29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.08.11 / Abgründe der menschlichen Seele / An Parkinson erkrankter Psychiater klärt einen Fall um Missbrauch und Hörigkeit in seiner Nachbarschaft auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-11 vom 20. August 2011

Abgründe der menschlichen Seele
An Parkinson erkrankter Psychiater klärt einen Fall um Missbrauch und Hörigkeit in seiner Nachbarschaft auf

Der erfolgreiche australische Krimiautor Michael Robotham bezeichnet sich selbst als „International Crime Writer“. Zu Recht. Denn seit seinem Debütroman „Adrenalin“ sind das Ermittlerteam, bestehend aus dem Psychiater Joe O’Loughlin und Detective Inspector Vincent Ruiz Garanten für Spannung und einen gut durchdachten Handlungsstrang. In „Todeswunsch“ gerät Sienna, die beste Freundin der Teenagertochter des durch Parkinson geplagten Psychiaters Joe O’Loughlin, unter Mordverdacht. Sie soll ihren Vater brutal ermordet haben. Joe O’Loughlin wäre nicht Joe O’Loughlin, wenn er nicht alles versuchen würde, um die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Da Sienna unter einer ausgeprägten Borderline-Persönlichkeitsstörung mit selbst verletzenden Handlungen leidet und Siennas Vater das Mädchen scheinbar jahrelang sexuell misshandelt hat, sprechen sämtliche Anzeichen dafür, dass der Teenager seinen Vater getötet hat.

Der von Natur aus skeptische Psychiater ist jedoch nicht so einfach bereit, an Siennas Schuld zu glauben. Vielleicht hat das Mädchen seinen Vater bei einem Versuch, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, versehentlich getötet oder handelt es sich nur um einen tödlichen „Unfall“? Statt sich an den Rat seiner Exfrau zu halten, die Finger von diesem verzwickten Kriminalfall zu lassen, steckt Joe O’Loughlin bald selbst im tiefsten Schlamassel. Eine grausame Tat soll ihm als Warnung dienen. Als sein Hund Gunsmoke ihn eines Abends nicht wie gewohnt schwanzwedelnd an der Türe seiner Junggesellen-Wohnung erwartet, schwant dem Psychiater nichts Gutes. „Ich hole eine Taschenlampe aus der Waschküche und suche den Garten ab. Vielleicht hat er sich unter dem Gartenzaun durchgegraben oder jemand hat das Tor geöffnet. … Der Strahl der Taschenlampe wandert vorsichtig über den Boden und erfasst etwas Glänzendes im Gras. Ich schließe meine Finger darum. Es ist die Marke von Gunsmokes Halsband. Ich rufe seinen Namen. Das Wimmern wird lauter. Dann sehe ich ihn. …“ Spätestens in diesem Augenblick wird Joe

O’Loughlins Befürchtung, dass es in diesem Fall um viel mehr gehen muss als den Mord an dem Vater eines sexuell missbrauchten Teenagers, zur bitteren Gewissheit. Wie gut, dass der mittlerweile pensionierte Detective Inspector Ruiz ihm stets nicht nur mit Rat und Tat, sondern auch mal mit geladener Waffe zur Seite steht.

Mit viel Sarkasmus beschreibt Michael Robotham Szenen, in denen die Parkinson-Erkrankung dem sonst so selbstsicheren Psychodoktor zum Verhängnis wird. So zum Beispiel, als er von der Polizei gebeten wird, eine Aussage zu machen, er jedoch vorab unbedingt seine Exfrau anrufen möchte, um ihr Bescheid zu geben, dass er ihre gemeinsame Tochter Charlie deshalb nicht abholen kann.

„Man hat Ihnen gesagt, Sie sollen sich nicht von der Stelle rühren.“ „Ich muss nur einen Anruf machen.“ „Kommen Sie zurück zum Polizeiwagen, Sir.“ Eine Hand am Gürtel, sieht er mich mit kalter Gleichgültigkeit an. Ich schlage einen Tonfall an, der ihm sagt, dass ich in jeder nur erdenklichen Weise kooperieren und in einem Empfehlungsbrief an seine Vorgesetzten seine Gewissenhaftigkeit loben werde, wenn er mich nur mein Telefon holen lässt. Leider schwingt mein linker Arm unwillkürlich nach oben. Es sieht aus wie ein Nazigruß, und ich muss ihn mit der rechten Hand festhalten. „Haben Sie mich bedroht, Sir?“ „Nein.“ „Wollen Sie sich über mich lustig machen?“ „Nein, natürlich nicht. Ich habe Parkinson.“ Die Nerven des Polizisten liegen blank, die Situation eskaliert.

Mit bitterer Ironie zeigt der Autor in solchen Szenen, wie Missverständnisse entstehen und eskalieren können, nur weil die Allgemeinheit es nicht gewohnt ist, mit Menschen umzugehen, die unter einem gesundheitlichen Handicap leiden. Eine Tatsache, über die es sich nachzudenken lohnt.

Der Autor überrascht den Leser in „Todeswunsch“ mit einem recht imposanten, wenn auch etwas zu actionreichen Finale. Auf jeden Fall ist am Ende eines klar: Der Böse kann zwar böse sein, was aber nicht automatisch bedeutet, dass er der Böseste von allen Bösen ist. Für die Auflösung dieses Rätsels empfiehlt sich die Lektüre  des Psychothrillers „Todeswunsch“.             Vanessa Ney

Michael Robotham: „Todeswunsch“ Psychothriller, Goldmann, München 2011, gebunden, 512 Seiten, 19,99 Euro.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren