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10.09.11 / Nord-Ostsee-Kanal verkommt / Kein Geld für die wichtigste künstliche Wasserstraße der Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

Nord-Ostsee-Kanal verkommt
Kein Geld für die wichtigste künstliche Wasserstraße der Welt

Wie es um die wirtschaftliche Lage in der Schifffahrt steht, lässt sich deutlich am Nord-Ostsee-Kanal (NOK) ablesen. Herrscht dort viel Verkehr, dann boomt die Weltwirtschaft, denn diese Verbindung zwischen Nord- und Ostsee ist die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Derzeit folgt im Kanal Schiff auf Schiff. Dennoch sieht die maritime Branche skeptisch in die Zukunft. Es ist der Kanal selbst, der ihr Sorgen bereitet. Die 1895 in Betrieb genommene Wasserstraße zeigt mittlerweile Alterserscheinungen. Besonderer Schwachpunkt ist die Schleusenanlage in Brunsbüttel. Die Nordschleuse bleibt bis auf weiteres gesperrt, an der Südschleuse gibt es Probleme im Betrieb. Auch der Ausbau des östlichen Kanalabschnittes ist ins Stocken geraten. Jens-Broder Knudsen von der Agentur Sartori & Berger, die als Agent Reedereien in allen deutschen Häfen betreut, ist sehr besorgt: „So dramatisch war die Lage noch nie. Wir fahren hier mit offenen Augen in ein Desaster.“

Dass etwas geschehen muss, darin sind sich Vertreter von Wirtschaftsunternehmen ebenso einig wie regionale Politiker. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) sieht die aktuelle Notlage am NOK mit Sorge und hat sich in einem Brief an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gewandt. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel wirft der Bundesregierung sogar vor, die Entwicklung des NOK auszubremsen. Und auch Kommunal- und Landespolitiker sind sich einig – sie formulierten eine gemeinsame Resolution zum Ausbau des NOK und adressierten sie an Ramsauer. Darin fordern sie unter anderem dringend den Bau einer fünften Schleuse in Brunsbüttel. Ramsauer äußerte sich zurück­haltend. Er erklärte zwar, die Anlagen in Brunsbüttel sollten mit dem Bau einer neuen großen Schleusenkammer erweitert werden, dämpfte aber Hoffnungen, dass dies schon bald begonnen werden könnte. Denn er schränkte ein: „Dieses Vorhaben steht in Konkurrenz zu anderen wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen.“ Derzeit seien dringende Ersatzinvestitionen vorrangig. Er versprach jedoch: „Sobald sich finanzielle Spielräume zeigen, werden wir mit den Erweiterungsinvestitionen am Nord-Ostsee-Kanal beginnen.“ Wann dies sein wird, darauf wollte er sich jedoch nicht festlegen.

Der Hintergrund dieser Zurück­haltung: Dem Ministerium fehlen jährlich rund 500 Millionen Euro für Erhalt und Ausbau von Flüssen, Kanälen und Fahrrinnen. Für das kommende Jahr sind zwar 900 Millionen Euro für alle Wasserstraßen vorgesehen. Doch die decken gerade die laufenden Kosten des Unterhalts. Weitere Ausbauten und der Abbau des Rückstaus bei dringend notwendigen Reparaturen sind darin nicht vorgesehen. Nun rächt es sich, dass die Unterhaltung des Kanals so lange vernachlässigt wurde.

Die wirtschaftlichen Folgen für die maritime Wirtschaft sind hoch. Bei starkem Andrang müssen Schiffe vor den Brunsbütteler Schleusen mitunter bis zu zehn Stunden warten. Da lohnt es sich durchaus, darüber nachzudenken, mit dem Schiff rund um Skagen am nördlichen Zipfel Dänemarks zu fahren. Auf der Route müssen keine Kanalgebühren gezahlt, keine kostenpflichtigen Lotsen aufgenommen werden und keine ebenfalls Gebühren kostenden Kanalsteurer mit auf der Kommandobrücke stehen.

Für den Bund bedeutet dies aber auch, weniger einzunehmen − Geld, das dann wieder für die Sanierung des Kanals fehlt.            Eigel Wiese


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