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16.07.11 / FDP bei 25 Prozent –wie ginge das?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Moment mal!
FDP bei 25 Prozent –wie ginge das?
von Klaus Rainer Röhl

Die FDP dürfte nach dem Allensbacher und anderen Demoskopie-Instituten gar nicht mehr in der Regierung sein. Westerwelle schon lange nicht mehr Außenminister. Der sich einst die von seinem Parteifreund Jürgen Möllemann angepeilten 18 Prozent unter die Schuhsohlen und auf sein lächerliches Guido-Mobil aufmalen ließ, ist nur noch Außenminister auf Butterbrot und wird international nicht ernst genommen.

Die Aussichten für die FDP, in den nächsten Bundestag zu kommen, sind zurzeit fast null. Wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde, mit mehr Glück als Verstand, doch noch überspringt, ist sie für die Union kein Partner mehr für eine Regierungsbildung. Nach den Angstwahlen und der deutschen „Energiewende“ kommen nur noch SPD und Grüne in Betracht, um Angela Merkels Ziel zu erreichen, ihre Macht, koste es, was es wolle, zu behalten. Die Wahlen sind aber erst 2013. Bis dahin regiert die FDP noch mit. Kopflos durch bis 2013, ohne eigenes Konzept. Die Panik-Wende der Union zu den „erneuerbaren Energien“ und das mehr als panisch zu nennende Spiel mit dem Euro-Rettungsschirm haben (fast alle) FDP-Abgeordneten abgenickt. Wohl wissend, dass die „Energiewende“ nur mit neuen Kohlekraftwerken und viel Russen-Gas von Schröders Gazprom bewerkstelligt werden kann und der sogenannte „Rettungsschirm“ ein Milliarden-Grab auf Kosten der deutschen Steuerzahler wird. Augen zu und durch. Aber die Zahl der FDP-Mitglieder und Abgeordneten wächst, die weiter denken als bis zum Wahltag. Junge Frauen und Männer, die auch nach diesem Datum noch in einer wahrnehmbaren liberalen Partei sein wollen. Da keine charismatische Führungsfigur ihnen den Weg wies und sie auch eher ein Misstrauen gegen charismatische Führer hegen, haben sie beschlossen, das Schicksal der Partei nunmehr selbst in die Hand zu nehmen. Als eine Gruppe innerhalb der FDP, als „Liberaler Aufbruch“. Solche Gesprächsgruppen gab es immer in der Partei, ihre Duldung gehörte zum liberalen Selbstverständnis. Ob es linksliberale Gesprächskreise waren wie der um die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder nationalliberale wie die Gruppe „Liberale Offensive“ um den ehemaligen Generalstaatsanwalt Alexander v. Stahl, der von seiner eigenen Parteifreundin Leut­heusser-Schnarrenberger aus seinem Amt geworfen wurde. Die Nationalliberalen gab es seit der Gründung der FDP. Heuss, Dehler, Mende zählten dazu und auch Graf Lambsdorff. Mit der Wahl Westerwelles als Parteivorsitzendem verschwand die „Liberale Offensive“ jedoch von der Bildfläche. Im Herbst 2000 lud mich eine Gruppe von FDP-Mitgliedern zu einer Lesung ein, nach Lemgo in Westfalen. Lauter blutjunge Leute. Und wen traf ich da? Unverhofft kommt oft: Frank Schäffler. Heute Bundestagsabgeordneter und Mitgründer des „Liberalen Aufbruch“.

Auf 20 bis 25 Prozent schätzen die jungen Liberalen die Chancen für eine erneuerte, wirklich liberale FDP. Wie nicht anders zu erwarten, versucht die linksliberale Presse, aufmerksam die Szene überwachend, jeden Widerstand gegen das System zu personalisieren. „Spiegel“-Journalismus ist Personalisierung. Das kann auch heißen, einen unliebsamen Abweichler vom Mainstream als Ziel für einen späteren Abschuss zu markieren. Ein „Spiegel“-Reporter wird in Marsch gesetzt, um Frank Schäffler zum Anführer des „Widerstands gegen die Euro-Rettung“ zu ernennen. Einer ist also gegen die „Rettung“. Schlimm. Der Reporter begleitet den Abgeordneten zu einer Talk­show, zu Vorträgen nach Marburg und nach Bern in der Schweiz, immer bemüht, den 42-jährigen als pausbäckig, naiv, eitel und verlegen wie ein „Schüler bei der Abiturprüfung“ ein bisschen herabzustufen. Aber die Zielmarkierung gerät zum Gegenteil: Der „Spiegel“-Schreiber wird zum Propagandisten des Abweichlers: „Mit jeder schlechten Nachricht vom Euro gewinnt Schäfflers Position neue Anhänger. Vor über einem Jahr, als der Bundestag die ersten Hilfen für Griechenland beschloss, stimmte Schäffler dagegen – als Einziger in der FDP. Als es wenig später um den Euro-Rettungsschirm ESFS ging, hatte er in der Fraktion zwei Sympathisanten. Der Antrag, in dem Schäffler die Euro-Wut der Basis zu bündeln versuchte, fand auf dem Parteitag in Rostock immerhin 173 Unterstützer.“ Was eine richtige „Spiegel“-Häme sein will, muss natürlich das Wichtigste auslassen. Die Existenz des „Liberalen Aufbruch“ wird brav verschwiegen. Die Anträge und Programme des „Aufbruchs“ nicht gelesen und die wachsende Zahl ihrer Unterstützer nicht erwähnt. Doch im Zeitalter des Internets ist das nutzlos, jeder kann heute das Programm des „Liberalen Aufbruch“ lesen.

