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23.07.11 / Zweifel am »Europäischen Projekt« / EU-Beamte sehen Politik, Verwaltungsapparat und Vorgesetzte zunehmend kritisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Zweifel am »Europäischen Projekt«
EU-Beamte sehen Politik, Verwaltungsapparat und Vorgesetzte zunehmend kritisch

Die Politik der Europäischen Union trifft nicht nur beim normalen Bürger auf ein wachsendes Misstrauen. Eine aktuelle Umfrage unter Beamten der EU-Kommission zeigt, dass selbst sie immer weniger von der Politik des eigenen Hauses überzeugt sind.

Einen Ausdruck von Euphorie für das Projekt „Europäische Union“ kann man die Ergebnisse einer Umfrage unter Beamten der EU-Kommission kaum nennen. Im Auftrag der Stiftung “European Centre for Progressive Studies“ waren 231 EU-Beamte im Juli 2011 zu ihren Ansichten über verschiedene Aspekte der Europa-Politik befragt worden. Das erstaunliche Resultat der Umfrage kann man als regelrechten Denkzettel für die Vorgesetzten der Beamten ansehen. Eine Mehrheit von 63 Prozent der Befragten sieht das „Europäische Projekt“ in einer Dauerkrise. Lediglich 22 Prozent waren ganz oder teilweise der Meinung, dass die europäische Integration in den vergangenen zehn Jahren positiv verlaufen sei. Fast doppelt so viele, nämlich 43 Prozent, haben in der letzten Dekade eine negative Entwick­lung gesehen.

Auf eine ähnlich geringe Zustimmung traf bei dem befragten EU-Personal der „Lissabon-Vertrag“ von 2009. Dass diese Geschäftsgrundlage der EU einen „signifikanten und positiven Effekt” für das „Europäische Projekt gehabt habe, wollten nur 24 Prozent betätigen. Ähnlich pessimistisch werden die Resultate der „Wachstumsstrategie Europa 2020“ gesehen. Interessante Einblicke brachte aber auch die Frage zutage, bei der es darum ging, wer denn eigentlich in der Pflicht steht, das „Europäische Projekt“ zu verteidigen. Hier sehen 84 Prozent die nationalen Regierungen in der Verantwortung. Mit Ausnahme von Polen wären allerdings die Mitgliedsstaaten beim Voranbringen weiterer Integrationsschritte zu zögerlich, so die vorherrschende Meinung.

Nahezu als niederschmetternd müssen die gegebenen Antworten zum EU-Führungspersonal angesehen werden. Farblose Politiker wie Ratspräsident Herman Van Rompuy oder die EU-Außenbeauftragte Catherine Asthon stoßen anscheinend, falls denn überhaupt bekannt, nicht nur bei Otto Normal-Verbraucher auf Ablehnung. Selbst vom befragten EU-Personal waren 69 Prozent der Meinung, dass Führungskräfte mit mehr Charisma nötig wären. Während die Bürger dem abgehobenen Brüsseler Spitzenpersonal durchaus eine gehörige Mitschuld am schlechten Image der EU zurechnen, sehen die EU-Beamten andere Gründe vorliegen: 27 Prozent halten die Berichterstattung der Medien für eine Ursache der zunehmend negativen öffentlichen Meinung gegenüber der EU. Lediglich 26 Prozent der Befragten machen die Rettungspakete von EU und Internationalem Währungsfonds als Grund für die Euroskepsis aus. Die milliardenschweren Zahlungen dürften anders als bei den EU-Bürokraten für viele Steuerzahler zumindest aktuell ein Hauptgrund für die Unbeliebtheit des Projekts Europäische Union sein.

Bei einer Umfrage von Nutzern der Internet-Ausgabe des Magazins „Focus“ wurden weitere Hilfen für Griechenland beispielsweise mit einer deutlichen Mehrheit von 58 Prozent abgelehnt. Noch eindeutiger sieht es in den Empfängerländern der Gelder aus. Im November 2010, nachdem das erste Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds bereits auf den Weg gebracht war, gaben bei einer „Eurobarometer“-Umfrage 64 Prozent der befragten Griechen an, Misstrauten gegenüber der Europäischen Kommission zu haben. Sogar 65 Prozent hatten das Vertrauen in die Europäische Zentralbank verloren.

Die befragten EU-Beamten halten dagegen andere Gründe für eine wachsende Ablehnung des „Europäischen Projekts“ für relevant: 40 Prozent sahen im Nationalismus, der Erweiterung der EU und der Wirtschaftskrise die Gründe für eine zunehmende EU-Skepsis.

Gespannt sein darf man auf die Ergebnisse zukünftiger Umfragen unter den EU-Apparatschiks. Bisher sind Sparmaßnahmen und ein Zurückschneiden von Privilegien bei der Beamtenschaft erst von der EU-Kommission angekündigt, aber noch nicht umgesetzt worden. Sollte sich die versprochene neue Sparsamkeit tatsächlich künftig in den Geldbeuteln der Beamten niederschlagen, dürfte die aktuelle Umfrage nur ein Vorgeschmack auf neue Umfragetiefs für das „Europäische Projekt“ gewesen sein.   Norman Hanert


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