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06.08.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-11 vom 06. August 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Härtere Maßnahmen / Wie sich die CDU selbst verdunstet, warum ihr das auch nicht hilft, und was Lukaschenko von unserem Gabriel lernen kann

Passen Sie bloß auf: Die ideologischen Reinigungskräfte rollen mit der eisernen Kehrschaufel durch die Welt. Nachdem sogar eine amerikanische Bürgerbewegung, die gegen Steuererhöhungen und für eine Verschlankung des Staatsapparats kämpft, ihren „Breivik“ abbekommen hat, weiß man kaum mehr, wie und wo man sich in Sicherheit bringen kann.

Wer jetzt noch spitze Bemerkungen in Richtung Islamismus über seine Lippen laufen lässt, dem kann jedenfalls keiner mehr helfen. Selbst ein „Ich toleriere alle, solange die mich auch tolerieren und nicht gewalttätig werden“ kann gefährliche Folgen haben. Was heißt hier „alle“? Sind damit auch der Papst, die Burschenschaften und gar „die Rechten“ gemeint? Wer die öffentlich toleriert, der kann seinen Kopf gleich auf den Richtblock legen. Toleranz, das lernen wir dieser Tage besonders eindringlich, ist nur im Falle ganz bestimmter Richtungen, Personen und Gruppen statthaft.

All diejenigen, die sich politisch rechts von links einordnen, können auf Toleranz lange warten. Das ist für viele von ihnen eine irritierende Erfahrung, die auf die Dauer nervt. Es gibt aber einen Ausweg: Die „Politische Korrektheit“, aus der englischen Urform abgeleitet von Kennern lapidar „PC“ genannt. PC ist der Panikpickel im Gesicht derer, die Angst haben, von den Linken rechts genannt zu werden.

PC-Infizierte erkennt man daran, dass sie ständig Sachen sagen, die sie im Grunde gar nicht sagen wollen und die auch keiner von ihnen hören will. Um sich vor der moralischen Aburteilung durch die Linken zu retten, übernehmen sie keck deren Parolen. Natürlich nur aus Taktik, weshalb die Parolen in ihren Mündern zu hohlen Phrasen vertrocknen. Heraus kommt eine Art Selbstverdunstung der Bürgerlichen, bei der die Verdunstenden den Nebel ihrer Selbstauflösung mit geschick­ter Tarnung verwechseln.

Wem das zu theoretisch ist, der betrachte die Entwicklung der CDU in, sagen wir mal, den letzten 30 Jahren. 1981: Der Berliner CDU-Politiker Heinrich Lummer geht gegen die Hausbesetzerszene auf die Barrikaden und erobert so für die Union erstmals das Rathaus im vormals stramm roten West-Berlin. 2011: Die Hamburger CDU kämpft wie ein Löwe gegen einen SPD-Bezirksbürgermeister, weil der ein illegales Bauwagen-Lager auflösen will. Noch Fragen?

Anhand der sinkenden Wahl- und Umfrage-Ergebnisse der Union ist ihre Verdunstung gleichsam physikalisch messbar. Die Hamburger Union mit Herz für linke Landbesetzer hat es geschafft, binnen zwei Jahren von über 40 auf gut 20 Prozent zu schrumpeln. Selbstredend will sie auch weiterhin auf keinen Fall von ihrem „erfolgreichen Kurs“ abweichen. Irgendwann muss es ja gelingen, so austauschbar zu werden, dass einem niemand mehr böse sein kann, weil man genau betrachtet ja gar nicht mehr existiert.

Allerdings darf man sich keine Blößen mehr geben, indem man Restbestände eigenen Urteilsvermögens an den Tag legt wie die Leute, die im vergangenen Jahr an den Thesen von Thilo Sarrazin nicht nur Böses erkennen wollten. Die sind jetzt nämlich dran. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnet sie allesamt als gemäßigte Variante des Massenmörders von Norwegen: „In einer Gesellschaft, ... in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“ Der Mann hätte auch unter Robespierre Karriere gemacht. Fast unnötig zu erwähnen, welche Partei-Anhängerschaft Gabriel hier aburteilen will („Bürgertum“!), und welche Partei auf diese Weise von hinten getroffen werden soll. Wer solche Sprünge fertigbringt, dem entgeht keiner, da kann die CDU dunsten, wie sie will.

