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09.07.11 / Die ostpreussische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Die ostpreussische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es gibt wieder Erfreuliches zu berichten und nichts mache ich lieber, als dieses unseren Leserinnen und Lesern mitzuteilen. Beweist es doch, dass unsere gemeinsame Arbeit Früchte trägt, reiche sogar, wie Herr Heinrich Ehlert aus Arnsberg berichtet. Er hatte sich im Rahmen unserer kleinen Fotoaktion vom „Deutschen Tag 1920 in Bischofsburg“ gemeldet und um die Überlassung einiger Aufnahmen für sein Bildarchiv „Ostpreußen“ gebeten, das er für die Kreisgemeinschaft Rößel aufbaut. Das Interesse an diesen alten Originalaufnahmen war aber so groß gewesen, dass ich die 14 Fotos auf mehrere Interessenten verteilen musste, die aber bereit waren, für Herrn Ehlert Kopien anzufertigen. Eine Originalaufnahme erhielt Herr Ehlert auch von mir. Außerdem teilten wir unseren Lesern seinen Wunsch nach leihweiser Überlassung von alten Ansichtskarten und Fotos aus Ostpreußen mit. Und schon drei Wochen nach der Veröffentlichung in Folge 22 schrieb er uns diesen Brief:

„Ich habe Ihr Bild vom Deutschen Tag in Bischofsburg mit großer Freude erhalten, ganz herzlichen Dank dafür. Auch meine Kontaktaufnahme mit den beiden Landsleuten, die die anderen Bilder erhalten haben, war sehr erfolgreich. Sie haben mir die Bilder kurzzeitig zum Kopieren überlassen. Herr Sch. hat mir sogar noch weitere Ansichten vom Ermland für meine Arbeit in Aussicht gestellt. Und auch der Aufruf an die ostpreußischen Leser in der ,Ostpreußische Familie‘ zeigte erste Erfolge. Zwar meldeten sich bisher nur zwei Landsleute, aber schwergewichtige. Von einem wurden mir neben einigen Ansichtskarten 50 Dias mit Ansichten von ostpreußischen Städten leihweise überlassen. Der andere ist im Besitz von rund 1700 ostpreußischen Ansichtskarten, die er mir für meine Arbeit zur Verfügung stellen wird“.

Na, das ist doch schon was. Inzwischen dürfte Herr Ehlert mit Sicherheit weitere Zuschriften erhalten haben, denn unsere Zeitung wird ja sehr intensiv gelesen, das dauert schon seine Zeit. (Hier noch einmal die Anschrift des Archivars: Heinrich Ehlert, Alter Soestweg 65 in 59821 Arnsberg, Telefon 02931/6071, E-Mail: ehlert.heinrich@bischofsburg.de)

Einen kleinen Dank muss ich aber auch Herrn Ehlert für seine Worte abstatten, mit denen er die Wichtigkeit unserer Familienarbeit bekundet: „Inzwischen bedauere ich sehr, dass ich mich nicht schon früher mit meinem Anliegen an Sie gewandt habe, denn inzwischen sind ja viele unserer Landsleute aus der Erlebnisgeneration verstorben. Und mit ihnen – leider allzu häufig – ihre gesammelten und sogar gehüteten Erinnerungsbilder, weil die Nachkommen nichts damit anzufangen wussten, beziehungsweise sich nicht dafür interessierten und sie deshalb gedankenlos entsorgten. So sind inzwischen unersetzliche Kulturgüter unserer alten Heimat für immer verloren. Umso wichtiger ist es, das noch vorhandene Material zu sammeln und zu archivieren, um auch für die Nachgeborenen das Bild unserer Heimat für alle Zeiten zu bewahren und zugänglich zu machen. Das Internet bietet dafür erstmalig eine Möglichkeit.“

