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16.07.11 / Eine wechselvolle Beziehung / Otto von Habsburg – ein Kronprinz, der lange Zeit Vertriebener war und nun endgültig heimgekehrt ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Eine wechselvolle Beziehung
Otto von Habsburg – ein Kronprinz, der lange Zeit Vertriebener war und nun endgültig heimgekehrt ist

Manche sagen, die Donaumonarchie sei schon mit dem Ableben des „ewig“ regierenden Kaisers Franz Joseph im November 1916 zu Grabe getragen worden. Aber nun ist sie jedenfalls endgültig Geschichte, denn Otto von Habsburg war der letzte, der wenigstens kleine Hoffnungen auf eine Restauration haben konnte.

Sein langer Lebensweg ist zugleich Abbild eines Jahrhunderts dramatisch wechselnder Beziehungen der Österreicher zum Hause Habsburg. Denn als Otto 1912 geboren wurde, schien die Welt noch heil: Österreich-Ungarn war eine Großmacht und republikanische Ideen hatten kaum Anhang. Auch die Sozialdemokraten, die bei den Wahlen 1911 stärkste Fraktion geworden waren, blieben staats- und kaisertreu. Doch die Probleme waren offenkundig: soziale Spannungen, wachsender Nationalismus und Separatismus, eine zu schwache Industrie und eine zu kleine Kriegsmarine. Und dass eine Endzeitstimmung herrschte, belegen Zeitdokumente, Literatur und Kunst.

Der Mord an Thronfolger Franz Ferdinand 1914 brachte es mit sich, dass nun Ottos Vater Karl Thronfolger war. Krieg hatte aber schon vor dem Attentat in der Luft gelegen und die k.u.k. Armee zog unter dem Jubel der Bevölkerung ins Feld. Dem folgte bald Ernüchterung, denn an der Ostfront gab es schwere Rück­schläge. Und die Stimmung daheim trübte sich im Laufe des Krieges nicht nur wegen der Verlustmeldungen, sondern vor allem wegen der Versorgungslage, die gegen Kriegsende bereits ka­ta­strophal war. Wegen Einberufung von Familienvätern waren viele Familien bitterer Not preisgegeben.

Mit dem Tod von Kaiser Franz Joseph war der vierjährige Otto zum Thronfolger geworden. Otto, der nach eigenem Bekunden das Ableben seines Urgroßonkels und die Krönung seines Vaters in Ungarn aktiv miterlebte, wurde vor allem von seiner Mutter Zita von Bourbon-Parma gemäß der streng katholischen Familientradition erzogen. Doch der wachsende Unmut in der Bevölkerung, durch die Schamlosigkeit von „Schiebern“ und „Kriegsgewinnlern“ weiter angeheizt, richtete sich letztlich gegen den „obersten Kriegsherrn“ selbst. Noch kaum gegen Franz Joseph, wohl aber gegen Karl.

Höhepunkt war dann die „Sixtus-Affäre“, benannt nach einem Bruder von Kaiserin Zita, der in der belgischen Armee diente. Es ging dabei um Geheimverhandlungen für einen Separatfrieden. Mit dem Scheitern und Auffliegen dieser Pläne im April 1918 war Kaiser Karl gegenüber dem Deutschen Reich diskreditiert, und für die Deutschnationalen, aber auch für viele andere wurde Zita zur „italienischen Verräterin“ und Karl zu deren „Pantoffelhelden“.

Der Zerfall des Reiches war mit der Ausrufung von Nachfolgestaaten im Spätherbst 1918 besiegelt. Die Reichsratsabgeordneten der Gebiete mit deutscher Mehrheit, die sich als Provisorische Nationalversammlung zusammengeschlossen und einen Staatsrat gebildet hatten, proklamierten am 12. November die „Republik Deutsch-Österreich“ mit dem Anschluss an das Deutsche Reich als Staatsziel. Tags davor hatte Kaiser Karl zwar nicht auf den Thron, wohl aber auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichtet.

Im März 1919 widerrief Karl den Verzicht und ging ins Exil in die Schweiz. Damit begannen auch für Otto viele Jahre unsteten Lebens, denn mit dem „Habsburgergesetz“ wurde nicht nur der habsburgische Familienfonds (nicht das Privatvermögen) konfisziert, sondern auch der „ehemalige Träger der Krone“ auf Dauer und alle Familienmitglieder solange des Landes verwiesen, als sie nicht den Verzicht auf Herrschaftsansprüche und die Loyalität zur Republik erklärten. Karl wurde nach seinen Restaurations-Versuchen in Ungarn 1921 von der Triple-Entente nach Madeira verbannt, wohin ihm die Familie nachfolgte und wo er 1922 verstarb.

Die Familie übersiedelte nach Spanien, wo Otto 1930 die Reifeprüfung ablegte. Von Benediktinern aus Pannonhalma hatte er Privatunterricht erhalten – und das erklärt, warum seine Herzurne in dem westungarischen Kloster beigesetzt wird. 1935 promovierte er an der Katholischen Universität Löwen. Und um diese Zeit begann auch seine politische Tätigkeit als Unterstützer der Pan­europa-Idee und als engagierter Gegner von Kommunismus und Nationalsozialismus.

Kurz vor dem Anschluss bot er der „austrofaschistischen“ Regierung, die 1935 die Landesverweisung aufgehoben hatte, noch an, die Führung einer Allparteien-Regierung zu übernehmen, was aber abgelehnt wurde. Dass ihn Hitler ernst genommen hatte, belegt der auf ihn wegen Hochverrats ausgestellte Steckbrief. Er floh daraufhin samt Familie über Luxemburg, Frankreich und Portugal in die USA. Dort suchte er Kontakt mit Präsident Franklin D. Roosevelt und stellte Österreich als erstes Opfer Adolf Hitlers dar. Es ist noch umstritten, wie sehr er damit die Haltung der Alliierten gegenüber Österreich beeinfluss­te, aber er lieferte damit auch eine Gründungsthese der Zweiten Republik.

Nach dem Krieg lebte Otto von Habsburg zunächst in Frankreich und seit 1954 mit Gattin und Kindern in Pöcking. Die Landesverweisung war wieder in Kraft und auch als er 1961 die „Verzichtserklärung“ unterschrieb, war noch an keine Rückkehr zu denken, denn das „Gespenst Habsburg“ hatte für die Linke damals annähernd den Stellenwert wie heute der „Faschismus“. Erst 1966 unter der Alleinregierung der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) war es dann so weit. Seither hielt sich Otto immer wieder in Österreich auf und die Söhne leisteten Wehrdienst im Heer der Republik.

In der Paneuropa-Union, in Büchern, auf Vortragsreisen und ab 1979 als Europa-Parlamentarier der CSU widmete er sich intensiv der Einigung Europas einschließlich der Länder hinter dem Eisernen Vorhang – eines föderalen und christlichen Europas. Ein Triumph war das „paneuropäische Pick­nick“ am 19. August 1989 an der österreichisch-ungarischen Grenze, das Hunderten DDR-Bürgern die Flucht ermöglichte und den Zerfall des Ostblocks einleitete. Alle Nachrufe würdigen heute Otto von Habsburgs Rolle, denn auch die SPÖ hat seit Bruno Kreisky eingesehen, dass mit Habsburg-Jägerei kein Staat zu machen ist – und auch eine Republik kann ein wenig Glanz und Gloria gut gebrauchen. R. G. Kerschhofer


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