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20.08.11 / Freundschaftsdienst? / Weißrussischer Oppositioneller nach Hinweis aus Wilna verhaftet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Freundschaftsdienst?
Weißrussischer Oppositioneller nach Hinweis aus Wilna verhaftet

Dass im autokratisch regierten Weißrussland Menschenrechtsaktivisten ins Gefängnis geworfen werden, ist nicht neu. Dass es mit ausländischer Amtshilfe geschieht, schon.

Der in der vergangenen Woche in Minsk festgenommene Leiter der Menschenrechtsorganisation „Viasna“ Ales Bialiatski kann sich für seine Verhaftung beim litauischen Justizministerium bedanken. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung in größerem Stil. Im Rahmen eines bilateralen Rechtshilfeabkommens gab die Behörde Informationen über 400 Konten von Weißrussen beziehungsweise weiß­russischen Nichtregierungsorganisationen bei litauischen Banken an die Minsker Regierung weiter, darunter auch Bialiatskis Konto. Über dieses werden Zahlungen ausländischer Organisationen abgewickelt, mit denen Viasna seine Arbeit finanziert. Für das Lukaschenko-Regime ein gefundenes Fressen: Im Falle einer Verurteilung drohen Bialiatski sieben Jahre Haft und der Verlust seines Eigentums. Die 1996 gegründete „Viasna“ („Frühling“) wäre ihrer bekannten Führungsfigur beraubt. Viasna unterstützt vor allem politisch Verfolgte und ihre Angehörigen.

Nun könnte man eine unpolitische Panne im Verwaltungsapparat für den Vorfall verantwortlich machen. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Regierung des EU-Lands Litauen und in Sonderheit Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite seit Jahren beste Beziehungen mit dem isolierten Nachbarn Weißrussland unterhält. Mit Lukaschenko verbindet Grybauskaite eine enge Arbeitsbeziehung. Noch im Oktober letzten Jahres besuchte die frühere EU-Kommissarin den Alleinherrscher in Minsk – nachdem der ein Jahr zuvor offiziell in Wilna gewesen war. Lukaschenko konnte sich freuen, denn er erhielt die Vereinbarung, venezolanisches Erdöl über den Hafen von Memel einzuführen. Ferner wurde ein Abkommen über einen kleinen Grenzverkehr zwischen Belarus und Litauen unterzeichnet. Vor den erwartungsgemäß gefälschten Wahlen im Dezember nahm Grybauskaite ihren Amtskollegen vor EU-Botschaftern in Wilna in Schutz und adelte ihn als den „Garanten“ der Stabilität und Unabhängigkeit Weißrusslands. Die belarussische Opposition dagegen sei „schwach“. Lukaschenko gratulierte im März erst wieder zum Geburtstag. Ende Mai wies Grybauskaite weitere EU-Sanktionen gegen Minsk „kategorisch“ zurück: Während die EU-Außenminister über die Verschärfung der Maßnahmen gegen das Regime berieten, nannte Litauens Staatschefin umfassende Wirtschaftssanktionen einen „Schlag unter die Gürtellinie“ gegen die ohnehin gebeutelte weißrussische Wirtschaft. Als Nachbarstaat und Eingangstor zur Europäischen Union bestehen umfangreiche Handels- und Transportbeziehungen mit Belarus. Der Vorsitzende der litauischen Parlamentariergruppe „Für ein demokratisches Belarus“, Justinas Karosas, kommentierte die bilateralen Beziehungen zu Jahresbeginn folgendermaßen: „Mit Grybauskaite an der Regierung ist es offensichtlich, dass sich Litauen von einem Demokratie- zu einem Waren-Exporteur gewandelt hat.“ Christian Rudolf


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