29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.09.11 / Von den sicheren Dingen das Sicherste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

Moment mal!
Von den sicheren Dingen das Sicherste
von Klaus Rainer Röhl

Am 11. September 2001 erlebte Amerika einen Schock, den es während des ganzen Zweiten Weltkrieges nie erfahren hatte. Obwohl sich das Land in einem Krieg befand und amerikanische Soldaten in Europa und in Asien kämpften, war die amerikanische Zivilbevölkerung von allen Kriegshandlungen nie direkt betroffen, es sei denn durch die Trauer in den Familien um die in der Ferne gefallenen Soldaten.

Ein Gefühl der Bedrohung stellte sich nie wirklich ein. Ein Angriff auf das eigene Land lag außerhalb aller Vorstellungen. Entführte Flugzeuge, Atombomben und Raketen gegen Wolkenkratzer hatten die New Yorker in den eng­lischen James-Bond-Filmen ebenso wie in vielen Hollywood-Produktionen oft und gern gesehen, mit leichtem Gruseln; sie kannten sich gut aus in der Märchenwelt dieser Filme, die stets die Geschichte eines gigantischen, globalen Kampfes zwischen Gut und Böse ist, der erst in letzter Minute von den Guten gewonnen wird. Die Bedrohung geht immer von einem kaltblütigen und hochintelligenten Einzelgänger aus, der jedoch meist einen kleinen Dachschaden hat – größenwahnsinniger Ex-Kommunist, unter­getauchter Naziführer, genialer, aber von der Welt enttäuschter und verbitterter Wissenschaftler – alles literarische Nachkommen von Jules Vernes Kapitän Nemo.

Islamischer Fundamentalist – das stand noch nicht im James-Bond-Drehbuch, weil der Autor Ian Fleming, auf dessen Büchern die Filme basieren, bereits 1964 starb und von islamistischen Attentätern noch nichts ahnte.

Offenbar hatten die islamistischen Planer der Flugzeugentführung die James-Bond-Filme gründlicher und mit mehr Interesse studiert als den Koran. Ihre späteren Gegenspieler, die US-Geheimdienste, offenbar auch. Auch sie gingen von einem teuflischen Bösewicht und einer schließlich sieg­reichen Kraft des Guten aus. Die arabischen Einmal-Flieger hatten vielleicht auch Hitlers Tischreden gelesen. Auch er hatte von Granaten auf New York geträumt. Ein U-Boot sollte sie abschießen und der Diktator malte sich aus, wie die „verweichlichte“ Nation in Panik geraten werde. In Hamburg-Harburg träumten sie Hitlers Traum zu Ende.

Während der amerikanische Generalstab sich noch mit der Frage beschäftigte, ob der milliardenteure Raketenschutzschild MSI gegen mögliche Raketen aus den sogenannten „Schurkenstaaten“ eingeführt werden sollte, rüsteten eine Handvoll nur mit Teppichmessern bewaffnete Selbstmordkommandos vier amerikanische Zivilflugzeuge zu Superraketen um, deren Sprengkraft jede Weltkrieg-II-Luftmine um ein Vielfaches übertraf. Der Lehrsatz, nach dem dieser Großangriff auf die USA erfolgreich wurde, stand nicht im Koran, wohl aber bei Mao Tse-tung, der eine alte chinesische Volksweisheit griffig neu formuliert hatte: „Wer keine Angst vor der Vierteilung hat, kann den Kaiser vom Pferd reißen.“

Die Selbstmordkommandos haben in der islamischen Geschichte ein Vorbild: die Mörder-Sekte der Assassinen. Die Assassinen, die sich ab 1081 auf der persischen Bergfestung Alamut festsetzten, griffen mit Selbstmordkommandos aus eigens dafür trainierten jungen Männern, die Fidawi („Sich Opfernde“) genannt wurden, durch zahllose Morde in die Politik ein. Erst der Mongolensturm fegte die Sekte hinweg, 15000 Anhänger ließ der Mamelucken-Sultan Baibars um 1272 nach Eroberung der letzten Assassinen-Burg hinrichten, dann schwiegen die Vöglein im Walde. Bis zum 11. September 2001.

