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10.09.11 / MELDUNGEN

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

MELDUNGEN

Günter Grass häutet sich weiter

Lübeck – In einem Interview mit der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ hat der Schriftsteller Günter Grass mit Bezug auf den Zweiten Weltkrieg gesagt, dass der Holocaust an den europäischen Juden „nicht das einzige Verbrechen“ gewesen sei. „Es gab rund 14 Millionen Flüchtlinge in Deutschland. Das halbe Land ging direkt von einer Nazi-Tyrannei in eine Kommunistentyrannei über.“ Das schmälere nicht „die Bedeutung des Verbrechens an den Juden“. Das lange Gespräch mit dem israelischen Historiker Tom Segev durchziehen Spannungen und ein gereizter Ton. Vor dem Hintergrund des Erscheinens der israelischen Ausgabe der Grass-Biografie „Beim Häuten der Zwiebel“ kritisierte Segev die Opferrolle, die Grass angeblich von den Deutschen und sich selbst zeichne. Immer wieder insistierte der Interviewer auf dem Vorwurf, der Literaturnobelpreisträger gehe in seiner biografischen Rückblende auf den Massenmord an den Juden kaum ein und stilisiere sich selbst zum Opfer. Grass führte indessen aus, der Wahnsinn und das Verbrechen seien nicht auf den Holocaust beschränkt gewesen und hätten nicht mit dem Kriegsende aufgehört: „Von acht Millionen deutschen Soldaten, die von den Russen gefangen genommen wurden, haben vielleicht zwei Millionen überlebt, der Rest wurde umgebracht.“ In seiner 2006 erschienenen Biografie hatte Grass bekannt, in den Reihen der Waffen-SS gedient zu haben. Dieses von vielen als zu spät empfundene Bekenntnis hatte eine langanhaltende Debatte um Grass’ Rolle als moralische Instanz im Nachkriegswestdeutschland entfacht. Der Journalist und Hitler-Biograf Joachim Fest äußerte seinerzeit Unverständnis, „wie sich jemand 60 Jahre lang ständig zum schlechten Gewissen der Nation erheben kann, gerade in Nazi-Fragen – und dann erst bekennt, dass er selbst tief verstrickt war“.        CR


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