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13.08.11 / Suche nach Gold und mehr / Fünf Menschen flüchten vor der Revolution von 1848 nach Amerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-11 vom 13. August 2011

Suche nach Gold und mehr
Fünf Menschen flüchten vor der Revolution von 1848 nach Amerika

Das Jahr 1848 markiert einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte: Mit dem Ausbruch der Revolutionen in vielen Teilen Europas, dem Aufkommen von Dampfschifffahrt und Eisenbahn, der Fotografie und dem Schreibtelegrafen begann die Moderne. In den USA sorgte der kalifornische Goldrausch ab 1848 für eine beschleunigte Erschließung des Wilden Westens. Das alles und noch viel mehr an spannenden und teilweise kuriosen kulturhistorischen Details steckt in dem grandiosen, fast 900 Seiten starken Roman-Epos „Neuland“ des New Yorker Journalisten Kurt Andersen. Dieser hatte sich die gewaltige Aufgabe gestellt, innerhalb eines weit gespannten Handlungsrahmens das Leben in der Neuen Welt an der Schwelle zur Moderne zu beschreiben. Dank der stimmigen Milieustudien und Charaktere und nicht zuletzt aufgrund der Fülle an teilweise mit Kunstgriffen eingeflochtenen Details ist es ihm geglückt, ein funkelndes Zeit- und Sittengemälde dieser bewegten Epoche zu schaffen, dem es zudem weder an Satire noch an Humor mangelt.

Dass es zu Begegnungen zwischen Charles Darwin, Edgar Allen Poe und anderen Personen der Zeitgeschichte und einigen Protagonisten des Romans kommt, passt in dieses Konzept. In seinem Heimatland erhielt der Autor außer überschwänglichem Lob den Preis für den besten historischen Roman des Jahres 2007.

Überwiegend spielt die Handlung in New York, wobei im ersten Teil Rückblenden zur Pariser Februarrevolution und nach „Good Old England“ eingestreut sind. Sie münden schließlich in das seit jeher bekannte Motiv der hartnäckigen Verfolgung eines Unschuldigen durch einen wahnsinnigen Rächer. Ende April 1848 betritt Benjamin Knowles, Spross einer begüterten englischen Adelsfamilie, inmitten eines Stroms von Einwanderern nach fast zweiwöchiger Überfahrt mit dem Dampfschiff New Yorker Boden. Wenige Wochen zuvor hatte er sich aus den Wirren des Pariser Aufstands gerettet, wo sein bester Freund, der Maler Ashby, zu Tode gekommen war. Ben Knowles ist neugierig auf das Land der Yanks, wo „alles ständig im Fluss ist“ und alles möglich zu sein scheint für einen jungen Mann mit  politischen Visionen. In der quirligen Großstadt findet er schnell Freunde: den gutmütigen, aber seelisch angeschlagenen Kriegsveteranen Duff Lucking, seine attraktive Schwester Polly, eine bislang noch mäßig erfolgreiche Schauspielerin, und den zynischen Bildreporter Timothy Skaggs, der eine Chronik über das Annus mirabilis 1848 plant und als Weltweiser groß herauskommen möchte.

Auf den ersten Blick verliebt sich Ben in Polly, wobei ihm wie auch Duff verborgen bleibt, dass sie ihr schmales Einkommen als Schauspielerin durch eine Nebenbeschäftigung in einem sogenannten besseren Etablissement ergänzt. Dann ist da noch Pollys minderjährige Freundin Priscilla, die sich zur Prostitution drängen ließ, weil sie mit dem ersparten Geld ihrem Elend entkommen will. Als Polly zu einer Theatertournee nach Philadelphia aufbrechen will, erscheint die von ihrem Vater schwer misshandelte Priscilla bei ihr, um Zuflucht zu suchen. Spontan entschließen sich beide, gemeinsam New York zu verlassen, um irgendwo im Westen einen besseren Ort zu suchen, „weit weg von dieser widerlichen, dreckigen, heuchlerischen Stadt“. Und in der Tat wünscht man sich auch als Leser, der Autor hätte all die moralischen Laster der Großstadtmenschen nur angedeutet, anstatt sie weidlich auszumalen. Indessen warten Ben, Duff und Tim vergeb-lich auf Pollys Rückkehr. Da erreicht sie die Nachricht von den bedeutenden Goldfunden in Kalifornien, was ihren Entschluss, sich gemeinsam auf die Suche nach Polly und Priscilla zu begeben, ungemein erleichtert.

Spannend bleibt der Roman allemal, da sowohl das Duo als auch das Trio auf dem Weg quer durch den Kontinent, der sie bis ins Sklavenland im Süden führt, ungewöhnliche Menschen treffen, Glücksritter, Indianer, aber auch „Kommunarden“ und Mormonen. Und es wird natürlich auch Gold geschürft.

            Dagmar Jestrzemski

Kurt Andersen: „Neuland“, Blessing Verlag, München 2010, geb., 895 Seiten, 26,95 Euro.   


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