16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.08.11 / Bewusstsein für Kulturerbe wächst / Es besteht Hoffnung für den heruntergekommenen Kalvarienberg von Liebau in Niederschlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Bewusstsein für Kulturerbe wächst
Es besteht Hoffnung für den heruntergekommenen Kalvarienberg von Liebau in Niederschlesien

Niederschlesien ist berühmt für seine herrlichen Ba­rock­kirchen und katholischen Wallfahrtsorte. Bei den Pilgern weit über die Grenzen hinaus bekannt sind die Marienwall­fahrtsorte Maria Schnee in Wölfelsgrund (Miedzygórze) im Glatzer Schneegebirge, Wartha (Bardo) bei Glatz, das „schlesische Jerusalem“ Albendorf (Wambie­rzyce) am Fuße des Heuscheuergebirges sowie die ehemalige Zisterzienserabtei Mariä Himmelfahrt in Grüssau (Krzeszow) mit ihrem überirdisch schönen Gnadenbild der Muttergottes. Auch um die umgebende Landschaft in das Heiligtum der Kirche miteinzubeziehen, wurden Wegekreuze und Kapellen angelegt, Dörfchen mit Namen aus dem Heiligen Land versehen, Hügel zu Kalvarienbergen umgestaltet. Die Tempel und Skulpturen an den Kreuzwegstationen in Albendorf und Grüssau, die als Perle unter den sakralen Kunstdenkmälern Niederschlesiens gelten dürfen, sind gut erhalten und werden ausgezeichnet gepflegt.

Ein Bild des Jammers bietet hingegen der Heilige Berg bei Liebau (Lubawka), der vielleicht zwei Stunden Fußmarsch vom Kloster Grüssau entfernt und wie dieser im Kreis Landeshut liegt. Schon im 18. Jahrhundert suchten viele Pilger den östlich der Kleinstadt gelegenen Hügel auf. Der Weg führt an steinernen Kreuzwegstationen und Kapellen vorbei auf den Gipfel, den einstmals eine um 1822 durch den Bildhauer Johann Sühardt geschaffene überlebensgroße Kreuzigungsgruppe krönte. Was von dem sakralen Ensemble heute übrig geblieben ist, spottet jeder Beschreibung. Der Wandersmann trifft auf völlig verwüstete Kapellen. Leere Fenster- und Türhöhlen, abgerissene Fußböden, beschmierte Wände, abgeblätterter Putz, Mauerschwamm. An Stelle der Altäre – zerschlagene Steine und Müll. An den Wegrändern liegen umgestürzte Sandsteinfiguren mit verstümmelten Gliedern, von Gräsern überwuchert. Einzig die Wandmalereien an Decken und Apsiden haben sich großteils erhalten, der rauen Witterung getrotzt. In einer Kapelle breitet ein Engel segnend die Flügel aus, in einer anderen sind die vier Evangelisten noch gut zu erkennen.

„Ich habe noch Kindheitserinnerungen an die Kapellen auf dem Heiligen Berg, da waren sie noch in Ordnung“, verriet die 51-jährige Landrätin der Kreisstadt Landeshut, Ewa Kocemba, der PAZ. Während des Wahlkampfes um das Bürgermeisteramt in Liebau im letzten Winter wurde auch der beklagenswerte Zustand des Kalvarienberges thematisiert, in Diskussionsrunden wie in der örtlichen Presse Möglichkeiten erörtert, den Kreuzweg wiederherzustellen. Die gebürtige Liebauerin Kocemba hatte sehr für die Wiedergewinnung des Ensembles geworben und einen Plan entworfen, den Heiligen Berg in eine Gesamtkonzeption für die Tourismusförderung einzubinden. „Es stimmt einfach nicht, dass ein Wiederaufbau der Kapellen unmöglich ist, man muss nur wollen und konsequent auf das Ziel hinarbeiten“, sagte Kocemba. Was die Angelegenheit sehr erschwere, sei allerdings der unklare Rechtszustand der Objekte. Unter vier potenziellen Besitzern würden sich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verheddern. Der Grund, auf dem die Kapellen stehen, gehört nicht der Gemeinde Liebau, sondern dem Forstamt Landeshut, erklärte die Landrätin gegenüber der PAZ.

Auf die verworrene Rechtslage verweist auch Marek Janicki. Der Ortsvorsteher von Buchwald (Bukowka) hat im Wahlkampf viele Leute kennengelernt, die der ruinöse Zustand der Kapellen schmerzt. „Wir haben sie geerbt, aber selbst auch zerstört“, sagte der 52-Jährige. Ende der 70er-Jahre war er aus Zoppot hergezogen. Der PAZ erzählt er von der Heldentat seines Kollegen Sławek, wie er selbst von der Küste: Dem taten als gläubigen Katholiken die heruntergekommenen Kirchlein so in der Seele weh, dass er um 1979/80 eine davon auf eigene Kosten renovierte: Während eines Jahres reparierte Sławek das Dach und erneuerte die Außenfassade. „Dessen Kraftakt war unvorstellbar“, sagt Janicki. Nur bei schwereren Arbeiten habe ihm ein Einheimischer geholfen. Auch auf dem Hintergrund dieser Erfahrung ist sich der Ortsvorsteher sicher: „Mit ein bißchen Willen lässt sich was bewirken.“ Wo Gefahr ist, wächst eben das Rettende auch.

Christian Rudolf


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren