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10.09.11 / Zahlen für Europas Banken / Euro-Rettungsschirm soll für Eigenkapitalaufstockung herhalten – Deutschland würde mithaften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

Zahlen für Europas Banken
Euro-Rettungsschirm soll für Eigenkapitalaufstockung herhalten – Deutschland würde mithaften

In den Bilanzen europäischer Banken klaffen riesige Löcher. Zur Aufstockung des Eigenkapitals soll jetzt der Euro-Rettungsschirm herangezogen werden. Für hoch­ris­kante Geschäfte französischer und italienischer Großbanken würden damit deutsche Steuerzahler mithaften.

Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen Europas Banken 200 Milliarden Euro an Eigenkapital fehlen. Im Kern der durch den IWF angestoßenen Diskussion geht es um die Frage, wie viel Anleihen aus Griechenland und anderen Krisen-Ländern in den Bankbilanzen überhaupt  noch wert sind. Legt man aktuelle Marktpreise zu Grunde, dann würde nach Ansicht des IWF das ohnehin magere Eigenkapital der Banken um bis zu zwölf Prozent sinken.

Als Lösung des Problems präsentierte die neue Chefin des Währungsfonds, Christine Lagarde, nun den Vorschlag, zur Banken-Kapitalisierung den Euro-Rettungsschirm EFSF heranzuziehen. Unterstützt wird der Vorschlag vom Chef der europäischen Ban­kenaufsicht EBA, Andrea Enria, obwohl seine Behörde erst vor Kurzem mit dem Bankenstress-Test den meisten europäischen Banken quasi einen „Persilschein“ ausgestellt hatte. Abgelehnt wurde Lagardes Vorschlag dagegen von der Bundesregierung, allerdings mit einer etwas verwirrenden Begründung: Es drohe keine Liquiditätskrise, so eine Sprecherin des Finanzministeriums. Lagardes Vorschlag hatte sich allerdings auf das Eigenkapital und nicht auf die Liquidität europäischer Banken bezogen. Zumindest offiziell wurde Lagardes Gedankenspiel auch vom EZB-Chef Trichet und vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy verworfen, dessen Priorität inzwischen nur noch im Zeitgewinn und im Erhalt des „Triple-A“-Ratings für Frankreich zu liegen scheint.

Es ist allerdings nicht nur der IWF, der an der Stabilität einiger Banken immer stärker zweifelt. Die Marktkapitalisierung einiger Institute ist inzwischen so weit abgesunken, dass sie nicht mehr im „Euro-Stoxx-50“-Aktienindex geführt werden sollen. Betroffen sind davon die französischen Banken Crédit Agricole und Socié­té Générale sowie die italienischen Großbanken Intesa Sanpaolo und Unicredit. Dass an den Märkten zunehmend gerätselt wird, welche Risiken in einigen Bankbilanzen versteckt sind, hat seinen guten Grund, wie das Beispiel griechischer Anleihen zeigt. Das offizielle Umschuldungsmodell für Griechenland sieht für Banken noch einen unrealistischen Abschreibungsbedarf von lediglich 21 Prozent bei Anleihen des Landes vor. Am Markt werden die Papiere allerdings teilweise nur noch zu 50 Prozent des Nennbetrags gehandelt. Experten des International Accounting Standard Board (IASB), das international die Bilanzierungsstandards vorgibt, kritisieren inzwischen offen die Tendenz bei einigen europäischen Banken zu „markt­unabhängigen Bewertungsmodellen“ – dem „Schönrechnen“ der Bilanzen. Pikant an der Kritik des IASB ist, dass es diese Behörde selbst war, die neben der EU-Kommission im letzten Jahrzehnt dafür gesorgt hat, dass auf dem europäischen Kontinent zunehmend angelsächsische Bilanzierungsmethoden mit „Gestaltungsspielräumen“ Einzug gehalten haben. Nach Empfehlungen großer Wirtschaftsprüfunternehmen haben mittlerweile zahlreiche Banken Abschreibungen auf ihre Bestände an griechischen Staatsanleihen nach Marktpreisen vorgenommen: Zum 30. Juni wurden Papiere mit fünf bis zehn Jahren Restlaufzeit dabei mit 55 Prozent und 30-jährige Papiere nur noch mit 44 Prozent des Nominalbetrages bewertet. Die meisten deutschen Banken haben sich den Abschreibungsempfehlungen angeschlossen. Nicht so französische Banken – mit dem Hinweis, dass sich derzeit keine verlässlichen Marktpreise für griechische Anleihen ermitteln lassen, wenden sie häufig eigene Bewertungsmethoden an. Dazu herangezogen wird die Bilanzierung nach dem „mark-to-model“-Verfahren. Dass dieses, von Marktpreisen abgekoppelte, Bewertungsmodell in der Bankenbranche auch als „mark to fantasy“ verspottet wird und von einigen Banken derzeit bevorzugt wird, ist vollkommen nachvollziehbar: Viele französische Banken betreiben ein hochriskantes Geschäftsmodell bei minimalem Eigenkapital. Für eine derzeit im Blickpunkt der Märkte stehende französische Großbank hat der Wirtschaftsjournalist Jean-Pierre Chevallier beispielsweise eine Kernkapitalquote von zwei Prozent ermittelt. Der für die Bank berechnete Kredithebel von 1:50 sichert in wirtschaftlichen Boomzeiten eine enorme Rendite. Treten in Krisenzeiten allerdings Verluste auf, kann damit aber auch das Eigenkapital komplett ausgelöscht werden. Im Gegensatz zu ihrem Landsmann Nicolas Sarkozy scheint Christine Lagarde an der Spitze des IWF die Brisanz der Situation erkannt zu haben, auch wenn der Ruf nach dem EFSF-Rettungsschirm allzu offensichtlich auf die Beteiligung der deutschen Steuerzahler abzielt. Norman Hanert


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