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06.08.11 / Leben über die Verhältnisse / Frankreich droht wegen des Haushaltsdefizits der Verlust seiner erstklassigen Kreditwürdigkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Leben über die Verhältnisse
Frankreich droht wegen des Haushaltsdefizits der Verlust seiner erstklassigen Kreditwürdigkeit

Nur sechs Länder der Euro-Zone besitzen derzeit ein Rating, das ihnen höchste Kreditwürdigkeit bescheinigt. Unter diesen Ländern weist Frankreich die meisten Schulden und das größte Haushaltsdefizit auf. Sollte das Land sein bisheriges Rating verlieren, könnte dies vor allem für Deutschland kostspielige Folgen haben.

Zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl sind Frankreichs Eliten Adressat zahlreicher Ratschläge und Warnungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnt einen verstärkten Schuldenabbau an, damit das Land seine erstklassige Kreditwürdigkeit erhalten kann. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s hatte bereits im Juni gewarnt, dass Frankreich bis 2020 sein bisheriges „AAA“-Rating verlieren könnte, falls das Land nicht grundlegende Reformen in Angriff nimmt. Der Verlust der Top-Bonität könnte allerdings schon erheblich früher eintreten. Die Statistikbehörde „Insee“ hat die Höhe der französischen Staatsverschuldung un­längst auf 82,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) korrigieren müssen. Bereits im nächsten Jahr wird erwartet, dass die Verschuldung auf 87 Prozent anwächst – falls die Haushaltsplanungen nicht eingehalten werden, droht dieser Rekordwert sogar noch höher auszufallen. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bis zum Wahltermin am 12. Mai 2012 außer dem auf Kredit finanzierten 35-Milliarden-Euro-Programm für „Zukunftsinvestitionen“, noch weitere Wahlgeschenke gemacht werden.

Das Centrum für Europäische Politik (CEP) hat angesichts der jüngsten Entwicklungen die Länder der Euro-Zone anhand eines selbst entwickelten Index unter die Lupe genommen. Geprüft wurde die Fähigkeit der einzelnen Länder zur Rückzahlung ihrer Auslandsschulden und damit die Entwicklung ihrer Kreditwürdigkeit. Das ernüchternde Ergebnis der Untersuchung: Neben Italien und Spanien befindet sich Frankreich in der zweit­höchsten Risikokategorie. Beigetragen zu diesem Zustand hat eine seit Jahren sinkende Sparquote in Frankreich. Wurden im Jahr 2001 noch 8,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Ersparnissen zurückgelegt, ist dieser Wert im Jahr 2010 auf magere 0,9 Prozent abgesunken. Da auch die Investitionsquote seit Jahren kontinuierlich absinkt, bedeutet dies, dass ein immer größerer Anteil des Bruttoinlandsprodukts für Konsumzwecke verwendet wird. Wie weit Frankreich bei der Wettbewerbsfähigkeit mittlerweile von Deutschland abgehängt wurde, lässt sich an den Außenhandelsbilanzen beider Länder ablesen. Während Deutschland im Jahr 2010 ein Plus von 162 Milliarden US-Dollar aufwies, führte Frankreich für 53,29 Milliarden US-Dollar mehr ein, als es exportierte. Für Frankreichs Industrie wird es zunehmend schwieriger, auf dem Weltmarkt Abnehmer zu finden. Das Land rangiert in den Statistiken mittlerweile regelmäßig in unrühmlicher Nachbarschaft zu dauerhaften Netto-Importeuren wie den USA und Spanien.

Die Ursachen der nachlassenden Konkurrenzfähigkeit französischer Firmen sind über Jahre gewachsen. Dass die empfohlenen Gegenmaßnahmen, wie die Verminderung des staatlichen Einflusses in der Wirtschaft, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine Verlängerung der Arbeitszeit noch in nächster Zeit auf den Weg gebracht werden, ist unwahrscheinlich. Zumindest bis zu den angesetzten Neuwahlen 2012 ist von Präsident Nicolas Sarkozy nicht mehr mit einschneidenden Schritten zu rechnen. Zur Begrenzung des Haushaltsdefizits und zum Schuldenabbau würden ohnehin nur Kürzungen als Gegenmaßnahme übrigbleiben, da laut IWF die französischen Steuersätze bereits jetzt die höchsten in Europa sind.

Sollte Frankreich, wie vom IWF befürchtet, tatsächlich seine erstklassige Kreditwürdigkeit verlieren, könnten die Folgen vor allem für Deutschland in Bezug auf den Euro-Rettungsschirm EFSF schwerwiegend sein. Während in Paris und Berlin noch Zuversicht verbreitet wird, dass man mit den Beschlüssen des Euro-Sondergipfels vom 21. Juli die Lage in der Währungsunion stabilisiert habe, wurden in der Finanzbranche bereits mögliche Folgen der Vereinbarungen berechnet: Jacques Cailloux von der Royal Bank of Scotland kommt beispielsweise auf eine Summe von zwei Billionen Euro, die der Euro-Rettungsfonds aufbieten müsste, wenn tatsächlich vorbeugend ein Absturz Italiens und Spaniens an den Märkten verhindert werden soll. Nach Ansicht der Citigroup würde bereits die vollständige Inanspruchnahme eines auf eine Billion Euro aufgestockten Rettungs-Fonds für Frankreich zur Folge haben, dass es sein „Triple-A“ Rating verliert. Mit den möglichen Auswirkungen eines schlechteren Ratings von Frankreich haben sich die Analysten von „Bernstein-Research“ befasst. Nach ihren Berechnungen würde die deutsche Beteiligung auf 791 Milliarden Euro ansteigen, sollten Italien und Spanien unter den Rettungsschirm schlüpfen.

Und sollte in einem Extrem-Szenario gleichzeitig noch Frankreich sein „AAA“-Rating verlieren, wären die Auswirkungen noch gravierender. Aufgrund der Konstruktion des Rettungsfonds würden auf Deutschland in diesem Fall Zahlungen und Bürgschaften von 1,7 Billionen Euro zukommen. Norman Hanert


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