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20.08.11 / Auf der Grenze / Paul Tillich war Theologe wie auch Philosoph

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Auf der Grenze
Paul Tillich war Theologe wie auch Philosoph

Ich hatte die Ehre, der erste nicht jüdische Professor zu sein, dem eine deutsche Universität damals die Lehre untersagte.“ Paul Tillich, der heute mit Karl Barth, Rudolf Bultmann und Dietrich Bonhoeffer zu den bedeutendsten Erneuerern der evangelischen Theologie gezählt wird, war in der Weimarer Zeit einer der führenden Exponenten des Religiösen Sozialismus, war von 1920 bis 1924 Redakteur der „Blätter für religiösen Sozialismus“. Im Jahr der „Machtergreifung“ exponierte er sich mit „Die sozialistische Entscheidung“ klar als Gegner der Sozialisten. Am 13. April 1933 wurde er deshalb vom Amt suspendiert.

Zum Sozialismus hatte Tillich im Ersten Weltkrieg gefunden. Mit Kriegsbeginn hatte er sich freiwillig als Feldgeistlicher gemeldet. Wie für so viele andere deutsche Theologen seiner Generation war auch für den am 20. August 1886 in Starzeddel, Landkreis Guben Geborenen das Kriegsgeschehen ein ungemein prägendes Erlebnis. Als Feldprediger soll er neben der Bibel auch Karl Marx und Fried­rich Nietzsche gelesen haben.

Überhaupt war der Theologe in hohem Maße philosophisch interessiert. Als Gymnasiast benutzte er jede freie Stunde, um philosophische Bücher zu lesen. Philosoph zu werden war damals sein Wunsch. Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Tillichs Vater prüfte nämlich in der theologischen Prüfungskommission Philosophie und war dem Sohn ein idealer Gesprächspartner für philosophische Themen.

Wie der Vater verband auch der Sohn theologisches Interesse mit dem Beruf des protestantischen Geistlichen. Ab 1904 studierte er Theologie und Philosophie in Berlin, Tübingen und Halle. Nach der Promotion über ein philosophisches Thema und den zwei theologischen Examen arbeitete er ab 1912 als Pfarrverweser in Berlin-Moabit, bevor er dann 1914 in den Krieg zog.

Aus dem Felde nach Berlin zurückgekehrt, habilitierte er sich 1919 in Theologie. Es folgten Tätigkeiten als Privatdozent in der Reichshauptstadt und als außerordentlicher Professor in Marburg. 1925 wurde er ordentlicher Professor in Dresden, 1929 wechselte er nach Frankfurt am Main,

Der ausgebildete Geistliche war nun ordentlicher Professor in Philosophie, nicht etwa in Theologie. Tillich war ein „Wanderer zwischen den Welten“ (Helmut Thielicke), ein „Vermittlungstheologe“ (Horst Bürkle), ein „Denker auf der Grenze“ (Friedrich Mildenberg). „Auf der Grenze“ betitelte Tillich seine 1962 in Deutsch erschienenen persönlich geprägten theologischen Reflexionen. Diese Grenze war nicht nur, aber vor allem die zwischen Theologie und Philosophie.

„Auf der Grenze“ hatte Tillich bereits 26 Jahre zuvor auf Englisch unter dem Titel „On the Boundary“ in den Vereinigten Staaten veröffentlicht, wohin er nach dem Entzug der Lehrerlaubnis durch die Nationalsozialisten 1933 emigriert war. Er folgte einem Ruf Reinhold Niebuhrs an das Union Theological Seminary in New York. Dort begann er mit den Arbeiten an seiner dreibändigen „Systematischen Theologie“, einem seiner bedeutendsten Werke.

In den USA, deren Staatsangehörigkeit er 1940 annahm, erwarb sich Tillich ein Renommee, das ihm die Auswahl zwischen den Universitäten ermöglichte. Er entschied sich für eine Professur in Harvard mit fakultätsübergreifendem Lehrrecht. Nach seiner Pensionierung las er ab 1962 an der Universität von Chicago. Aus dieser Tätigkeit riss ihn am 22. Oktober 1965 der Tod.            M.R.


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