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20.08.11 / Tottenham war nicht der Anfang / Europäische Politiker und Medien reden die Unruhen in England schön

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Tottenham war nicht der Anfang
Europäische Politiker und Medien reden die Unruhen in England schön

Fünf Todesopfer und über 110 Millionen Euro Schaden: Das ist die bisherige Bilanz der Ausschreitungen in britischen Großstädten. Die Bilder von Vermummten, die plündernd und brandschatzend durch die Straßen von London und dann von Birmingham, Manchester und Liverpool und sogar von Kleinstädten zogen, treffen die Briten ins Mark. In Deutschland stellt sich die Frage, wie viel Innere Sicherheit die Politik angesichts der von ihr verantworteten Polizeieinsparungen und verfehlten Zuwanderungspolitik gewährleisten kann.

Die Bilder von brennenden Bussen, ganzen Straßenzügen in Flammen und den Geschädigten gingen um die Welt. Sofort folgten Erklärungen für die Aufstände, gerade aus Deutschland. Der Kriminologe Christian Pfeiffer bezeichnete das Verhalten der konservativen britischen Regierung von Premierminister David Cameron als „beschämend“. Während der Ausschreitungen erklärte er, in Großbritannien gebe es eine „viel stärkere Gewinner-und-Verlierer-Kultur mit vielen jungen Migranten“ als in Deutschland. Mit Härte werde man die Probleme aber nicht in den Griff bekommen, so Pfeiffer. Deutsche Leitmedien wie „Die Zeit“ schreiben vom „Aufstand der Abgehängten“. Das Erklärungsmodell zeige nicht, „wer diese Menschen sind, woher sie kamen, und warum sie taten, was sie taten“, so das Blatt, doch „ist der Terror nicht vor allem ein Aufstand der vom kalten Kapitalismus Abgehängten?“

Londons sozialer Wohnungsbau ist nicht auf Vorstädte begrenzt. Die nun in sozialen Brennpunkten gehäuft auftretende Gewalt ist deshalb schwer kontrollierbar. Die Plünderer legten so das öffentliche Leben lahm: Veranstaltungen wie Fußballspiele wurden abgesagt. Die britische Regierung erwog gar den Einsatz von Truppen. Bis vergangenen Sonnabend erhob die Staatsanwaltschaft allein in London in 740 Fällen Anklage. Während die Täter gesucht werden und ihre Motive weitgehend unklar bleiben, sind die Opfer der Gewalt überwiegend Menschen, die sie verhindern wollten. So trauerten in Birmingham rund 1000 Menschen um drei junge Männer, die ihr Wohngebiet vor Plünderung schützen wollten.

In den Medien herrscht derweil eine Sozialdebatte vor. Londons linker Ex-Bürgermeister Ken Livingston prangerte die „soziale Schieflage“ an. Dabei sind viele der von ihm kritisierten Sparmaßnahmen der Regierung noch nicht einmal umgesetzt. Sie taugen nicht als argumentatives Feigenblatt für den „Aufstand der Abgehängten“. Der These spontaner Frustentladung Benachteiligter widerspricht, dass Verabredungen in sozialen Internetforen und über Mobiltelefon die Gewalt anfachten. „Spiegel-TV“ präsentierte dennoch Jugendliche, die sich beim Videospiel vor einem überbreiten heimischen Flachbildschirm in Rage redeten, niemand böte ihnen Jobs. Andere Jugendliche pöbelten vor der Kamera Polizisten an: „Uns kontrolliert Ihr nicht“, wodurch sich die Beamten genötigt sahen, genau das zu tun. Die jungen Schwarzen quittierten dies mit Beschimpfungen und Rassismusvorwürfen. Statt vom Zuwanderungsproblem und übersteigerten Erwartungshaltungen sprach der Beitrag von Jugendarbeitslosigkeit und vermengte die Gewalt mit der Euro-Krise und genereller Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Tatsächlich plünderten in Großbritannien auch Wohlhabende und sogar ganze Familien.

Dass solch sozialer Kontrollverlust Auslöser und Treibstoff der Gewalt war, darf indes bezweifelt werden. Deutschland trafen die Unruhen vor allem über das weltweite Netz. Schon früh riefen linksextreme Portale wie „Indymedia“ dazu auf, etwa „Berlin in Schutt und Asche zu legen“, so der Journalist Udo Ulfkotte. „Solidarität mit den Aufständischen in England“ fordert „Antifa.de“. Das Potenzial für ähnliche Gewalt in Deutschland existiert also bereits. Laut Ulfkotte hat die Bundesregierung in Folge von Unruhen in Frankreich schon 2005 eine Risikoliste erarbeitet, die landesweit 160 Schwerpunkte für mögliche „schwerste Unruhen“ auflistet. Einer der Brennpunkte ist Berlin. Dessen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) beteuert jetzt, Berlin sei vor Unruhen wie in Großbritannien sicher. Sein rot-roter Senat startet gerade eine weitgehend auf das Kleben von Plakaten beschränkte Aktion für Zivilcourage. Die Stadt wird seit Jahren von nächtlichen Brandanschlägen heimgesucht.

In deutschen Ballungszentren lassen Polizeidienstpläne mit geringen Mannstärken an Wochenenden den Beamten im Ernstfall jedoch eher geringere Möglichkeiten zum Einschreiten als den britischen, fürchten Experten. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, warnt, die „explosive Mischung“, die in Großbritannien die Gewalt verursache, sei auch in deutschen Großstädten vorhanden. „Aus nichtigen Anlässen“ könnten demnach in Metropolen wie Berlin oder Hamburg „rasch derartige Brennpunkte entstehen, die nur schwer in den Griff zu bekommen sind“. „Solche gesellschaftlichen Spannungen wie aktuell in England oder in anderen europäischen Ländern haben wir glücklicherweise derzeit nicht“, sagt dagegen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dass in den vergangenen zehn Jahren bei der deutschen Polizei 10000 Planstellen weggefallen sind, wie Wendt beklagt, bleibt nach Ansicht der Politik somit folgenlos.            SV


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