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06.08.11 / Eidgenossen im Dienste des Reiches / Warum Schweizer im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpften und wie es ihnen anschließend erging

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Eidgenossen im Dienste des Reiches
Warum Schweizer im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpften und wie es ihnen anschließend erging

Während des Zweiten Weltkrieges dienten mehrere hunderttausend ausländische Freiwillige in den Streitkräften und paramilitärischen Organisationen des Dritten Reiches. Ab Beginn des Russlandfeldzuges taten sie dieses vornehmlich in den Reihen der Waffen-SS. Mit dabei waren auch etwa 900 Schweizer: Nationalsozialisten, Antikommunisten, Arbeitslose, Problemflüchtlinge und Abenteurer. Dabei handelte es sich allerdings nur um den kleineren Teil der Schweizer Kriegsteilnehmer.

Während die Zahl der Schweizer Freiwilligen in der Waffen-SS aufgrund im SS-Hauptamt (SSHA) erstellter und um die Jahreswende 1944/45 durch Verrat in den Besitz der Schweizer Behörden gelangter Namenslisten ziemlich genau feststeht, ist diejenige der Auslandschweizer Kriegsteilnehmer, häufig regulär eingezogener Doppelbürger, nur ansatzweise bekannt. Sie beläuft sich auf mindestens 1100 Personen. Darunter befinden sich auch einige Frauen, die als Wehrmachts- und SS-Helferinnen, Dolmetscherinnen oder DRK-Schwestern Dienst leisteten.

Die sich oft überlagernden Beweggründe der Schweizer Freiwilligen waren mannigfach. Der nach reiflicher Selbstprüfung gefasste Entschluss, sich als Soldat Hitler anzuschliessen, stand jedoch bei Weitem nicht im Vordergrund. So hatte etwa jeder fünfte spätere SS-Freiwillige die Schweiz lediglich auf Arbeitsuche verlassen und sich erst in der Auffangstelle „Panoramaheim“ Stuttgart zum Waffendienst überreden lassen. Und den nicht wenigen, vielfach minderjährigen Problemflüchtlingen hatte sich einfach ein willkommenes Schlupfloch aufgetan. Oder wie es der im April 1942 zu Hause ausgerissene SS-Schütze Hans Rudolf D., Jahrgang 1924, aus Winterthur im Kanton Zürich später vor dem Militärgericht ausdrück­te: „Damals bot die Auswanderung nach Deutschland die einzige Möglichkeit, gewissermassen in eine neue Umgebung zu kommen.“ Bis dahin war einfach das Dépôt der Légion Etrangère (Fremdenlegion) im Marseiller Bas-Fort St. Nicolas angesteuert worden – so wie wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Vom wirtschaftlichen Aufschwung des Dritten Reiches, von den meisterhaft inszenierten Nürnberger Parteitagen, den glanzvollen Paraden der Wehrmacht und deren Blitzsiegen der Jahre 1939/40 geblendet waren aber die meisten Bewerber. Mit Haut und Haar dem Nationalsozialismus verschrieben hatten sich indes nur die Aktivisten der sogenannten frontistischen, eine politische und soziale Reform der Schweiz anstrebenden „Erneuerungsbewegungen“.

In aller Regel hatten die Freiwilligen das Land auf illegalem Weg über die sogenannte grüne Grenze verlassen. 42 Prozent der Schweizer standen beim Eintritt in deutsche Kriegsdienste im jugendlichen Alter von 16 bis 20 Jahren. Rund 87 Prozent dienten in der Waffen-SS. Der Rest verteilte sich im Wesentlichen auf die Organisation Todt, den Reichsarbeitsdienst und das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps. Dienstleistungen in der Wehrmacht ergaben sich nur selten, da diese mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbunden waren. Von den Auslandschweizern andererseits hat nur etwa die Hälfte der Waffen-SS angehört. Beim Heer waren es 31 Prozent, bei der Luftwaffe und Kriegsmarine je etwa sieben.

