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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011
Lieber Autos abfackeln Letzte Woche konnte die Innenverwaltung des Berliner Senats stolz einen Rekord verkünden: Das Land hat im letzten Jahr mit 61 Millionen Euro so viel Bußgelder wegen begangener Verkehrssünden eingenommen wie noch nie zuvor. Um 4,6 Millionen sind die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Verwarngelder, Bußgeld- und Kostenbescheide werden mit einem Eifer verhängt, den man vorbildlich nennen könnte, wenn man nicht wüsste, wie lax die Verfolgung wirklicher Straftaten in der Hauptstadt ist. Im Friedrichshain, um die Hausburgstraße herum, wo die Autonomen-Dichte eine der höchsten in der Stadt ist, lassen sich die Mitarbeiter des Ordnungsamtes vorsichtshalber selten sehen. Auch die Polizei übt Nachsicht. Wenn auf der noch unbebauten Brache des ehemaligen Zentralviehhofs wieder mal eine illegale Musiksession im Gange ist, erscheinen die Ordnungshüter auf leisen Sohlen mit der freundlichen Bitte, die Lautsprecher doch in Richtung Bahndamm zu drehen und nicht das neu gebaute Wohngebiet, in dem hauptsächlich junge Familien mit Kindern leben, zu beschallen. Nur wenn, wie einmal geschehen, den Bittstellern die Reifen ihres Dienstfahrzeugs durchstochen werden, wird die Veranstaltung abgebrochen. Von den Tätern der allnächtlichen Autobrände fehlt meistens jede Spur. Wird doch mal jemand gefasst, kann er mit sofortiger Freilassung durch verständnisvolle Richter rechnen. Als Falschparker hat man da weniger Chancen. Die Anzeigen wegen dieses Delikts nahmen um 170000 zu. In einem Jahr stellten die Berliner Behörden in 17400 Fällen sogar Anträge auf „Erzwingungshaft“ gegen säumige Bußgeldzahler. Auch vor Gericht wird man leichter freigesprochen, wenn man ein Auto angezündet, als wenn man beispielsweise sein Fahrzeug mit dem Hinterreifen in der Fünf-Meter-Zone nach einer Kreuzung geparkt hat. Kürzlich wurde eine autonome Brandstifterin, die von Polizeibeamten in unmittelbarer Nähe eines eben angezündeten Autos festgenommen wurde, freigesprochen. Zwei Meter Abstand vom Tatort ließen den Juristen zweifeln, ob die Frau die Tat wirklich begangen habe. Wer dagegen Einspruch gegen einen Falschparkbescheid erhebt, muss damit rechnen, abgewiesen zu werden. Außer einer Verdreifachung der zu zahlenden Summe hat man nichts erreicht. Da löhnen die meisten lieber zähneknirschend die Gebühren. Wer denkt, dass die arme Hauptstadt wenigstens von den Einnahmen profitiert, liegt falsch. Der Einsatz und die permanente Schulung der Bußgeldjäger kostet die Stadt fast so viel, wie deren Arbeit einbringt. Berlins Strafzettelbilanz ist ein Armutszeugnis. |
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