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09.07.11 / Schwarzes Gold nach Preußens Vorbild / Die Sayner Ausstellung »Glanz im Schloss« präsentiert Eisenkunstguss von der Donau bis zum Ural

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Schwarzes Gold nach Preußens Vorbild
Die Sayner Ausstellung »Glanz im Schloss« präsentiert Eisenkunstguss von der Donau bis zum Ural

Mit der Eröffnung der Gleiwitzer Hütte in Schlesien 1796 war die erste preußische Gießerei ins Leben gerufen worden. Ein Aufruf der preußischen Prinzessin Marianne, während der Befreiungskriege Gold und Schmuck zur Kriegsfinanzierung zu spenden, hatte großen Erfolg. Im Gegenzug erhielt der Spender Erinnerungsschmuckstücke aus Eisen. Der Eisenschmuck wurde zunächst aus patriotischer Gesinnung getragen und erlangte schließlich durch seine faszinierende Wirkung große Beliebtheit. Meist als „fer de Berlin“ bezeichnet, gelangte sein Ruf in alle Welt.

Dass wertvoller Schmuck nicht immer aus Gold oder aus Silber sein muss, erfährt der Besucher bei einem Rundgang durch die Ausstellung „Glanz im Schloss. Eisenkunstguss von der Donau zum Ural“, die derzeit im Rheinischen Eisenkunstguss-Museum im Schloss der Fürsten-Familie Sayn-Wittgenstein bei Bendorf/Neuwied zu sehen ist. Auf einer Mustertafel werden filigrane Armbänder, Colliers, Diademe, Ringe und Ohrgehänge gezeigt.

Auch wenn Eisen ein recht ungewöhnliches Material für Schmuckstücke ist, hat sich der künstlerische Feineisenguss nach dem Vorbild der Preußischen Eisengießereien in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie sowie in Russland während des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. Die Blütezeit verdankt der Eisenkunstguss dem Wiener Goldschmied und Ziseleur Joseph Glanz (1795–1866).

Da mehrere Exponate der aktuellen Sonderschau im Schloss Sayn aus der Werkstatt des gebürtigen Lembergers stammen, wurde auch sein Name im Titel der Präsentation mit aufgenommen. Neben vielen kleinfigürlichen Objekten wie Schreib- und Tintenzeug, Briefbeschwerern und Kerzenständern hat Glanz auch Schmuck und detailgetreue Statuetten entworfen. „Zündholzbehälter Türke“, „Büste Franz Josef“ und Statuette „Kaukasier“ sowie der „Christuskopf mit Dornenkrone“ sind einige seiner hervorragenden Arbeiten.

Die Kerzenständer, Wandbilder, Kreuze, Madonnenfiguren und Grabplastiken aus „schwarzem Gold“ – wie Gusseisen auch genannt wird – kommen in den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten des Rheinischen Eisenkunstguss-Museums von Sayn besonders gut zur Geltung.

Die Ausstellung bietet Einblicke in die Produktion und das breite Sortiment des künstlerischen Feineisengusses, der in Anlehnung an die Erzeugnisse der königlich-preußischen Eisengießereien in Gleiwitz, Berlin und Sayn entstand. Die rund 130 „Glanzstücke“ aus der Sammlung Hanns Schell, Graz, stammen aus bekannten und weniger bekannthren sowie aus Russland. Interessant ist, dass der Berliner Eisenkunstguss sogar im alten Russland Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde. Das bekannteste Eisenhüttenwerk war  jenes bei Jekaterinenburg am Ural gelegene „Kasli-Werk“, aus dem die „Trojka im Winter“, die Figurentanzgruppe „Lizgins Reiter“ und die Statuette „Don Quichotte“ stammen. In Sayn sind unter anderem die Statue „Jermak, der Kosakenführer“ sowie die Figuren „Kosakenmädchen zu Pferde“ und „Der gefallene Reiter“ zu sehen.

Absoluter Blickfang der Sonderausstellung „Glanz im Schloss“ ist für viele Besucher sicherlich die „Büste der Kaiserin Elisabeth in ungarischer Krönungsrobe von 1867“. Das beeindruckende, 80 Zentimeter hohe Eisenguss-Exponat wurde in der Wiener Gießerei Meindl-Breit nach einem Modell von Victor Tilgner geschaffen. Die Gesichtszüge sind fein ziseliert, die Details akribisch herausgearbeitet.

Eine ganze Reihe von weiteren Exponaten wurde in ungarischen und siebenbürgischen Gießereien von Munkacs (heute Ukraine), Steierdorf im Banat und Resiczabanya in Siebenbürgen (heute Rumänien) sowie Rhonic (heute Slowakei) gefertigt. „Wildschwein auf Grassockel“, „Briefbeschwerer Dackel“, „Bergmannspokal“ und „Teller mit Hirtenszene“ sind einige Beispiele.

Böhmen ist mit Gießerei-Standorten wie Horowitz, Neu Joachimsthal und Ransko vertreten. Zu den mährischen Eisengießereien gehören Friedland, Wölkingsthal und Ludwigsthal.

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Produktionsstätten in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie sind im reich illustrierten Begleitband von Martina Pall nachzulesen. Ein Höhepunkt und zugleich Abschluss der Ausstellung ist das 2. Internationale Treffen der Freunde und Sammler von Eisenkunstguss, das vom 23. bis 25. September in Bendorf-Sayn stattfindet.

Wer das Rheinische Eisenkunstguss-Museum im Schloss der Fürsten-Familie Sayn-Wittgenstein besucht, kann neben der „glänzenden“ Sonderausstellung auch eine interessante Präsentation mit Kunstwerken in Eisenguss besichtigen, die in der „Königlich Preußischen Sayner Hütte“ produziert wurden. Einige der dort entstandenen Objekte wurden 1822/24 in den Berliner Akademieausstellungen bewundert und 1855 auf der Weltausstellung in Paris prämiert. Sammlungsschwerpunkt ist die Zeit der Industrialisierung der Stadt Bendorf und ihrer Umgebung. So etwa sind Neujahrsplaketten, filigraner Eisenschmuck, Möbel und Kanonen sowie eine filigrane Wendeltreppe und Kunstgussöfen aus der Produktion der Bendorfer Concordiahütte ausgestellt. Das kleinste Gussobjekt dürfte die „Sayner Fliege“ sein – eine Abbildung einer Stubenfliege in Originalgröße.       Dieter Göllner

Die Ausstellung „Glanz im Schloss – Eisenkunstguss von der Donau zum Ural“ ist bis zum 25. September täglich von 10 bis 18 Uhr im Rheinischen Eisenkunstguss-Museum im Schloss der Fürsten-Familie Sayn-Wittgenstein bei Bendorf/Neuwied zu sehen.


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