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30.07.11 / Tor zur »Transferunion« aufgestoßen / Bonität Deutschlands durch den Euro-Kompromiss schlagartig gesunken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Tor zur »Transferunion« aufgestoßen
Bonität Deutschlands durch den Euro-Kompromiss schlagartig gesunken

Die Gipfelbeschlüsse zur Euro-Stabilisierung haben das Tor zur europäischen „Transferunion“ aufgestoßen. Von nun an steht Deutschland auch für die Schulden anderer Euro-Länder ein. Die Mehrbelastungen sind bereits jetzt konkret messbar.

Als „beinahe heiter“ beschreiben Teilnehmer die Stimmung der Bundeskanzlerin, als sie den Pressevertretern in Berlin die Ergebnisse des EU-Sondergipfels zur Griechenland-Rettung vorstellte. Sogar zu einem Späßchen war Angela Merkel aufgelegt: Um zu demonstrieren, dass die Lage nun endlich unter Kontrolle sei und es keiner weiteren Brüsseler Krisengipfel bedürfe, scherzte sie, sie fahre in Urlaub, und den werde sie bestimmt nicht in Brüssel verbringen.

Ob es etwas wird mit der Ruhe, das steht dahin. Die Finanzmärkte stellten nach dem EU-Beschluss zunächst einmal auf Sonne, die Kurse stiegen. Doch den FDP-Finanzexperte Frank Schäffler mag das nicht überzeugen: „Das klappt immer nur ein paar Tage. Aber die Märkte werden nicht glauben, dass das eine nachhaltige Lösung ist. Man wird das wieder nur als Zeitgewinn interpretieren“, so der liberale Euro-Kritiker zur Agentur „Reuters“.

Insbesondere die Tatsache, dass vor allem die Aktien von Banken und Versicherungen, also den viel zitierten „privaten Gläubigern“ Griechenlands, so freundlich auf die Gipfel-Beschlüsse reagierten, stimmt Beobachter skeptisch. Ansgar Belke, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kritisiert gegenüber der „Wirtschaftswoche“: „Die Banken sind nicht hinreichend genug in die Griechenland-Rettung einbezogen. Sie zahlen nur einen Symbolwert.“

Quelle seines Ärgers ist die „Umtauschregelung“, mit welcher die privaten Inhaber griechischer Staatsanleihen davon abgehalten werden sollen, ihre Papiere auf den Markt zu werfen. Stattdessen sollen sie die alten Anleihen nach deren Ablauf in neue Griechenbonds tauschen, die dann aber von den übrigen Euro-Staaten garantiert würden. Im Klartext: Von der Staatspleite bedrohte Hellas-Anleihen dürfen sie in solche umtauschen, welche von Deutschland und Co. notfalls ersetzt werden. Ein gutes Geschäft.

Auch der „Schuldenschnitt“ ist überaus sanft ausgefallen. Am realen Markt sind griechische Staatsanleihen bereits auf 50 Prozent ihres Nennwertes gefallen. Soll heißen: Für einen griechischen Staatsschuldschein, der offiziell auf 1000 Euro läuft, bekommt man auf dem freien Markt derzeit nur 500 Euro geboten. Entsprechend hatten die deutschen Banken die Griechen-Titel in ihren Bilanzen denn auch schon heruntergesetzt. Daraus lässt sich absehen, dass sie erwartet hatten, dass Griechenlands Staatsschulden auf die Hälfte herunter „geschnitten“ werden.

Die Euro-Gipfelteilnehmer haben nun aber beschlossen, die Papiere nur um 21 Prozent abzuwerten. Laut Bilanzregeln können jene Institute, welche sich bereits auf 50 Prozent eingeschossen hatten, danach sogar einen Gewinn verbuchen. In diesem Licht bekommt die Leidensmiene, die Deutsche-Bank-Chef Joseph Ackermann bei seienem Kommentar zu den Gipfelbeschlüssen aufgesetzt hatte, hämische Züge.

Wichtiger aber sind zwei weitere Ergebnisse: Nach dem viel zu geringen Schnitt verharren Griechenlands Schulden in untragbarer Höhe. Athen wird sie nie zurückzahlen können. Stattdessen haben die Gipfelteilnehmer ein kompliziertes System von Laufzeitverlängerungen, subventionierten Sonderzinsen und einer Verteilung der Haftung auf alle Euro-Länder beschlossen.

Gut ausgehen kann dieses Experiment nach Expertenmeinung nur, wenn sich die Krisenländer quasi „neu erfinden“. Wenn aus Staaten, die Zeit ihrer Existenz und der des modernenen Geldwesens auf Weichwährung und hohe Defizite setzen, nun zu preußischen Sparnationen mutieren, die bereit sind, für einen ordentlichen Haushalt und stabiles Geld schwere und schwerste Einbußen hinzunehmen. Hinzu kommt: Sie müssten sich dieser Rosskur nicht bloß aus eigenem Interesse unterziehen. Sie müssten obendrein bereit sein, eisern zu sparen, um das Geld der Haftungsnationen, allem voran der deutschen Steuerzahler, zu schützen. In Brüssel wurde, in umständlichen Konstruktionen versteckt, beschlossen, dass Deutschland, Holland, Österreich und Co. langfristig für die Schulden der Wackelländer geradestehen. Ein Instrument dafür ist, dass die neu geschaffene europäische Rettungsinstitution berechtigt sein wird, am Kapitalmarkt Schulden aufzunehmen, um Krisenstaaten aus der Patsche zu helfen, womit die „Transferunion“, mit der Deutschland sein finanzielles Schicksal in die Hände anderer EU-Länder legt, Wirklichkeit ist, auch wenn Kanzerlin Merkel dies aus wahltaktischen Gründen immer noch bestreitet.

Wie schon in den ersten Jahren nach Einführung des Euro wird den ehemaligen Weichwährungsländern (auf Kosten der stärkeren  Nationen) überdies gestattet, Schulden aufzunehmen gegen Zinsen, die weit niedriger liegen als jene, die sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Bonität zahlen müssen. Damals nutzten sie diese Gelegenheit bekanntlich zum hemmungslosen Schuldenmachen, was in die jetzige Krise führte. Dass es diesmal völlig anders kommen wird, mögen viele nicht glauben.

Für Deutschland werden die neuen Lasten bereits spürbar. Dadurch, dass Berlin nun auch für Defizite anderer Länder einstehen muss, sank die Bonität Deutschlands schlagartig. Folge: Der Bundesfinanzminister muss für neue deutsche Schulden höhere Zinsen zahlen. Bei zwei Billionen Euro Gesamtstaatsverschuldung bedeutet nur ein Prozent höhere Anleihezinsen letztlich 20 Milliarden höhere Schuldenkosten pro Jahr. Das entspricht beinahe dem gesamten Wehretat. Hans Heckel


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