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27.08.11 / Bald Söldner an Bord? / Piraterie alarmiert Reeder und Politiker – Streit über die richtigen Maßnahmen gefährdet Schifffahrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-11 vom 27. August 2011

Bald Söldner an Bord?
Piraterie alarmiert Reeder und Politiker – Streit über die richtigen Maßnahmen gefährdet Schifffahrt

Die Piraterie bedroht seit Jahren internationale Schifffahrtsrouten. Während andere Länder ihre Marine oder private Sicherheitskräfte gegen die Piraten einsetzen, wird in Deutschland über die rechtlichen Grundlagen gestritten und darauf verwiesen, dass die Pirateriebekämpfung eine polizeiliche Aufgabe sei. Der Bundespolizei fehlen dazu jedoch die Kräfte. Deutsche Handelsschiffe sind daher weiter akut von Überfällen durch Piraten bedroht. Laut jüngstem Pirateriebericht der Bundespolizei waren sie im ersten Halbjahr 2011 sogar weltweit am häufigsten Piratenattacken ausgesetzt. Der Bericht nennt 33 Attacken.

Zahlenmäßig folgten Angriffe auf Schiffe Griechenlands (31), Singapurs (32), Hongkongs (17), Japans (12), Indiens (11) sowie unter anderen jeweils zehn Angriffe auf dänische und malaysische Schiffe. Insgesamt wur-den im genannten Zeit­raum 266 Pirateriefälle gezählt. Nach der Nationalität des Schiffseigners bilden die deutschen Schiffe die drittgrößte Handelsflotte der Welt. Bei den großen Contai­nerschiffen (über 1000 Bruttoraumzahl, BRZ) sind deutsche Eigner sogar weltweit führend. Bei den Bulkcarriern liegen deutsche Schiffe auf Rang fünf. Nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt fahren derzeit 570 Handelsschiffe (ab 100 BRZ) unter deutscher Flagge, unter fremder Flagge fahren 3089 Schiffe deutscher Eigner. Für die große Seehandelsnation Deutschland ist die Sicherheit der Seewege von elementarer Bedeutung.

Seit langem fordert der Verband Deutscher Reeder einen hoheitlichen Schutz der Schiffe durch Marine oder Bundespolizei. Mit Sicherheitsteams an Bord wäre ein hoheitlicher Schutz aus Rechtsgründen freilich nur für Schiffe unter deutscher Flagge möglich. Doch auch diesen bleibt ein ausreichender Schutz durch Deutschland weiter versagt. „Ein flächendeckender Schutz durch hoheitliche Kräfte an Bord ist logistisch nicht möglich“, hätten sowohl das Bundesinnenministerium (BMI) als auch das Verteidigungsministerium erklärt, teilte der Beauftragte der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), auf einem „Antipiratengipfel“ im Bundeswirtschaftsministerium mit. Stattdessen prüfe man nun die Zulassung privater Sicherheitsdienste. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, schlug vor, private Sicherheitskräfte von der Bundespolizei zertifizieren zu lassen. Diese Sicherheitskräfte sollten nur über die Jedermannsrechte bei Notwehr, Notstand und Selbsthilfe verfügen, erklärte Uhl gegenüber der PAZ. Laut Uhl sollen ein Ergebnis der Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung in Kürze vorliegen und „etwaige Gesetzesänderungen zeitnah“ erfolgen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hält Änderungen unter anderem im Gewerbe- und Waffenrecht für nötig.

Strikt gegen solche Pläne hat sich der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, geäußert. Ausgebildete Polizeibeamte seien zum Schutz von Schiffen besser geeignet als private Sicherheitsleute. Deren Einsatz, zumal mit großkalibrigen automatischen Waffen, sei ein unnötiges Wagnis. Pirateriebekämpfung müsse hoheitliche Aufgabe bleiben.

In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ kritisierte Witthaut überdies, weder das BMI noch das Verteidigungsministerium hätten sich dazu durchringen können, genügend Personal gegen Piratenüberfälle einzusetzen. „Es ist völlig unverständlich und fahrlässig, dass in einer solchen Lage so wenig getan wird“, erklärte er. Durch die Bundeswehrreform werde viel Personal abgebaut. Die Bundespolizei könne „kurzfristig bis zu 500 Zeitsoldaten übernehmen, sie für den Kampf gegen Seepiraterie ausbilden und sie dann auf deutschen Frachtschiffen einsetzen.“ Anschließend könnten sie als Polizeibeamte ausgebildet werden. Die Soldaten seien vorhanden, ihre Stellen würden im Haushalt „ohnehin finanziert“. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat auf Anfrage der PAZ hierzu erklärt, auch er befürworte Bundespolizei auf deutschen Schiffen. Doch habe sie dafür kein Personal übrig, und die Bundesregierung wolle ja gerade im Zuge der Bundeswehrreform Stellen einsparen. Wenn Bundespolizei an Bord der Schiffe eingesetzt werden solle, müsse die Regierung dafür auch mehr Geld bereitstellen.

Der Justiziar des GdP-Bundesvorstandes, Sascha Braun, erläuterte gegenüber der PAZ, Witthaut habe in Bezug auf die genannten Zeitsoldaten einen pragmatischen Vorschlag für gewissermaßen eine Übergangszeit machen wollen. Tatsächlich wären bei einer längerfristigen Übernahme von Soldaten durch die Bundespolizei weitere Haushaltsmittel nötig. Braun bekräftigte die Ablehnung privater Sicherheitsdienste für die Piratenbekämpfung und hob die unbestreitbar größere Bandbreite rechtlich abgesicherten Handelns beim Einsatz von Bundespolizei hervor. Auch den Kapitänen käme die größere Rechtssicherheit zugute, etwa bei haftungsrechtlichen Fragen.

Das letzte Wort ist in der Frage private Sicherheitsdienste oder Polizei zur Piratenbekämpfung vielleicht noch nicht gesprochen. Erst im Juli hat der „Bundesfachausschuss Innenpolitik und Integration“ der CDU unter Leitung von Niedersachsens Innenminister Schünemann einen fünfseitigen Beschluss zum Thema Piraterie vorgelegt. Darin heißt es: „Eine wirksame Piraterieprävention erfordert auch den Einsatz hoheitlicher bewaffneter Schutzteams an Bord besonders gefährdeter deutscher Schiffe.“       Michael Leh

Foto: Nicht so zimperlich wie Deutschland: Indonesische Kommandosoldaten gehen gegen Piraten vor


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