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27.08.11 / Rabenschwarzes Kapitel der russischen Geschichte / 70. Jahrestag des Umsiedlungsdekrets der Wolgadeutschen am 28. August 1941

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-11 vom 27. August 2011

Rabenschwarzes Kapitel der russischen Geschichte
70. Jahrestag des Umsiedlungsdekrets der Wolgadeutschen am 28. August 1941

Ein allgemeines Bewusstsein für das Geschichts- und Kulturerbe der Vertriebenen aus Ostdeutschland und den anderen ostmitteleuropäischen Herkunftsgebieten der gewaltigen Fluchtbewegung am Ende des Zweiten Weltkrieges ist kaum vorhanden. Nicht einmal die Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien erkennen diese Facetten als Teil einer übergreifenden gesamtdeutschen Identität an.

Dieser drohende Verlust einzigartiger Traditionsbestände ist eine Tragödie, wie vor allem vertriebene Ostpreußen, Schlesier, Pommern, Sudetendeutsche oder Donauschwaben zu Recht beklagen. Doch zeitgleich versinkt in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in Rußland ein anderes großes historisches Kapitel im Meer kollektiver Vergessenheit: die Siedlungsgeschichte von Millionen Deutschen im russischen Zarenreich und dessen Nachfolgestaaten sowie die Auslöschung ihrer Heimatgebiete durch die Stalinschen Deportationen von 1941 mit der Folge der weitgehenden Aussiedlung ihrer einstigen Bewohner in den binnendeutschen Raum.

Der 28. August wäre das geeignete Datum, um an all das zu erinnern, denn an diesem Tag jährt sich der Deportationserlaß des Obersten Sowjets der UdSSR zu den Wolgadeutschen zum 70. Mal. Doch auch 2011 wird es keine angemessenen Trauer- und Solidaritätsbekundungen geben, weder in Deutschland noch in der Russischen Föderation. Letztere verweigert bis heute die Entsendung offizieller Vertreter zu entsprechenden Gedenkveranstaltungen und bekundet keinerlei Mitgefühl. Präsident Putin ging in seiner achtjährigen Amtszeit nicht ein einziges Mal auf das Schicksal seiner rußlanddeutschen Landsleute ein, und auch Amtsnachfolger Medwedjew wollte sich an einer gemeinsamen deutsch-russischen Erklärung zur Erinnerung an die Massendeportation nicht beteiligen. Das vom Verfall seines Schriftguts bedrohte ehemalige Zentralarchiv der Wolgarepublik in Engels konnte 2004 bezeichnenderweise nur dank einer großzügigen Unterstützung der Bundesregierung in Höhe von 400.000 Euro erweitert und modernisiert werden.

Der 1959 in Dschambul in Kasachstan geborene, seit 1991 in Deutschland lebende und heute an der Universität Heidelberg lehrende rußlanddeutsche Wissenschaftler Dr. Viktor Krieger bemängelt in einem Memorandum zum Jahrestag am 28. August, daß in Deutschland keine einzige wissenschaftliche Institution für die rußlanddeutschen Einwohner existiere, „weder ein eigenständiges Forschungsintsitut oder Stadtmuseum noch ein nationales Archiv oder ein Bibliotheks- und Dokumentationszentruum“. Noch deutlicher wird seine Kritik beim Blick nach Osten: „Bis heute gibt es in der Russischen Föderation kein zentrales Mahnmal für die deutschen Opfer der Deportationen und Arbeitslager, kein nationales Museum und Dokumentationszentrum, keine einzige Gedenkstätte auf dem Gelände eines ehemaligen Arbeitslagers. Im Schulunterricht wird ihre Verfolgung und Diskriminierung zur Sowjetzeit kaum thematisiert. Überhaupt fehlt dem historischen Gedächtnis der russischen Nation das Bewusstsein für das tragische Schicksal ihrer Mitbürger deutscher Herkunft.“

„Ein großes Befremden“, so fährt Krieger fort, „löste indes folgende Behauptung im gemeinsamen Kommuniqué aus, das während der 17. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheit der Russlanddeutschen im westsibirischen Tomsk, 16.-17. Mai 2011 vereinbart wurde:

‚Dabei plädieren die beiden Seiten für einen ehrlichen und verantwortungsvollen Blick auf die Ereignisse vor 70 Jahren. Die Deportation der sowjetischen Deutschen muss in einem historischen Kontext als Folge des Angriffs und der Besetzung der Gebiete der UdSSR durch Hitler-Deutschland betrachtet werden.’

Als ob die Deportationen der koreanischen Minderheit im Jahre 1937 oder der Kalmücken, Tschetschenen oder Krimtataren 1943-44 ebenfalls als ‚Folge‘ entsprechender ‚Angriffe‘ zu rechtfertigen wären! Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung, die sich vor allem auf Vorarbeiten der mutigen russischen Historiker und Archivare stützen, sind übereinstimmend: für das Stalinregime war der Angriff von Hitler-Deutschland nur der willkommene Anlass, sich einiger unliebsamer Völkerschaften zu entledigen!“


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