiert. Der „Daily Telegraph“ brachte genüsslich eine Reportage über Luxus-Stundenhotels in Brüssel, deren Kundschaft zu 80 Prozent aus EU-Beamten bestehe, die dort ihre Mittagspausen verbringen. Die BBC beschäftigte sich mit dem Neubau des EU-Ratsgebäudes in Brüssel. Bis 2014 entsteht ein 240 Millionen Euro teurer Glaspalast neben dem bisher genutzten voll funktionsfähigem Gebäude. Ratspräsident Herman van Rompuy sorgte selbst in eigenen Kreisen für Kopfschütteln, als er während einer Beratung über die griechische Schuldenkrise Hochglanzprospekte des Prestigeobjekts herumreichte.

Inzwischen scheint selbst die EU-Kommission begriffen zu haben, dass die Höhe der „Verwaltungsausgaben“ zu viele Angriffspunkte für Kritiker bietet und kaum zu verteidigen ist. Kommissionspräsident Barroso kündigte an, dass bei den Kosten für die rund 50000 EU-Angestellten gespart werden soll. Die Arbeitszeit soll von 37,5 auf 40 Stunden steigen und das Renteneintrittsalter von 63 Jahren auf 65 Jahre erhöht werden. Auch die Einkommensteuer für das bisher mit allerlei Privilegien versorgte Beamtenheer soll angehoben werden. Außer diesem Zugeständnis präsentierte Barroso noch einen taktisch geschickten Vorschlag: die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die Forderung nach einer solchen Steuer, die eigentlich helfen soll, Spekulationsgeschäfte an den Finanzmärkten einzudämmen, verhallte bisher immer ungehört. Die Steuer wurde, auch in EU-Kreisen, als kaum umsetzbar abgelehnt. Nun scheint eine derartige Steuer überraschenderweise doch praktikabel zu sein. Allerdings um den Preis, dass die Erlöse nicht in die nationalen Haushalte, sondern direkt in die EU-Kasse fließen. Indem Barroso sich zum Vorreiter der Finanztransaktionssteuer macht, hofft er die bisher nicht durchsetzbare eigene EU-Steuer installieren zu können. Die Mitgliedsländer sollen durch einer Reduzierung der nationalen Beitragszahlungen zur Zustimmung geködert werden.

Allerdings waren auch zu diesem Vorschlag die ersten Reaktionen ähnlich ablehnend wie die zum erhöhten Finanzrahmen der EU. Vor allem Großbritannien, das nach den Planungen der Kommission seinen, noch von Margret Thatcher ausgehandelten, „Briten-Rabatt“ auf seine Beitragszahlungen verlieren soll, lehnt die neue Steuer energisch ab. London dürfte sich in den anstehenden Verhandlungen über den Finanzrahmen 2014 bis 2020 ohnehin als der hartnäckigste Gegner der EU-Kommission erweisen. Premierminister David Cameron steht unter erheblichen Druck der eigenen Partei. Rund 100 konservative Abgeordnete haben in einem Brief an ihn unlängst einen radikalen Wechsel in der Europapolitik gefordert. Damit nicht genug. Selbst vom Labour-Oppositionsführer Ed Balls wird die Forderung nach Kürzungen im EU-Haushalt unterstützt.

Die Verhandlung über den EU-Haushalt werden sich bis Ende 2012 hinziehen. Die bisher bei nationalen Haushaltsplanungen gängige Praxis von Schattenhaushalten hält auch bei der EU immer stärker Einzug. Was bisher nur beim 30 Milliarden Euro schweren Entwicklungshilfefonds der Fall war – die Bilanzierung außerhalb des eigentlichen Haushalts – soll nun auch beim Globalisierungsfonds, einem neuen Fonds für Krisenhilfen im Agrarsektor, bei den Kosten für die ITER-Kernfusionsforschung und den Kosten für das Erdbeobachtungsvorhaben GMES angewendet werden. Nach Berechnungen der euroskeptischen Organisation „Open Europe“ sollen so insgesamt 58,3 Milliarden Euro versteckt werden. Die von Barroso geforderte Mittelerhöhung würde damit nicht fünf, sondern sogar sieben Prozent betragen. Norman Hanert

Foto: EU-Parlament Brüssel: Parlamentarier fordern immer mehr Geld für solche gefräßigen Glasmonster.           


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