Bis zum Frühjahr 1942 waren die Schweizer größtenteils der SS-Division „Das Reich“, zuletzt als 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ bekannt, zugeteilt worden. Danach finden wir diese zumeist bei der an der finnisch-sowjetischen Front eingesetzten und 1945 in der Pfalz im Feuer der Amerikaner untergegangenen 6. SS-Gebirgs-Division „Nord“. Über die Verluste liegen keine abschließenden Zahlen vor. Am 1. September 1944 hatte die Dienststelle DI/3h SSHA 91 gefallene und vermisste Schweizer und Liechtensteiner registriert. Bekannt ist auch, dass etliche in sowjetische Gefangenschaft geratene Kriegsfreiwillige bereits Ende 1945, zusammen mit aus Ostdeutschland in die UdSSR verschleppten Auslandschweizer Zivilpersonen, im Austausch gegen russische Internierte repatriiert wurden.

Gemäss Artikel 94 des Militärstrafgesetzes von 1927 ist allen Schweizer Bürgern, die Frauen stillschweigend eingeschlossen, der „Eintritt in fremden Militärdienst“ untersagt. Vom Verbot ausgenommen ist lediglich die 1506 gegründete Päpstliche Schweizergarde. Diese gilt zwar als militärisches Korps, versieht aber ausschliesslich Wach-, Schutz- und Repräsentationsdienst. Straflos bleiben auch die Auslandschweizer mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Entgegen anders lautender Behauptungen waren in den Jahren 1939 bis 1945 auch die Dienstleistungen auf alliierter Seite gerichtlich verfolgt worden. Dass es hier im Anschluss an die üblichen sogenannten Kontumazialurteile jedoch nur selten zu ordentlichen Verfahren kam, lag allein darin begründet, dass es sich fast ausschliesslich um Auslandschweizer handelte, die nach dem Krieg in ihr Gastland zurückkehrten und damit der Militärjustiz entzogen blieben.

Bei den während und nach dem Krieg geführten Prozessen ist zu unterscheiden zwischen der Masse der ausschliesslich fremden Militärdienst betreffenden Verfahren und solchen, in denen auch politische oder nachrichtendienstliche Delikte zu beurteilen waren. Wobei sich gerade die Militärrichter um größte Sachlichkeit bemühten. Bei der Strafzumessung fand der zivile und militärische Leumund ebenso Berück­sichtigung wie die Motive, die zum Eintritt in deutsche Kriegsdienste geführt hatten. Der Fremddienst eines unbescholtenen Minderjährigen oder Arbeitslosen wurde folglich nachsichtiger beurteilt als derjenige eines aktiven Wehrmanns oder zivil vorbestraften Ausreißers.

In ihrer Gesamtheit fielen die Urteile aber recht hart aus, da der Eintritt in fremden Militärdienst in Zeiten äußerer Bedrohung schwerer gewichtet wird als in Friedenszeiten. So lag das Strafmaß in etwa sechs von zehn Fällen zwischen einem und zwei Jahren Gefängnis. Für einen 27-jährigen Obersturmführer (Oberleutnant) aus Zürich endete der spektakuläre politische Prozess des Bundesstrafgerichts gegen Mitarbeiter des SSHA am 20. Dezember 1947 sogar mit der in Abwesenheit des Angeklagten ausgesprochenen Höchststrafe von 18 Jahren Zuchthaus. Offiziere wurden generell degradiert und aus der Armee ausgeschlossen. Junge ehemalige Kriegsfreiwillige, die in der Schweizer Armee noch keinen Dienst geleistet hatten, absolvierten später den üblichen Militärdienst und avancierten zuweilen sogar zu Unteroffizieren. Ausgesprochen milde Richter fanden die heimgekehrten Auslandschweizer. Die Urteile beliefen sich hier generell auf einige Wochen oder Monate Gefängnis zur Bewährung. Vincenz Oertle

Der Verfasser dieses Artikels ist Autor des Buches „,Sollte ich aus Russland nicht zurückkehren …‘ Schweizer Freiwillige an deutscher Seite 1939–1945. Eine Quellensuche“, Egg im Kanton Schwyz 1997.


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