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06.08.11 / »Leben ist Weben« / Jürgen A. Peters tauschte die Schauspielerei gegen die Webkunst ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

»Leben ist Weben«
Jürgen A. Peters tauschte die Schauspielerei gegen die Webkunst ein

Jürgen A. Peters war Schauspieler, große tragische Rollen wollte er spielen, doch wurden ihm am Göttinger Stadttheater eher komische Figuren angeboten. Doch wie kommt ein Schauspieler zum Weben und zum Leitspruch „Leben ist Weben“? Natürlich war es eine Frau. In den 50er Jahren wechselte er aufgrund schwindender Mittel für Kultur zum Hotelfach, wo er seine spätere Gattin kennenlernte. Annelore Nünninghoff war Ostpreußin aus Insterburger. Sie lernte das Webhandwerk bei Marie Thierfeldt und legte 1940 ihre Meisterprüfung in Braunschweig ab, wo sie eine Handweberei eröffnet hatte und auch Lehrlinge ausbildete. 1951 trat der Kaufmann Jürgen Peters in die Weberei ein und konnte sich der kunsthandwerklichen Faszination nicht entziehen. Bald lernte er, den Webstuhl zu bedienen und selbst Trachtenstoffe zu weben. Nach dem Tod seiner Frau erhielt er sogar die Ausnahmegenehmigung, die Handweberei weiterzuführen und Lehrlinge ausbilden zu dürfen. Das Handwerk wird dort immer noch ausgeübt, Die Ausbildung zum Weber dauert drei Jahre, anschließend steht ein Gesellenjahr an und die Erlangung des Meistergrades. Um das Handwerk zu erlernen, ist ein Gefühl für Farben und Muster nötig und vor allem Durchhaltevermögen. „Es ist eine schwere Arbeit, aber schön“, sagt Peters von seinem Wahlhandwerk. „Es ist auch eine gesunde Arbeit“, auf Nachfrage erläutert der 82-Jährige, dass Hände, Füße, Rücken und Kopf gleichzeitig benützt werden und das halte einen körperlich und geistig fit. Diese Fitness konnten die Teilnehmer beim Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Erfurt bewundern. Pfeilschnell schoss das Schiffchen durch die Ketten, wurden Hebel bewegt, um Fächer zu verschieben. Ganz schnell sah man ein Muster entstehen. Auch wenn Peters sich dagegen sträubt, sein Handwerk als Webkunst zu bezeichnen, bleiben Zuschauende doch staunend vor dem großen hölzernen Webrahmen mit seinem Meister auf der Bank stehen. „Mit einem Faden beginnt man und hofft, dass das Endprodukt dem Käufer gefällt“, so Peters selbst. Und dass das der Fall ist, beweist allein die langjährige Bindung an die Landsmannschaft Ostpreußen, denn ohne die Weberei Peters könnten die Teilnehmer der Werkwoche ihre Kleider nicht schneidern. Schon seit den 70er Jahren webt Peters für die LO. Damals gab es nur eine schon sehr betagte, Weberin, die die Stoffe für die schönen Ostpreußenkleider herstellen konnte. Die Handweberei Peters hat sich damals angeboten, diese zu unterstützen und hat das Weben der Stoffe für die Werkwoche später ganz übernommen. Rauten und Kränzchen gehören dabei zum Alltag, auf diese Muster in rot oder blau auf schwarzer Kette wurde sich geeinigt, mittlerweile gibt es eine ganze Fülle an Farben und Mustern. Zu nennen sind hier allein die Samland- und Masurenkleider, dazu kommt noch eine Vielzahl an Schürzen. Ein Ostpreußenkleid besteht aus einem Mieder, einem Rock, einer Bluse, einer Schürze und eigentlich gehört auch ein Unterrock dazu, den viele jedoch sträflich vernachlässigen. Neben den bekannten Festkleidern gibt es auch noch die Sommer- oder Arbeitskleider, hier ist der Stoff etwas dünner, Kette und Schuss aus Baumwolle, und das Mieder blau- oder rot-weiß kariert. Dazu wird eine Kontrastschürze getragen. Wirklich beliebt sind die Samlandkleider, weil sie so farbenfroh sind. Die bunten Farben sollen den tristen Winter etwas erheitern. Bei einem Festkleid besteht die Kette, das sind die Fäden, die auf den Webrahmen gespannt werden, aus Baumwolle und der Schuss, das sind die Fäden, die mit einem Schiffchen durch die Kette gezogen werden, aus Wolle. Nur Schürze und Bluse werden ganz aus Baumwolle hergestellt, da sie stärker in Gebrauch sind und so öfter und heißer gewaschen werden müssen. Peters hält Stoffe für Ostpreußen-, Westpreußen- und Pommernkleider bereit, solange es ihm möglich ist. In den vergangenen Jahren hat eine Gesellin bei ihm gelernt, die seinen Dienst für die ostpreußische Kultur weiterführen wird. „Sie lebt in Eisenach und ist sehr fähig“, so Peters stolz. Aber wir dürfen noch lange auf ihn bauen, denn für ihn gilt: Weben ist Leben. Wer nun Lust bekommen hat, sich selbst ein Ostpreußenkleid zu nähen, sollte für die Stoffe mit Kosten um 230 Euro rechnen. Jürgen A. Peters, Birkenweg 9, 38458 Velpke, Fax/Telefon (05364) 9788114, info@kloeppelgarne-peters.com, www.kloeppelgarne-peters.com. Die Werkwoche findet jedes Jahr im Oktober statt, und zwar im Ostheim, Bad Pyrmont. In diesem Jahr werken wir wieder vom 10. bis 16. Oktober. Wer sich die Trachten gerne anschauen möchte, sei auf unsere Bilderstrecke im Internet unter www.ost-preussen.de / lo / seminare.html verwiesen. C. Rinser


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