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06.08.11 / »Kollegen erschießen« / Landesregierung von Baden-Württemberg greift auf »Expertise« grüner Provinzpolitiker zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

»Kollegen erschießen«
Landesregierung von Baden-Württemberg greift auf »Expertise« grüner Provinzpolitiker zurück

Die Grünen suchen in ihrer neuen Hochburg Baden-Württemberg nach Vorbildern und Erfolgsrezepten für die Landespolitik. Ihr Problem: Es gibt auf Landesebene kaum Erfahrung. Kommunalpolitiker springen jetzt in die Bresche. Die Wirtschaft im Ländle droht indes angesichts grüner Energiepläne auf der Strecke zu bleiben.

„Die grün-rote Landesregierung möchte Baden-Württemberg in den kommenden Jahren zur führenden Energie- und Klimaschutzregion in Deutschland gestalten“, kündigt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann an. Seine dünne Biografie liegt im Buchhandel. Auch darin gebärdet er sich als erfahrener Vordenker: „Baden-Württemberg ist bereit, seine weitreichenden Erfahrungen und Konzepte bei der notwendigen Energiewende auf Bundesebene einzubringen“, sagt er nun – Ehrgeiz pur. Während er die Abschaltung von Kernkraftwerken in seinem Land feiert, fürchten Energieexperten bis hinein in die Bundesnetzagentur baldige Versorgungsengpässe im Südwesten der Republik. Kretschmann fordert mehr Windenergie, die in seinem Land aber nur in Höhenlagen wie Odenwald und Schwarzwald mit zudem besonders hohen Masten ergiebig ist. Konkrete Pläne scheut er, denn Konflikte um Flächen, Naturschutz und Tourismus sind programmiert. Die Grünen haben die Folgen ihrer Politik für die Energiekosten als Standortfaktor der Heimat des deutschen Autobaus und zehntausender Arbeitsplätze erkennbar wenig durchdacht.

Auch das Thema Stuttgart 21 läuft nicht im grünen Sinne. Der Stresstest gibt keinen Anlass, die Bauarbeiten am Bahnhof abbrechen zu lassen, wie die Kretschmann-Truppe gehofft hatte. In puncto möglicher Entschädigungskosten zulasten des Landes im Falle des Bauabbruchs kalkulieren die Grünen unrealistisch, was nur der SPD nutzt. Die setzt als Juniorpartner ihre Volksabstimmungsidee durch. So überrascht es wenig, dass grüne Landespolitik sich von ihren Lokalfürsten Erfolgsrezepte abgucken will. Es geht dabei auch ums grundlegende politische Handwerk. Symbolträchtig feiern beispielsweise Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter Salomon und die grüne Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik ihren Wettbewerbssieg um den Titel „Bundeshauptstadt im Klimaschutz 2010“. Beide setzten dazu medienwirksam eine Solaranlage in Betrieb, deren geringe Energieausbeute angesichts des Symbolwerts der Handlung weitgehend unbeachtet bleibt. „Es ist diese entschlossene Konsequenz und Glaubwürdigkeit, die sich in Freiburg sowohl in den großen politischen Auseinandersetzungen, als auch in den Details kleinerer Projekte widerspiegelt“, begründet die Deutsche Umwelthilfe die Auszeichnung.

Das grüne Lokalrezept sah früh neue Flächen für alternative Energie und Energieberater zur Erziehung der Bürger vor. Laut Parteienforscher Franz Walter sind die Quartiere der neuen Grünen-Klientel „Dörfer im städtischen Umfeld“. „Multikulti“ gibt es dort kaum, dafür Solardächer und eine bürgerliche wie akademische Grünen-Anhängerschaft. Finanziert werden die Paradiese oft aus fremden Quellen. Im Fall Freiburg federt das Land schwache Steuereinnahmen ab und erzeugt so Schein­erfolge. Die Grünen erschweren echte Industrieansiedlungen. In Tübingen waltet in Gestalt von Boris Palmer seit 2007 ein Grüner an der Spitze der Stadt, der bis dahin stellvertretender Fraktionschef seiner Partei im Landtag war. Nun kann der einst ins Lokale Geflüchtete ebenfalls zur Landespolitik beitragen. Widersprüche zur Realität bereiten ihm kaum Sorgen, eher die Erwartungen der neuen Klientel. So forderte Palmer jüngst seine Partei auf, Innere Sicherheit ernst zu nehmen und einzusehen, „dass auch manchmal Repression angesagt ist“. Man müsse sich eben auf die neuen Wählerschichten zubewegen, so Palmer.

Auch das grüne Stadtoberhaupt von Konstanz hat das getan: Horst Frank wurde 1996 erster grüner Oberbürgermeister in Deutschland. Bis Juni 2010 beriet er im „Rat für nachhaltige Entwicklung“ die Bundesregierung. Franks Erfolg beruht allerdings auf einer gewissen Portion Pragmatismus: Er scheut nicht den Streit mit seiner Partei, weil er im Gegensatz zu ihr den Ausbau einer Bundesstraße für nötig hält – keine Empfehlung für höhere Aufgaben. Der im Wahlkreis Konstanz jüngst bis in den Bundestag aufgestiegene vormalige Ethiklehrer Till Seiler hat es besser. Er darf als Co-Sprecher der Projektgruppe Lesben und Schwule beim Landesverband der Partei wirken. In einer Abiturzeitung rechnete er zum Abgang aus der Provinz mit seinen Schülern ab: „Wenn ich kein Pazifist wäre, würde ich sagen: erschießen (eignet sich auch für nervige Kollegen, Eltern, Schulleiter etc.).“ Das war allerdings ein „Fehler“, so Seiler, und nicht Ausdruck neuen grünen Lebensgefühls.

Dass Kretschmann trotz vieler Unzulänglichkeiten grüner Lokalpolitik etwas von seinen Provinzfürsten lernen kann, steht indes außer Frage. „Grüne Politik heißt für mich nicht, die Realitäten zu verleugnen, sondern Lösungen für die Menschen umzusetzen. Dazu gehört für mich die Förderung umweltgerechter Mobilität ebenso wie sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen“, gibt Frank jetzt als allgemeines Motto grüner Politik aus. SV


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