Bringt aber auch neue Probleme. Denn nun entdecken jüngere Sucher plötzlich die Namen ihrer Eltern oder Großeltern in alten Anzeigen, die oft in die frühen 50er Jahre zurückführen. Damals begann ja die große Suche, es wurden Seiten mit Namen und Daten gefüllt, hunderte waren es oft in einer Ausgabe. Und nun wenden sich die überraschten Nachkommen an uns und wollen wissen, wer die Suchenden waren, die damals diese Aufrufe gestartet haben. Das bringt uns in große Schwierigkeiten, denn die Unterlagen sind nicht mehr vorhanden, so können die Namen nur nach langen und aufwendigen Nachforschungen oder überhaupt nicht vermittelt werden. Bleibt oft nur die Veröffentlichung in unserer Ostpreußischen Familie, aber da muss man den Datenschutz berücksichtigen, ohne aufwendige Nachfragen geht da nichts. Denn sehr erschwerend kommt hinzu, dass viele Anfragen nicht aus unserem ständigen Leserkreis kommen, so dass man den Schreibern erst erklären muss, wer wir sind und welche Aufgaben wir mit unserer Familienarbeit erfüllen.

Erfreuliches hatte ich ja zu Beginn meiner heutigen Kolumne verkündet, und das enthält auch das Schreiben, das ich von Herrn Christopher Spatz aus Berlin erhielt. Der Doktorand hat für seine Promotionsarbeit das Thema „Wolfs­kinder“ gewählt, weil ihn das Schicksal der heim- und heimatlosen Kinder, die nach der russischen Besetzung bettelnd durch Litauen zogen, besonders bewegt hat. Vor allem interessierte ihn die Integration der kleinen „Spätheimkehrer“ in die deutsche Gesellschaft. Herr Spatz bat uns vor gut einem Jahr, ihm bei der Suche nach ehemaligen „Wolfskindern“ zu helfen, und diese Bitte erfüllten wir schnell und gern. Nun schreibt also Herr Spatz über den bisherigen Verlauf seines Dissertationsprojektes:

„Der Aufruf in Ihrer Kolumne ,Ostpreußische Familie‘ in der PAZ war in Kombination mit verschiedenen Anzeigen in den Heimatbriefen der nordostpreußischen Kreisgemeinschaften sehr erfolgreich. Es konnte Kontakt zu über 65 früheren ,Litauerfahrern‘ und ,Wolfskindern‘ hergestellt werden, die ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärt haben. Aus dieser Sicht sei sowohl Ihnen sowie Frau Anita Motzkus für die Unterstützung gedankt als auch den Lesern der PAZ, über die in vielen Fällen die Verbindung zu den Zeitzeugen überhaupt erst ermöglicht wurde. Meine Arbeit zum Thema ,Identität‘ und ,Identitätswandel ostpreußischer ,Wolfskinder‘ in der deutschen Gesellschaft‘ hat in den vergangenen Monaten große Fortschritte erfahren. In verschiedenen Archiven im Bundesgebiet konnte ich eine Menge an Material sichern, mit dem sich die ungeheuren Ausmaße der Wanderungsbewegungen der deutschen Bevölkerung aus dem nördlichen Ostpreußen in Richtung Baltikum nach 1945 eindrucksvoll belegen lassen. Ebenso ist es mir bereits gelungen, eine Vielzahl von Fällen nachzuweisen, in denen ,Wolfskindern‘ in den 50er, 60er und 70er Jahren die Ausreise aus der Sowjetunion in einen der damaligen beiden deutschen Teilstaaten geglückt ist. Seit April erhalte ich nun ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung, so dass ich meine Konzentration endlich in vollem Umfang dem Dissertationsprojekt und den ,Wolfskindern‘ widmen kann. Somit kann die Arbeit in den Archiven vermutlich noch vor den Sommerferien weitgehend abgeschlossen werden.“

