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06.08.11 / Gekommen, um zu bleiben / Ehrgeiziger Manager will das Traditionsunternehmen Meissen wieder zur Weltmarke machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Gekommen, um zu bleiben
Ehrgeiziger Manager will das Traditionsunternehmen Meissen wieder zur Weltmarke machen

Als Christian Kurtzke die alteingesessene Meissener Porzellanmanufaktur übernahm, deckten die Einnahmen gerade noch die Lohnkosten. Personalentlassungen, ein strikter Sparkurs und ein neues Verkaufskonzept sowie neue Produktlinien brachten den dringend notwendigen Erfolg.

„Sie haben das gleiche Sternzeichen wie mein Hund“, stellt die reiche, ältere Kundin in der Berliner Meissen-Boutique Unter den Linden gegenüber dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Meissen-Porzellan-Manufaktur freudig fest. Für einen Moment sieht man, wie Fassungslosigkeit sich in dem Gesicht des 48-Jährigen einschleicht, doch schnell hat er sich wieder unter Kontrolle. Charmant lächelt er die Dame, ihren wertvollen Schmuck und dann ihren Mops an und betont, dass es für ihn wohl eine Ehre sei, dass gleiche Sternzeichen wie der Hund zu haben. Ja, Christian Kurtzke hat manche Hindernisse zu überwinden bei seinem Versuch, die berühmte, im Staatsbesitz befindliche Porzellan-Manufaktur Meissen vor dem Ruin zu retten. Alten, reichen Damen und ihren vierbeinigen Lieblingen zu gefallen, gehört da eher zu den einfachen Übungen. In der Sendung „Chefsache“ bei n-tv, in der die Mops-Szene gezeigt wurde, gelang es Kurtzke demzufolge auch, die im vergangenen Jahr 300 Jahre alt gewordene Marke Meissen neu zu präsentieren.

Kurtzke war lange Unternehmensberater bei Boston Consulting. Er kennt sich mit Bilanzen und Wirtschaftsdaten jeglicher Art aus. Als er 2008 bei der Porzellan-Manufaktur einstieg, um diese zu sanieren, musste er feststellen, dass der Glanz des 1710 von August dem Starken als „Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur“ gegründeten Unternehmens Patina angesetzt hatte. Die traditionsreichen Produkte, die Meissen bei seinem Einstieg ausschließlich im Angebot hatte, entsprachen schon seit Jahren nicht mehr dem Geschmack der Zeit, und jene, die handgefertigte Produkte aus Meißen kauften, weil sie sich bewusst für den großen Namen und die ruhmreiche Ge-schichte entschieden und kaufen wollten, was einst bei Kaisern und Königen auf der Tafel stand, starben aus. Kaiser und Könige gibt es hierzulande schon lange nicht mehr und auch das Großbürgertum, was ihnen nacheiferte, wandelte sich und Meissen verlor seine Kunden. Und da die Firma 2008 bei einem Umsatz von 32 Millionen Euro ganze 28 Millionen Euro Lohnkosten hatte, musste Kurtzke als erstes 180 Mitarbeiter entlassen. Ohne zusätzliches Geld sollte er schließlich das traditionsreiche Unternehmen wieder auf Erfolgskurs bringen, also blieb ihm nur Sparen, um die Kosten zu senken und Geld für die Umsetzung seines neuen Konzeptes zu haben.

Mit nun noch 600 Mitarbeitern und von außen hinzugekauften Dienstleistungen von Experten im Bereich Design und Werbung hat Kurtzke schon einiges erreicht: Neue Verkaufsstellen und Vertriebswege, neue Produkte und Produktlinien und vor allem eine neue Präsentation der Marke mit den zwei gekreuzten Schwertern. Die Kataloge sind nicht nur hochwertig und mit vielen Informationen wie jener, dass das berühmte blaue Meißner-Zwiebelmuster gar keine Zwiebel, sondern einen Granatapfel zeigt, versehen, sondern treffen auch den heutigen Geschmack, ohne dass Meissen dabei sich selbst verrät, denn Kurtzke hat aus dem umfangreichen Repertoire von über 200000 Produkten neue gestalten lassen. Es wurde in den Archiven gestöbert und altes Design mit neuem kombiniert. Zudem: Meissen war nie eine reine Porzellan-Manufaktur. So lieferte das Unternehmen bereits zur Weltausstellung 1893 in Chicago Möbel. Auch diese Produktlinie will Kurtzke demnächst wieder mit neuem Leben füllen. Und der kleine, heute Diamant-verzierte Porzellan-Mops aus der neuen Schmuckkollektion soll auch schon 1740 bei Meissen im Programm gewesen sein.

Der hochwertige, kreative Schmuck, die neuen Tafelservice-Serien und die moderne Präsentation alter Kunstwerke sollen neue, vermögende Kunden ansprechen, die es chic finden, wenn hochmodernes Design von Historischem durchbrochen wird. Da Luxuswaren weltweit zweistellige Zuwachsraten erfahren, setzt Meissen darauf, auch etwas von diesem Kuchen abzubekommen. Gerade in Asien erhofft man neue Zielgruppen zu erreichen. Aber nicht nur Kurtzkes Neuausrichtung des Unternehmens sorgte für viel Wirbel: Auch die im vergangenen Herbst stattgefundene Zerstörung alter Warenbestände machte Schlagzeilen. Betriebswirtschaftlich sei es unumgänglich gewesen, so der Chef über diese von vielen als Frevel bezeichnete Aktion, diese steuerwirksamen Vermögensgegenstände, die sich allerdings als unverkäuflich erwiesen hätten, zu zerschlagen, um so Steuern zu sparen.

Trotz aller teils radikalen Veränderungen wirkt es größenwahnsinnig, wenn man hört, dass Kurtzke den Umsatz der Marke in den nächsten Jahren auf 70 Millionen verdoppeln will, aber vielleicht gelingt es dem aalglatt wirkenden Manager ja wirklich, die Marke neu zu beleben. Immerhin schreibt Meissen wieder schwarze Zahlen. Und man muss Kurtzke und seine Art ja nicht mögen, doch es scheint fast so, als sei Meissen ihm ein Herzensanliegen − und gut für sein Ego. „Meissen ist nicht einfach ein Job, ein Projekt für mich“, so Kurtzke in einem Interview. „Das ist was Besonderes, eine Lebensaufgabe. Es gibt keine zweite Marke mit dieser Geschichte, dieser Zukunft. Meine Vision: Ich will den einzigen deutschen Luxus- und Lifestyle-Konzern aufbauen. Und langfristig über die 100-Millionengrenze kommen. Ich bin gekommen, um zu bleiben.“ Rebecca Bellano


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