Wenn diese Art von Toleranz weiter um sich greift, könnte die Debattenkultur in Deutschland bald wieder so spannend werden wie ein spontaner Gedankenaustausch zwischen Erich Honecker und einer Abordnung der Freien Deutschen Jugend, bei dem selbstverständlich auch „kritische Fragen nicht nur erlaubt, sondern vom Genossen Generalsekretär sogar erwünscht sind“.

Was soll’s, als brave Bürger bleibt uns immer noch ein simpler Ausweg: Klappe halten! Einfach nichts mehr sagen und stupide Beifall klatschen, wenn der Genosse Parteivorsitzende oder einer der zahllosen PC-Warte etwas Zustimmungspflichtiges gesagt hat.

Das müsste doch funktionieren, oder? Leider nicht. Im vermutlich einzigen europäischen Land, in dem die Palette der sagbaren Meinungen noch gründlicher entseucht ist als bei uns, macht selbst Klatschen und Schweigen verdächtig. Das ist allerdings weniger die Schuld der Regierung als vielmehr der hinterhältigen Opposition. Da es sich bei der Regierung um eine kommunistische handelt, darf man die Opposition wohl „die Rechten“ nennen, womit über deren unterirdische Absichten alles gesagt wäre.

Um diesen Rechten besser beizukommen, hat Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko die Bandbreite der erlaubten politischen Meinungen auf die seiner eigenen zusammengefasst. Die Rechten wollen aber nicht lukaschenkeln, sie rotten sich stattdessen zu „Schweigedemonstrationen“ zusammen, auf denen sie stumm klatschen.

Als wachsamer Mann lässt sich der Herrscher von Minsk davon jedoch nicht an der Nase herumführen und schickt seine KGB-Häscher aus, um verdächtig schweigende oder klatschende Straßenpassanten aufzuspüren. Beim wie immer pompös begangenen Staatsfeiertag ging da allerdings etwas dramatisch schief: Die Rechten riefen per Internet ihre Leute genau zu der Stelle, wo sich Lukaschenko wie jedes Jahr nach einer seiner beliebten Reden ans begeisterte Volk umjubeln lassen wollte.

So nahm das Unheil seinen Lauf: Nachdem er die Ansprache vollendet hatte, wartete der Präsident in seiner kunterbunten Uniform auf den üblicherweise aufbrandenden Applaus seiner hingerissenen Untertanen. Dann der Schock: Keine Hand rührte sich. Die pflichtbewussten Jubelgenossen hatten Angst, wegen schweigenden Klatschens für Rechte gehalten und abgeführt zu werden. Sie hatten ja gehört, dass die Antikommunisten auch zu der Veranstaltung gerufen hatten und wollten um keinen Preis mit denen verwechselt werden. Statt ihrem Führer also andachtsvoll zu applaudieren, zottelten sie nach dessen Rede leise schwatzend von dannen. Lukaschenko soll beinahe geplatzt sein.

Der Veräppelte sinnt auf Rache: Ab sofort ist es strafbar, sich an einem über das Internet vorher bestimmten Ort zu dort festgesetzter Zeit gemeinsam mit anderen schweigend aufzuhalten. Dumm für die, welche keinen Rechnerzugang haben und denen zur falschen Zeit am falschen Ort aus Versehen der Gesprächsstoff ausgeht.

Das Perfide an den weißrussischen Rechten ist ja, dass die Masche mit dem Schweigen so verdammt harmlos wirkt, weshalb jede staatliche Gegenmaßnahme übertrieben erscheinen muss. Lukaschenko sollte sich mit Gabriel zusammensetzen, der wüsste bestimmt Rat. Etwa diesen hier: Ist Anders Behring Breivik nicht auch als schweigsamer Mensch aufgefallen? Na, da haben wir’s doch! Mit einem Tröpfchen Gabrielscher Rabulistik kann Lukaschenko die rechten Quertreiber ganz leicht als gemeingefährliche Politkriminelle entlarven.

Allerdings sollte man beim Breivik-Gebrauch ein bisschen aufpassen. Der Norweger hat auch die Vertreibung der Sudetendeutschen gelobt. Was sagt uns das, Herr Gabriel? „In einer Gesellschaft, in der Teile des etablierten politischen Spektrums Vertreibungsverbrechen relativieren, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“ Die Welt ist manchmal bunter, als sie scheint.


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