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20.08.11 / Streit um Mühlenfund an der Aller / Uneinigkeit über den Umgang mit bei Bauarbeiten gefundenen Relikten aus dem 18. und 19. Jahrhundert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Streit um Mühlenfund an der Aller
Uneinigkeit über den Umgang mit bei Bauarbeiten gefundenen Relikten aus dem 18. und 19. Jahrhundert

An der Alle, nicht weit vom Allensteiner Schloss, existierte jahrzehntelang eine kleine Bierstube. Da sie sich zugleich an einer rauschenden Wehr befand, nannte sie der Volksmund „Niagara“. In den 1990er Jahren wechselte ihr Besitzer. Der neue Eigentümer machte aus der Bierstube ein kleines Lokal mit jugoslawischen Spezialitäten. Da das ganze Wirtschaftsgebäude mit der Zeit nicht mehr funktionsfähig und ziemlich marode wurde, entschied er sich die bestehende Konstruktion bis auf die Grundmauern abzureißen, um hier eine modernere und funktionstüchtigere Biergaststätte zu errichten. Nach der Durchführung der ersten Arbeiten auf der Baustelle wurden unerwartet Grundrisse einer dort früher existierenden Mühle entdeckt. Dies hatte dann eine sofortige Einstellung der Bauarbeiten zur Folge, weil man dieser plötzlichen Entdeckung keinen unwiederbringlichen Schaden zufügen wollte.

Der Verein „Swieta Warmia“ (Heiliges Ermland) beantragte eine Eintragung dieser Überreste aus Granit- und Ziegelstein in die Liste der denkmalgeschützten Objekte. Auch die Beauftragte für Denkmalschutz im Woi­wodschaftsamt, Barbara Zalewska, nahm sich der Sache an. Infolgedessen untersuchten Archäologen das ganze Gelände. Dabei stellten sie fest, dass es sich bei dem Fund um die Kellerräume einer alten Wassermühle aus dem 18. und 19. Jahrhundert handelt. Das erforderte eine Veränderung der Bauplanung. Hierfür sagte der amtierende Stadtpräsident, Piotr Grzymowicz, dem Bauherren seine Unterstützung zu. Da auch dieses Bauprojekt mit EU-Mitteln finanziert wird und somit dessen restriktiven Bestimmungen unterliegt, müssen alle Baumaßnahmen möglichst schnell vonstattengehen. An einer erfolg­reichen Lösung des Problems ist auch der verantwortliche Architekt Bogdan Dzus interessiert, dem zurzeit auch mehrere andere architektonische Bauprojekte in Allenstein obliegen.

Von all diesem Trubel um die vermeintlich wertvolle Ausgrabung hat sich jedoch Andrzej Rzempołuch distanziert. Rzempołuch ist nicht irgendwer, sondern ein hervorragender Kunsthistoriker und Kenner der ostpreußischen Architektur, der sich schon vor Jahren unter anderem mit seinem auch in deutscher Sprache erschienenen Buch „Ehemaliges Ostpreußen. Kunstreiseführer“ in Fachkreisen einen Namen gemacht hat. Jetzt nahm er Stellung zu dieser seiner Meinung nach unverhältnismäßig aufgebauschten Angelegenheit. Der Haufen mit Lehm und Mörtel zusammengeklebter Steine, so Rzempołuch, sei keinerlei amtlich belegter Schutzmaßnahmen wert. Zwar handle es sich hierbei um Relikte einer Mühle, doch nicht um diese selbst. Als Beispiel für eine völlig unnötige Verzögerung der Bauarbeiten wegen langwierigerer archäologischer Untersuchungen verweist er auf die Schwierigkeiten mit der Neubebauung des benachbarten Fischmarktes. Nach lang andauernden Ausgrabungen konnte man damals im zugeschütteten Keller eines nach 1945 zerstörten Hauses lediglich noch einen Vorrat an Kohlen ausfindig machen.

Dieses Votum eines gediegenen und sonst um die Erhaltung des kulturgeschichtlichen Erbes in der ganzen Region sehr bemühten Kunsthistorikers mag vielleicht auf viele in der Stadt aktive Gruppierungen und Vereine befremdend wirken, weil es so nüchtern und herabsetzend klingt und so schonungslos in seiner Aussagekraft ist. Nichtsdestoweniger scheint sie doch das Zünglein an der Waage bei den mitten im Hochsommer entfachten Diskussionen rund um das zukünftige Antlitz Allensteins zu sein. Ob es dabei eine Kompromisslösung geben wird, wird die Zukunft weisen. Eines lässt sich jedoch bereits jetzt konstatieren: Mit dem baulichen Erbe der deutschen Vergangenheit wird heute viel sensibler umgegangen als jemals in der sozialistischen Ära. Grzegorz Supady


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