Im Bundestag bilden die Euro-Gegner längst eine verschworene Gemeinschaft, zusammen mit anderen Abgeordneten. Wenn 20 von ihnen gegen den „Europäischen Rettungsschirm“ stimmen, hat Merkel keine eigene Mehrheit mehr. Und dann? Neuwahlen? Oder durchwursteln bis 2013? Was tun, wenn die FDP sich dann mit vier Prozent oder 4,9 Prozent wiederfindet? Vielleicht müssen die Liberalen dann einmal die Geschichte der österreichischen Schwesterpartei FPÖ studieren. Jahrelang blieben die dortigen Liberalen bei sechs Prozent der Stimmen im Nationalrat einflusslos. Bevor Jörg Haider 1983 Parteivorsitzender wurde und anfing, die Partei umzukrempeln und gegen die verfilzten sozialdemokratischen und christdemokratischen Großparteien einen konsequent liberalen Kurs anzusteuern, war die FPÖ auf dem Tiefpunkt, erhielt noch gerade mal fünf Prozent der Stimmen. Unter Haider wurde die FPÖ bei einer der nächsten Wahlen mit 26,9 Prozent die zweitstärkste Partei und bildete mit den dortigen Christdemokraten eine Regierungskoalition. Die Linke war aus dem Häuschen, in ganz Europa. Haider sei Populist. Viel mehr konnte man nicht vorbringen. Der Druck auf die FPÖ wurde übergroß. Doch die Partei hielt stand. Nach langem parteiinternem Hin und Her und dem frühen, bis heute nicht ganz aufgeklärten Tod des Kärntners, könnte die Schwesterpartei der FDP unter dem neuen Parteiobmann Heinz-Christan Strache mit zu erwartenden 30 Prozent der Stimmen bei der nächsten Wahl sogar das Kanzleramt übernehmen. Auch Strache und seine FPÖ sind, wer würde das anders erwarten, dagegen, dass Milliarden EU-Gelder in ein Fass ohne Boden wie das sogenannte „Rettungspaket“ gepumpt werden.

Was lernen wir daraus? Um es kurz zu machen, die FDP muss, wenn sie in zukünftigen Wahlkämpfen nicht mehr als die Interessenvertretung von Hoteliers und Zahnärzten gelten will, etwas weniger vom Geld reden und mehr mit den „Menschen in unserem Lande“. Liebe Parteifreunde! Die nächste Wahl kommt bestimmt. Von Österreich lernen heißt siegen lernen. Wir brauchen eine wirklich freiheitliche FDP, die nicht nur über Steuern redet, sondern auch von der individuellen Freiheit in unserem Land. Freiheit für alle. Um Himmels willen, keine Ausländerfeindlichkeit. Aber: Etwas mehr Deutschfreundlichkeit stünde der Partei gut an. Die „Menschen in diesem Lande“, das sind nämlich die Deutschen. Erinnern wir uns an das Wort des großen Graf Lambsdorff: „Immer, wenn versucht wurde, Freiheit, Rechtsstaat und offenes geistiges Klima dadurch zu schützen, dass man sie einschränkt, war der Totalitarismus hinterher eher stärker als schwächer ... Genau das geschieht aber, wenn schon manchem Konservativen aus den demokratischen Parteien ein hässlicher rechter Aussatz angedichtet wird oder wenn schon bei den nationalliberalen Mitgliedern der FDP eine Gleichsetzung mit Rechtsradikalen erfolgt. Nationalliberale sind immer ein Teil der FDP gewesen.“ Schluß der Debatte? Nein. Beginn der Debatte.


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