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30.07.11 / Der typische Schwede / Liebe auf der Eisenbahn – „Worauf warten Sie noch?“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-11 vom 30. Juli 2011

Der typische Schwede
Liebe auf der Eisenbahn – „Worauf warten Sie noch?“

Endlich war es soweit! Patricia und Karin freuten sich schon lange auf ihren gemeinsamen Urlaub in Schweden. Stockholm sollte das erste Ziel ihrer Reise sein. Nur noch wenige Stationen. Eilig näherte sich der Zug der Landeshauptstadt. Die freudige Erwartung auf all die bevorstehenden Erlebnisse beflügelten die beiden Freundinnen. Das Abteil war spärlich besetzt. Nur ein junger Mann saß ihnen gegenüber, der in eine schwedische Zeitung vertieft war.

„Sieh mal“, sagte Karin sichtlich gut gelaunt mit einer andeutenden Kopfbewegung zum lesenden Gegenüber hin, „das ist der typische Schwede!“ – „Ja“, überlegte Patricia und betrachtete sich den jungen Mann genauer. „Du hast recht! Groß, blond, schmalnasig …“

Karin ergänzte: „Er sieht gut aus!“ – woraufhin sie sogar Überlegungen über seine mutmaßlichen seelischen Eigenschaften anstellten.

Der Schwede aber saß teilnahmslos da. Seine ganze Aufmerksamkeit schien seiner Lektüre gewidmet zu sein. Nur ab und zu blickte er kurz zum Fenster hinaus oder sah auf seine Uhr, um sich dann wieder in die Zeitung zu vertiefen. „So einen Typ könnten wir gut als Reiseleiter brauchen!“, bemerkte Karin. Und seufzend fügte sie hinzu: „Schade, dass wir so wenig Schwedisch können!“ – „Das würde mich nicht stören“, sagte Patricia übermütig, „mit dem würde ich sogar zum Standesamt gehen!“ – „Dich scheint es aber ganz schön erwischt zu haben“, lachte Karin.

Der typische Schwede begann nun seine Zeitung zusammenzufalten und blickte teilnahmslos zum Fenster hinaus. Von ferne winkte schon der mächtige Turm des Stadthauses von Stockholm. Nur noch wenige Augenblicke, dann würde der Zug im Hauptbahnhof einlaufen.

Mit einem Seufzer erhob sich Patricia und begann, ihre Habseligkeiten zusammenzupacken. „Schade, dass wir schon in Stock­holm sind, ich begann mich gerade zu verlieben.“ Mit einem wehmütigen Lächeln blickte sie zu dem jungen Mann hinüber.

Dann verließen beide das Zugabteil und trugen ihr Handgepäck durch den engen Gang zur Tür. Kaum standen sie auf dem Bahnsteig, als sie hinter sich ein aufgeregtes „Hallo“ vernahmen. Der Schwede kam angelaufen und schwenkte Patricias Schal. Und nun sagte er, zwar noch etwas atemlos, aber in reinstem Deutsch: „Den Schal haben Sie im Abteil vergessen. Er lag unter der Bank. Ich meine, Sie werden ihn an den kühlen schwedischen Abenden noch gut gebrauchen können.“ Patricia verschlug es die Sprache. Man konnte förmlich zusehen, wie ihr das Blut zu Kopf stieg. – „Darf ich mich vorstellen: Thomas Reutler aus Frankfurt! Ich studiere hier in Stock­holm.“

Patricia bekam immer noch kein Wort heraus und auch die sonst so schlagfertige Karin starrte verlegen ins Gedränge.

Thomas Reutler lächelte ver-schmitzt und wandte sich an Patricia. „Nach einem Jahr, wenn ich mein Studium hier beendet habe, werde ich natürlich gerne mit Ihnen zum Standesamt gehen! Aber zunächst will ich Ihnen einmal Stockholm zeigen! Worauf warten Sie noch? Kommen Sie, es gibt viel zu sehen!“   Werner Hassler


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