Dazu beglückwünschen wir Herrn Spatz ganz herzlich und freuen uns, dass unsere Mittlerrolle so erfolgreich war. Aber – ja, ein „aber“ gibt es leider auch in diesem Fall. Die meisten der Frauen und Männer, die sich für die Befragung zur Verfügung gestellt haben, warten immer noch und einige der möglichen Gesprächspartner sind schon unruhig geworden. Herr Spatz muss bei den kostenaufwendigen Zeitzeugen-Interviews weiterhin auf Sparflamme kochen, denn es ist ihm trotz aller Anstrengung noch nicht gelungen, die Reisekostenfinanzierung sicherzustellen. So konnte er bisher nur in Norddeutschland und im Berliner Raum mit knapp 20 Interviewpartnern Gespräche führen. Die Befragungen in anderen Teilen Deutschlands stehen noch aus, und so weiß Herr Spatz nicht, wie er die 50 noch ausstehenden Interviews und die zehntägige Forschungsarbeit im Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth finanzieren soll. Die Konrad-Adenauer-Stiftung übernimmt keine Reisekostenfinanzierung im Inland. Andere Stiftungen lehnten ein Stipendium ab, darunter auch mit der Begründung, dass für die Forschung über die „Wolfskinder“ kein öffentliches Interesse bestehe! Der Erfolg seiner Arbeit hängt für Herrn Spatz aber von der Durchführung dieser Zeugengespräche statt. So konzentrieren sich seine Anstrengungen augenblicklich auf dieses Problem – sollte es bald gelöst werden, könnte er Ende des kommenden Jahres mit der Fertigstellung der kompletten Arbeit rechnen. Wir wünschen ihm weiterhin Mut und Erfolg für dieses Projekt, das auch für uns Vertriebene von großem dokumentarischem Wert ist!

Hatte nicht gerade beim Empfang der noch in Litauen lebenden „Wolfskinder“ beim Bundespräsidenten Christian Wulff am 8. Mai im Schloss Bellevue der Bundestagsabegeordnete Klaus Brähmig erklärt: „Die Forschung zu Wolfskindern und die wissenschaftliche Aufarbeitung muss intensiviert werden“? Diese Worte des Vorsitzenden der „Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten“ der Unionsfraktion im Bundestag lassen hoffen.

Die acht Tage im Mai, die sie in Deutschland verbringen konnten, werden für die 34 „Wolfskinder“ aus Litauen unvergesslich bleiben. Höhepunkt des Besuches war zweifellos der Empfang bei dem Bundespräsidenten – über den die PAZ in Folge 20 berichtete –, aber auch das weitere Programm war so erlebnisreich für die 34 Teilnehmer, dass sie noch lange davon zehren werden. Bevor die Reise nach Schloss Stetten in Baden-Württemberg ging, gab es Zwischenstationen in Hannoversch-Münden und Göttingen, auf denen die Gäste nicht nur die Schönheit dieser deutschen Landschaft erlebten, sondern auch viele Begegnungen mit Menschen hatten, die an ihrem Schicksal Anteil nahmen und den lange von der Allgemeinheit vergessenen Wolfskindern schöne Stunden bereiteten. Wie Herr Bernd Brandes in Hannoversch-Münden, der als Mitglied des Deutsch-Baltischen Freundeskreises von Professor Dr. Freiherr Wolfgang von Stetten gebeten wurde, für die Gruppe einen erlebnisreichen Tag im Raum Hannoversch-Münden zu organisieren. Und das hat der Unternehmer mit großem Engagement und Taktgefühl getan. Er führte mit einem Besuch der Sababurg, dem „Dornröschenschloss“, die heute im Seniorenalter stehenden Menschen behutsam in ihre Kindheit zurück, als ihnen von der Mutter die Grimmschen Märchen erzählt wurden. Der Förster, der sie durch den traumschönen Reinhardswald führte, ging nach eigenen Worten „dieser Besuch unter die Haut“. Und die deutsche Kindheit wurde auch bei der Kaffeetafel, die von der Lutherischen Gemeinde Hannoversch-Münden reich gedeckt worden war, wieder lebendig. Als gemeinsam das Lied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ gesungen wurde, war das Erstaunen auf Seite der Gastgeber groß, denn viele der ehemaligen Wolfskinder konnten das Lied auswendig mitsingen. In Göttingen, wo die Teilnehmer Gäste der Gesellschaft für bedrohte Völker waren, konnten sie einem großen Zuhörerkreis – fast 300 Personen waren in das Alte Rathaus gekommen – von ihrem Schicksal berichten. Und in Duderstadt, wo die Gruppe auf ihrem Weg nach Künzelsau noch einmal Rast machte, sorgte die Gemeinde für weitere schöne Stunden, die sich wie Perlen an der Schnur bis Schloss Stetten reihten, wo die Besuchswoche mit einer Festveranstaltung ihren krönenden Abschluss fand. Dies nur in Kürze und als ganz großes Dankeschön an alle, die unseren Landsleuten aus Litauen diese für beide Seiten unvergesslichen Tage schenkten.

Eure Ruth Geede


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