Zwei der tödlichen, von Hand gelenkten Superraketen mit bis zu 30000 Litern Kerosin-Füllung galten militärischen Zielen, dem Pentagon und dem Amtssitz des Präsidenten, dem Weißen Haus. Eines dieser mit hilflosen Passagieren besetzten Flugzeuge verfehlte sein Ziel gänzlich. Ein anderes traf. Nach allem, was wir wissen, weil einige seiner Passagiere im Angesicht des sicheren Todes auch keine Angst mehr kannten und sich gegen die Selbstmörder zur Wehr setzten.

Zwei der Kerosin-Geschosse waren gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Außer den Flugpassagieren starben 3000 Menschen in den Zwillingstürmen oder bei der Bergung der Opfer. Soweit die bekannten Tatsachen. Nun, pünktlich zum zehnten Jahrestag, kommen aus der angesehenen deutschen Verlagsgruppe Piper schwere, ja sensationelle Vorwürfe gegen die USA. Vorgebracht von dem bisher weitgehend unbekannten „Westend Verlag“, der zur Verlagsgruppe Piper gehört. Es werden zunächst zahllose Tatsachen aufgeführt, die nicht zu den offiziellen Verlautbarungen von damals und heute passen. Dann kommen die Fragen. Nach dem Motto: Fragen wird man ja mal dürfen. Das nehme ich auch für mich in Anspruch und frage, was den Autor des Buches, den langjährigen „taz“-Redakteur Martin Böckers, umtreibt? Auf wessen Seite der Barrikade steht er?

Zunächst aber übersetzen wir mal die vielen in Frageform gestellten Unterstellungen des Buchs „11.9.“ ins knallhart Deutsche: Erstens: Die „US-Geheim­dienste“ (Verlags­text) kannten die Attentäter und ihre Pläne, ließen sie aber unbehelligt. Sie unterließen es absichtlich, wirksame Maßnahmen gegen die Entführer zu treffen, so den Abschuss der entführten Maschinen durch Abfangjäger. Zweitens: Das nicht von einem Flugzeug getroffene Gebäude des Word Trade Center wurde von den „Geheimdiensten“ selbst in die Luft gesprengt. Das heißt: Verantwortliche in den Geheimdiensten leisteten Beihilfe zu der Ermordung von mehr als 3000 Menschen! Grund für alle diese mörderischen und vom Präsidenten Bush gedeck­ten Machenschaften? Man brauchte einen Anlass, um zunächst den Irak und später Afghanistan zu besetzen, aus machtstrategischen und wirtschaftspolitischen (Öl-)Interessen. Deshalb erklärte man Bin Laden, einen ursprünglich von den USA gegen die Sowjets in Afghanistan eingesetzten und bewaffneten Agenten, zum Gründer und Chef der Al Kaida sowie Auftraggeber der Harburger Flugzeugentführer. Die Beweise lieferte man nach: durch unter barbarischen Folterungen wie „Waterboarding“ (Fast-Ertränken) erzwungene Geständnisse eines einzigen Kronzeugen namens Khalid Scheich Mohammed, den seither niemand mehr gesehen hat. Wahnwitzige Unterstellungen, fast alle in Frageform. Beweist uns das Gegenteil!, rufen die Autoren und fordern einen Prozess vor einem unabhängigen internationalen Gerichtshof.

Die schwedischen (Haupt-)Eigentümer des Piperverlages haben großen Mut bewiesen. Nicht zum ersten Mal übrigens. Sie kauften auch den Hamburger „Kabel-Verlag“, der 1996 das Buch „Auge um Auge“ von John Sack veröffentlicht hatte. Sack berichtet über die sadistischen Racheakte eines jüdischen Kommandanten in einem nach Kriegsende eingerichteten KZ für Deutsche. Das Buch wurde zu einem Geheimtipp von Neo-Nazis. Viele andere Verlage hatten das Manu­skript bereits abgelehnt, obwohl der Autor selbst Jude war. Kabel druckte es.

Die Autoren des neuen Buchs über den 11. September wollen keine Verkünder einer „Verschwörungstheorie“ sein. Im Gegenteil: Sie erklären ihrerseits den Kampf der USA gegen den Islam-Terrorismus zum Produkt einer Verschwörungs-Theorie.

Zweifel sind angebracht. Nicht nur gegen­über CIA und Pentagon, auch gegenüber den Autoren des Enthüller-Knüllers. Merke: Von den sicheren Dingen das Sicherste ist der Zweifel. (Brecht)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren