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23.07.11 / Indiana Jones am Machu Picchu / Coca-Anbaugebiet oder religiöses Zentrum? − Viele Geheimnise der Inka-Stadt sind nicht enträtselt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Indiana Jones am Machu Picchu
Coca-Anbaugebiet oder religiöses Zentrum? − Viele Geheimnise der Inka-Stadt sind nicht enträtselt

Es gab einmal einen „Geheimtipp“ – und der kursiert immer noch, weil ein Reiseführer von dem anderen abgeschrieben wird –, der lautete: Wer Machu Picchu, die „Verlorene Stadt der Inka“ in Peru, ohne Horden von Touristen erleben wolle, der müsse früh aufstehen und an Ort und Stelle sein. Am besten, er miete sich in dem einzigen Hotel ein, das gleich neben dem Kassenhäuschen liege. Das Luxus-Hotel sei zwar reichlich teuer, biete aber das Privileg, Machu Picchu kurze Zeit allein für sich zu haben.

Das Hotel am Machu Picchu ist wirklich toll, aber eine Übernachtung dort wegen der genannten Überlegungen wäre eine glatte Fehlinvestition. Das Kassenhäuschen vor den Inka-Ruinen öffnet seine Schalter um sieben Uhr. Bereits vor sechs Uhr kommt der erste Shuttle-Bus aus dem acht Kilometer entfernten Aguas Calientes, einer Ansammlung von billigen Hotels und Andenkenbuden. Diesem ersten Bus folgt einer nach dem anderen. Und wenn die Kasse geöffnet wird, dann ist die Schlange davor in Sechser-Reihe auf 250 bis 300 Meter angewachsen, alles Leute, die früh aufgestanden sind, weil sie Machu Picchu einen Augenblick für sich allein haben wollten. Seit die Unesco 1983 Machu Picchu zum Weltkulturerbe erklärte, wird die alte Stadt der Inkas förmlich überlaufen. Dabei kommt man noch nicht einmal mit dem Auto dorthin. Entweder man nimmt die Strapazen einer mehrtägigen Wanderung über einen Inka-Pfad auf sich oder man nimmt den Zug, der auf abenteuerlicher Trasse nach Aguas Calientes fährt. Dieser Zug ist der Hiram-Bingham-Express, benannt nach dem Mann, der Machu Picchu aus der Vergessenheit holte.

Gemeinhin gilt der amerikanische Archäologe als Entdecker der Inka-Ruinen. Sogar ein Datum gibt es dafür: den 24. Juli 1911. Das war der Tag, an dem Bingham mit einer Expedition der Universität von Yale zum ersten Mal auf die Ruinen von Machu Picchu stieß. Allerdings war er auf der Suche nach einer anderen Stadt, nach Vilcabamba. Das war der letzte Rück-zugsort der Inka-Herrscher, nachdem die Spanier unter Pizarro deren Hauptstadt Cusco erobert hatten. Ein einheimischer Junge hatte Bingham zu den Ruinen im Nebelwald geführt. Vier Jahre blieb Bingham dort und leitete die Ausgrabungen. Und kam allmählich zu der Erkenntnis, dass er Vilcabamba nicht gefunden hatte, sondern eine andere rätselhafte Stadt. Die nannte man Machu Picchu, Alter Gipfel.

Der Name war ebenso wenig neu wie die Entdeckung durch Hiram Bingham. Machu Picchu wurde mehrfach „entdeckt“ und wieder vergessen. In einem spanischen Dokument von 1568 wird ein Eigentümer von Picho (Picchu) genannt, ein Dokument von 1782 belegt den Kauf des Landes der Stadt Machu Picchu, auf einer Landkarte von 1865 ist die Stadt unter ihrem Namen eingetragen, die Ruinen wurden 1867 von dem Deutschen August Berns gefunden, der in dem Gebiet die Schürfrechte besaß, der deutsche Landvermesser Herman Göhring zeichnete 1874 eine Karte, auf der die Ruinenstadt genau platziert war, Arbeiter ritzten ihre Namen 1895 in die Mauern des Königspalastes. Nein, Hiram Bingham war wirklich nicht der Erste, aber er hat seine Geschichte gut verkauft. Kein Wunder, dass sein von 1875 bis 1956 währendes Leben die Vorlage für die Filmfigur Indiana Jones lieferte.

Über die Stadt ist nur wenig bekannt. Nach einer Theorie wurde sie 1450 unter dem Inka-Herrscher Pachacútec Yupanqui errichtet. Sie wurde verlassen, als Pizarro 1533 Cusco eroberte. Die Stadt besteht aus 216 kleinen und mittelgroßen Gebäuden, die aus sorgsam behauenen Steinen gefügt wurden. Sie sind auf Terrassen in den Hang gebaut und durch zahlreiche Treppen verbunden. Nach dem heutigen Stand des Wissens lebten 1500 Menschen in der Stadt. Die Terrassen wurden landwirtschaftlich genutzt.

Warum die Stadt oben am Berghang gebaut wurde, ist nicht bekannt. Einige Wissenschaftler vermuten, sie sei das zentrale Anbaugebiet von Coca-Blättern für den Adel in Cusco gewesen. Andere sehen darin ein religiöses und astronomisches Zentrum. Nach einer dritten Theorie war Machu Picchu eine religiöse Zufluchtstätte der Inka-Könige, in der die Jungfrauen des Sonnenkultes lebten.

Warum die Stadt aufgegeben wurde, ist ebenfalls rätselhaft. Die Spanier haben sie nie gefunden, obwohl sie nur 75 Kilometer von der Hauptstadt Cusco entfernt liegt. Möglicherweise haben die Bewohner die Stadt verlassen, weil ihr König nicht mehr dorthin kam. Oder aber, auch das wird für möglich gehalten, die Stadt war keineswegs fertig, als die Spanier Cusco eroberten. Aus Furcht vor den Spaniern sei Machu Picchu aufgegeben worden und später in Vergessenheit geraten. Viele der Geheimnisse sind trotz intensiver Forschung bis heute nicht gelöst und sie werden wohl für immer unerschlossen bleiben.

Ein Geheimnis aber ist lösbar: Was hat Hiram Bingham bei seinen Ausgrabungen auf dem Machu Picchu gefunden? Es gibt den Verdacht, Bingham habe die Inka-Stadt früher gefunden als offiziell angegeben. Er habe sich Zeit verschaffen wollen, um seine Funde, Grabbeigaben und Inka-Gold, heimlich in die Vereinigten Staaten zu schaffen. Sie sollen noch immer in der Universität von Yale versteckt sein. Darum sind die Leute in Peru auf Hiram Bingham nicht gut zu sprechen. Und auf die vielen Besucher aus den USA auch nicht. Neben dem Kassenhäuschen auf dem Machu Picchu steht ein großes Schild, auf dem die USA aufgefordert werden, die Funde Binghams zumindest einmal zu zeigen. Es hat bis 2008 gedauert, bis in dieser Angelegenheit ein Abkommen mit den USA zustande kam. Das war dann bisher aber auch alles.   Klaus J. Groth


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