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30.07.11 / Trichets teure Hinterlassenschaft / Scheidender EZB-Chef hat Ankauf zweifelhafter Wertpapiere forciert – Sanierungsfall droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Trichets teure Hinterlassenschaft
Scheidender EZB-Chef hat Ankauf zweifelhafter Wertpapiere forciert – Sanierungsfall droht

Vehement hat der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, in der Vergangenheit jede Form einer Umschuldung für Griechenland abgelehnt. Von einem solchen Schritt wäre nicht zuletzt die EZB stark betroffen. Sie hat inzwischen derart viele Papiere von pleitebedrohten Ländern in der Bilanz, dass sie selbst zum Sanierungsfall werden könnte.

Bereits im Vorfeld des Euro-Krisengipfels am 22. Juli hat EZB-Präsident Trichet klargemacht, was er von Vorstellungen zur Umschuldung oder gar einem Schuldenschnitt für das marode Griechenland hält: „Wir schließen alle Konzepte aus, die nicht auf absoluter Freiwilligkeit beruhen. Wir wollen auf jeden Fall alle Szenarien vermeiden, die einem Kreditausfall gleichkommen oder als solcher verstanden werden.“ Verständlich wird diese Haltung Trichets vor dem Hintergrund, dass die EZB in der Amtszeit des Franzosen zu einem der größten Gläubiger des maroden Griechenland geworden ist.

Seit die EZB am 10. Mai 2010 verkündet hat, ihren Beitrag zur Rettung des Euro leisten zu wollen, ist die Zentralbank massiv in den Ankauf oder die Beleihung zweifelhafter Wertpapiere eingestiegen. Betroffen sind davon nicht nur Staatsanleihen. Im Mai 2011 meldete das Nachrichtenmagazin „Spiegel“, dass die EZB neben Anleihen der Euro-Krisenländer auch problematische Wertpapiere im Wert von 480 Milliarden Euro von Banken aus Griechenland, Portugal, Spanien und Irland abgenommen hat. Zum Teil handelt es sich dabei um „forderungsbesicherte” Wertpapiere. Diese sogenannten ABS-Papiere dienen dazu, nicht liquide Vermögensgegenstände, wie zum Beispiel Kreditforderungen in festverzinsliche, handelbare Wertpapiere umzuwandeln. Wie „werthaltig“ ein Teil dieser Papiere ist, lässt sich daran erkennen, dass diese mittlerweile oftmals gar nicht mehr am freien Finanzmarkt angeboten werden. So wurden im Jahr 2010 in Europa ABS-Papiere mit einem Nennwert von 380 Milliarden Euro aufgelegt. Rund 292 Milliarden Euro von diesem Volumen wurden allerdings nie zum Kauf angeboten. Stattdessen wurden die entsprechenden Papiere gleich bei der EZB gegen frisches Geld eingetauscht.

Folge dieser Interventionen der EZB zugunsten der Krisenländer ist, dass die Bilanz der Europäische Zentralbank inzwischen mit dem 23-fachen ihres Eigenkapitals gehebelt ist. Die auf 1,9 Billionen Euro angewachsene Bilanz ist nur noch mit 82 Milliarden Euro Eigenkapital unterlegt. Damit ist die EZB stärker gehebelt als andere Notenbanken oder sogar spekulative Hedgefonds, die es vermeiden, den Faktor zehn zu überschreiten. Sollten in einer derartigen Situation Verluste durch eine Umschuldung oder einen Schuldenschnitt eintreten, könnte dies das Eigenkapital der EZB ohne weiteres auslöschen.

Was dies bedeuten würde, macht der Chef des Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn, deutlich: „In so einem Fall wäre die Bank technisch pleite.“ Bereits im Dezember 2010 überraschte die EZB mit einer ungewöhnlichen Nachricht: Sie verkündete, dass zum Jahresende das Grundkapital von 5,8 Milliarden Euro auf 10,8 Milliarden Euro heraufgesetzt würde. Deutschland muss seinen EZB-Anteil bis 2012 schrittweise von 1,090 Milliarden auf 2,037 Milliarden Euro aufstocken. Dass könnte allerdings erst ein Vorgeschmack auf den Kapitalbedarf gewesen sein, der bei einem Zahlungsausfall eines der Krisen-Länder notwendig wird.

Im Falle Griechenlands gehen Schätzungen dahin, dass bereits ein 50-prozentiger Schuldennachlass für die EZB Verluste zwischen 45 und 66 Milliarden Euro bedeuten würde. Verluste, für die letztendlich die Steuerzahler aufkommen müssen. Zumindest eine gewisse Entlastung in der Zwangslage der EZB könnte der Rückkauf griechischer Anleihen bringen, wie ihn die EU-Regierungschefs bei ihrem Treffen am 21. Juli beschlossen haben. Dem EFSF-Rettungsschirm soll eine Erlaubnis zum Ankauf eingeräumt werden. Für die Steuerzahler ist die Frage, ob sie für die Verluste der EZB oder die des EFSF-Rettungsschirms letztendlich haften werden, nahezu egal.

Für Jean Claude Trichet bedeutet die Möglichkeit, Schrott–Anleihen aus der EZB-Bilanz übertragen zu können, allerdings, dass er zum 31. Oktober 2011 relativ gesichtswahrend in den Ruhestand gehen kann. Das wahre Ausmaß seiner Hinterlassenschaft dürfte erst unter seinem Nachfolger, dem Italiener Mario Draghi, deutlich werden. Norman Hanert


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