20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.08.11 / Teufels Kritik zielt auf Merkel / Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident gibt dem Unmut an der CDU-Basis eine Stimme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Teufels Kritik zielt auf Merkel
Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident gibt dem Unmut an der CDU-Basis eine Stimme

In der CDU sammelt sich der Unmut über die Profillosigkeit der eigenen Partei. Millionen Wähler haben der Union den Rücken gekehrt. Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel fordert ein Ende der Beliebigkeit und prangert den Vertrauensbruch an, welchen die CDU-Führung an ihren Wählern begangen habe.

Anfang des Jahres ist die Mitgliederzahl der CDU unter 500000 gesunken. Damit gibt es so wenige eingeschriebene Christdemokraten wie zuletzt 1974, und dass, obwohl zwischenzeitlich fünf neue Landesverbände hinzugekommen sind.

Die schwindende Zahl von Parteimitgliedern legt jedoch nur einen Teil der Krise offen. Unter den verbliebenen Christdemokraten greifen Frustration und Orientierungslosigkeit um sich. Mit einem ganzseitigen Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) hat der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel dem Unmut an der Basis nun eine prominente Stimme gegeben.

Teufel ruft in der „FAS“ einstige Grundsätze der Union in Erinnerung, die seiner Meinung nach verschüttet sind. Dabei belässt es der 71-Jährige nicht bei allgemeinem Wehklagen über die Profillosigkeit seiner Partei. Teufel greift etliche Punkte ganz konkret auf.

Etwa die Steuerpolitik: Seit dem Leipziger Parteitag von 2003 habe es aus den Reihen der CDU etliche Vorschläge zu einer grundlegenden Reform des kaum noch verständlichen deutschen Steuerrechts gegeben. Teufel nennt die Namen Friedrich Merz und Paul Kirchhof. Doch keiner sei umgesetzt worden. So komme es, dass die letzte wirkliche Reform des deutschen Steuerrechts noch heute die des Reichsfinanzministers Matthias Erzberger sei – übrigens ein Christdemokrat.

An der Familienpolitik der CDU kritisiert Teufel, dass der Vorrang von Familie und Kind nicht mehr sichtbar eingefordert werde. Dass Familien mit einem Normaleinkommen bei mehreren Kindern an den Rand des Existenzminimums gerieten, sollte laut Teufel für die CDU nicht hinnehmbar sein. Das Elterngeld geißelt er als unsozial, weil es Geringverdienern weit weniger zugute komme als Besserverdienern.

Entschieden verteidigt Teufel das dreigliedrige Schulsystem und beklagt die Abschaffung der Hauptschule. Letztere müsse stets im Zusammenhang mit der Berufsschule gesehen werden, was leider kaum geschehe.

In der Europapolitik nicht nur seiner Partei sieht der Landesvater a.D. einen wesentlichen Grund für den Vertrauensverlust der Politik: „Wenn Staats- und Regierungschefs in einer Nacht wesentliche Stabilitätskriterien wegputzen, die in Verträgen festgehalten, also geltendes Recht sind, geht Vertrauen verloren. Vom Bürger erwartet man, dass er sich an Normen, an Recht und Gesetz, an Verträge hält – und Staats- und Regierungschefs tun es nicht.“ Er würde keinem Politiker vertrauen, der sich nicht an Recht und Gesetz, nicht an die Verfassung hält. Denn niemand stehe über dem Recht. Das sei das Wesen des Rechtsstaats. Teufel beharrt auf dem „Subsidiaritätsprinzip“, wonach auf höhere (europäische) Ebene nur jene Kompetenzen verlagert werden sollen, die auf unterer, nationaler Ebene nicht ebenso gut oder gar besser aufgehoben wären. In seinem Appell an die handelnden Politker verfällt er indes in den Jargon euopäischer Sonntagsredner: „Wir müssen Europa von den Menschen her denken und von unten nach oben aufbauen.“ Das hätte Angela Merkel, auf welche Teufels Kritik insgesamt zielt, keinen Deut anders formuliert.

Die inhaltliche Beliebigkeit der CDU hat laut Teufel dazu geführt, dass Millionen potenzieller Unionswähler, auch jene, die 2009 zur FDP abgewandert waren, heute gar nicht mehr wählen gingen. Statt sich indes immer weiter zu verbiegen, um Wechselwähler am linken Rand der Union einzusammeln, sei es weit aussichtsreicher, jene verlorenen Stammwähler zurückzugewinnen.

Diese Einschätzung teilen mit Teufel andere CDU-interne Kritiker wie der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, oder der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann. Ebenso äußerten sich die ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Kurt Biedenkopf und Werner Münch, sowie Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe.

Während aus der Kritik der meisten die Hoffnung auf Besserung spricht, hat Münch seine Partei offenbar aufgegeben: „Die Konturlosigkeit wird unter Merkel noch weiter zunehmen – bis zur Bedeutungslosigkeit der CDU.“ Das sagt mit Münch der Einzige der Kritiker, der wie Merkel selbst seine politischen Wurzeln in der Demokratiebewegung der DDR hat.

Von Regionalkonferenzen und anderen parteiinternen Debatten dringt derweil immer das gleiche Bild an die Öffentlichkeit: Führung und Basis der CDU haben sich in der Sache immer weniger zu sagen. Zwar gelingt es der Führung stets, ihre Politik trotz aller Sprünge wie bei Kernkraft, Wehrpflicht oder „Euro-Stabilitätskriterien“ wortreich zu vertreten. Bei den einfachen Delegierten und Mitgliedern kommt dies jedoch faktisch nicht mehr an. Die blumigen Auslassungen der Spitzenfunktionäre vertiefen nur das Unbehagen und die Ratlosigkeit an der Parteibasis.

Inwieweit die eingeklagte „offene Debatte“ einen Ausweg weist, bleibt dahingestellt. Eine wirklich ehrliche Diskussion über die Zukunft der deutschen Steuerzahler in der von Merkel und Wolfgang Schäuble faktisch angestrebten Euro-Transferunion dürfte die CDU-Basis kaum beruhigen. Das aufgestaute Unbehagen könnte sich vielmehr im offenen Aufstand entladen. Hans Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren