16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.08.11 / Bischof von Fulda redet Tacheles / Der Kirche laufen die Gläubigen davon, »genervt und gelangweilt« von Spaß-Gottesdiensten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Bischof von Fulda redet Tacheles
Der Kirche laufen die Gläubigen davon, »genervt und gelangweilt« von Spaß-Gottesdiensten

Im September kommt Papst Be-nedikt XVI. zu seinem ersten offi-ziellen Besuch nach Deutschland. Im Gegensatz zur anfänglichen „Wir-sind-Papst“-Medienwelle nach dessen Wahl im April 2005 scheint das Klima zwischen den Deutschen und dem Oberhaupt der katholischen Kirche jetzt abgekühlter. Die Kirche selbst sieht sich einem überaus schmerzhaften Vertrauensverlust ausgesetzt: Etwa 180000 Katholiken traten im vergangenen Jahr offiziell aus der Kirche aus, 50000 mehr als im Jahr 2009. Damit könnten erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte mehr Katholiken als Protestanten ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken gekehrt haben. Der deutsche Papst besucht eine Kirche, die sich ihrer Sendung tief unsicher geworden ist und die ihre Mitte und ihr Herz, die heilige Messe, hat verkommen lassen.

„Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Zweite Vatikanische Konzil die Kirchen in Deutschland bis zu einem gewissen Grad entzaubert hat und die Gottesdienste formlos werden ließ. Ein Bildersturm fegte durch die Gotteshäuser, die Hochaltäre wurden zerlegt, buchstäblich zersägt. In die Gotteshäuser hielt eine grauenhafte Avantgarde Einzug, die von steriler und schnell gestriger Modernität war.“

Das schreibt der „Spiegel“-Journalist Matthias Matussek in seinem Buch „Das katholische Abenteuer – eine Provokation“, das sich seit Monaten in der Bestsellerliste seines Hausblattes hält. Der ehemalige Feuilletonchef des „Spiegel“ („Ich bin so leidenschaftlich katholisch, wie ich vor vierzig Jahren Marxist war“) scheint mehr von der Glaubens- und Kirchenkrise verstanden zu haben als manche deutschen Bischöfe, die oft mehr auf den Zeitgeist als auf den Heiligen Geist zu hören scheinen.

Vor Jahren schon machte der Romancier Martin Mosebach wortmächtig auf die „Häresie der Formlosigkeit“ aufmerksam, die nach dem Konzil in der Kirche Raum gegriffen habe. Der Gottes-dienst, früher geistliche Kraftquelle für Generationen von Gläubigen, sei eine Larifari-Veranstaltung geworden, die die wirkliche Gegenwart Gottes im Sakrament des Altars vulgarisiert habe.

Mosebachs provozierende Frage, ob die Kirche durch den Bruch mit ihrer großen Tradition und der Abschaffung des Lateinischen als Liturgiesprache sich nicht selbst ihrer Substanz beraubt hat, greift der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen in einem aktuellen Beitrag für seine Bistumszeitung zwar nicht direkt auf. Was der Nachfolger des vor elf jahren verstorbenen kompromisslos katholischen Bischofs Johannes Dyba als Ursache für den Rückgang der Messbesucher ausmacht, lässt allerdings aufhorchen.

Liturgie müsse faszinieren, damit die Mitfeiernden spüren: Gott ist da, schreibt Algermissen im „Bonifatiusboten“. Ohne relativie-rendes Geschwurbel geht der Bi-schof in medias res: Die Erfahrung habe mittlerweile jedoch gelehrt, dass man trotz aller Anstrengungen um einen modernen Gottesdienst „der Not, in welche die Liturgie geraten ist, nicht begegnen kann“. Im Gegenteil: „Je mehr man versucht, durch ‚zeitgemäße‘ Gottesdienstgestaltung den vermeintlichen Erwartungen des modernen Menschen entgegenzukommen, um ihn auf diese Weise in die Kirche zu locken, desto mehr Plätze werden leer.“

„Bar jeder Faszination für das Heilige und sich grundlegend unterscheidende Göttliche“ mache man vielfach aus der Messe einen „banalen ,Event‘“ – eine Beobachtung, der sich jeder praktizierende deutsche Katholik anschließen kann. Jugendbands mit Schlagzeug und Lautsprechern im Altarraum, Gospelchöre mit Klatschen; Applaudieren während der heiligen Messe und eifriges gegenseitiges Händeschütteln beim Friedensgruß; willkürlich weggelassene Kerngebete, Predigten von der Gemeindereferentin statt dem Priester; ein Wollknäuel, während des Hochamts durch die Bankreihen geworfen, offenbar um zu versinnbildlichen, dass der Glaube „uns alle ein Stück weit“ miteinander verbindet. Lärm und Aktivität da, wo früher Andacht und innere Sammlung Raum hatten. Kürzlich ließ der Pfarrge­meinderat im niederbayerischen Bogen (Landkreis Straubing) ein vierrädriges Motorrad („Quad“) bis auf die Altarstufen von St. Florian fahren – während des Jugendgottesdienstes wurde dann zur Gaudi der Motor angelassen.

Jene, die „in Erwartung der authentischen Liturgie der Kirche“ ohnehin regelmäßig zur Messe kämen, würden mit vielen solcherart gestalteten Gottesdiensten „genervt und gelangweilt“, stellt Bischof Algermissen fest. Es ereigne sich eine „öde, auf die Nerven gehende Wiederholung“ der profanen Welt „an heiliger Stätte“.

Es muss also nicht Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben sein, welche die Menschen scharenweise ihren Austritt aus der Kirche erklären lässt. Vielmehr scheint Verdruss und manchesmal auch Verzeiflung Ursache für die Abkehr zu sein. Wer wollte eine solche Kirche, die sich zum frommen Kabarett umfunktioniert hat und Teil der Spaßkultur geworden ist, noch ernst nehmen?

Die Kirche befinde sich durchaus in einer Krisensituation, sagt auch Kardinal Reinhard Marx. Dass die öffentliche Debatte vor diesem Hintergrund fast nur um den Zölibat kreise, empfindet der Erzbischof von München und Freising als ein „intellektuelles Armutszeugnis“. Für die Kirche in Deutschland „ist der Besuch des Heiligen Vaters eine große Chance“, sagte er im Interview mit dem katholischen Nachrichtendienst „kath.net“, eine Chance, das Evangelium neu auszubreiten. Der Bischof unterstrich, die Kirche sei gesandt, in Verkündigung, Sakramenten und Liturgie „etwas von der Größe und vom Geheimnis Gottes aufscheinen zu lassen, das in Christus sichtbar geworden ist“.

Neuevangelisierung des weitgehend entchristlichten Deutschland durch die Feier einer Liturgie, die das Numinose zeigt, statt sich mit der Welt gemein zu machen – das haben sich auch die Priesterbruderschaften St. Petrus und St. Pius X. auf die Fahnen geschrieben. Beide Gemeinschaften feiern die lateinische Tridentinische Messe in der Form, wie sie von der Kirche weltweit über Jahrhunderte fast unverändert zelebriert wurde und Generationen zum Glauben gebracht hat. Es sind nicht die einzigen und sie haben Zulauf durch Suchende und Glaubende, die sich von den liturgischen Experimenten der Amstkirche mit Grausen abgewandt haben. Christian Rudolf


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren