28.03.2024

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30.07.11 / Nach der Mauer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Nach der Mauer

Am 9. November 1994 schlenderte ich (West) mit einem Freund (Ost) abends durch Babelsberg, und unsere Füße trugen uns wie von selbst zur Glienicker Brücke, die zwischen Berlin und Potsdam die Havel überspannt. Es war kühl, die Straßen matt erleuchtet und sehr still. Nichts erinnerte an die „glory night“ (Scorpions) vor fünf Jahren, als kurz vor 18 Uhr am 10. November, mit einem Tag Verzögerung auch hier der innerdeutsche Schlagbaum im „Wind of change“ davonflog. Damals tanzten die Menschen im Freiheitstaumel auf der Brücke. Heute war es an gleicher Stelle menschenleer – die Leute hatten andere Sorgen, nach Feiern war keinem zumute. Die Stimmung in der Stadt: novemberkalt.

Als ich Ende 1993 von Hamburg nach Potsdam zog, vordergründig, um meinen Dienst abzuleisten, doch eigentlich aus Neugier auf „den Osten“, zeigten mir ehemalige Klassenkameraden kopfschüttelnd einen Vogel: „Du bist doch verrückt, bleib doch da weg!“ Als ob ich nach Kamtschatka hätte gehen wollen. Die Entfremdung im Volk war groß, totales Desinter­esse bei den Wessis, Miss­trauen und das Gefühl der Deklassierung bei den Ossis: Was nützen einem bürgerliche Freiheiten, wenn die Arbeitsstelle futsch, die Biografie entwertet ist?

50 Jahre nach dem Mauerbau, fast 22 nach dem Mauerfall: Gibt es den noch, den Schlagbaum im Kopf? Die Berliner Wahlergebnisse, auf einer Karte visualisiert, zeigen am Abschneiden der Linkspartei noch immer exakt den Verlauf des Todesstreifens.  Ich habe Bekannte (West), die nie im Ostteil Berlins leben wollten, und solche (Ost), deren „Null-Bock“ auf das vereinte Deutschland so groß ist, dass sie nach dem Studium gleich ganz weg sind – nach Tschechien und Irland. Doch: Meine Lieblingsfreunde sind alle in der DDR geboren.   Christian Rudolf

 

Zeitzeugen

Heidemarie Wieczorek-Zeul – Die Bundestagsabgeordnete der SPD offenbarte 1992 die Reserven in ihrer Fraktion gegenüber einem freien Gesamtdeutschland: „Aber ich bin mir ziemlich sicher, sollte die europäische Integration zurückfallen oder gar scheitern und Deutschland sich selbst überlassen bleiben, würde der alte Ungeist wieder in großem Umfang gesellschafts- und politikfähig werden.“

Thilo Sarrazin – Der für seine pointierten Bemerkungen bekannte Sozialdemokrat kommentierte die obengenannten Worte seiner Parteifreundin in „Der Euro“: „Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach bei der Ratifizierungs-Debatte zum Maastricht-Vertrag im Bundestag aus, was man denken darf, aber klugerweise dem eigenen Volk nicht öffentlich sagen sollte.“

Konrad Adenauer – Freunde des ersten Bundeskanzlers sagen über ihn, er habe der Westintegration vor der Einheit Vorrang eingeräumt, Gegner, er habe die Wiedervereinigung grundsätzlich abgelehnt. Thilo Sarrazin schreibt über ihn: „Konrad Adenauer hatte die Westintegration der Bundesrepublik nicht nur aus Kommunistenfurcht betrieben, sondern insbesondere auch, weil er der Urteilskraft des Deutschen Volkes misstraute und ein eingebundenes Teil-Deutschland einem außenpolitisch souveränen Gesamt-Deutschland vorzog.“

Harold Macmillan – Der britische Premierminister von 1957 bis 1963 verteidigte den Mauerbau mit den Worten: „Die Ostdeutschen halten den Flüchtlingsstrom auf und verschanzen sich hinter einem noch dichteren Eisernen Vorhang. Daran ist an sich nichts Gesetzwidriges.

John F. Kennedy – Der US-Präsident von 1961 bis 1963 kommentierte den Mauerbau mit den Worten: „Keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg.“

François Mauriac – Der französische Literaturnobelpreisträger des Jahres 1952 ist den Deutschen vor allem durch seine Worte „Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich froh bin, dass es zwei davon gibt“ bekannt. Sie spiegeln wie kein anderes Zitat die verlogene Deutschfreundlichkeit in Westeuropa wider.


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