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10.09.11 / Die Lösung liegt im Christentum / Der Philosoph Harald Seubert sucht neue Wege jenseits von Sozialismus und Liberalismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-11 vom 10. September 2011

Die Lösung liegt im Christentum
Der Philosoph Harald Seubert sucht neue Wege jenseits von Sozialismus und Liberalismus

Die Deutschen sehen sich in einer gegensätzlichen Lage: Noch leben sie in Sicherheit und Wohlstand und ihr Land genießt Ansehen in der Welt. Doch die Anzeichen des Niedergangs sind unübersehbar – gerade den Lesern dieser Zeitung muss dazu nichts weiter gesagt werden.

In dieser Lage ist eine exakte Diagnose der aktuellen Lage in weiter, geistesgeschichtlicher Perspektive besonders wichtig. Das neue Buch „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus“ des Philosophen Harald Seubert leistet eben dies in beeindruckender Weise. Seubert beschreibt mit dem tieferen Blick auf die geistigen Ursachen sowohl außen- als auch sicherheitspolitische Aspekte der globalen Welt um 2000, die Finanzkrise seit 2008 sowie nicht zuletzt die geistigen und ethischen Pathologien, die die Gegenwart prägen: vor allem einen um sich greifenden Relativismus (der beispielsweise meint, mit parlamentarischen Mehrheiten selbst über das Lebensrecht ungeborener Kinder verfügen zu können) und die offenbar kaum auflösbaren inneren Widersprüche der westlichen Gesellschaften. Die prekäre Lage der Universitäten nimmt Seubert besonders in den Blick: Immer neue Bildungsreformen haben von der Humboldt’schen Universität wenig übrig gelassen. Naturwissenschaftlich-technische Erfolge mögen so zu erzielen sein, doch die europäischen Gesellschaften haben mit dieser Politik eine ihrer wichtigsten Wurzeln abgeschnitten.

Seubert erklärt überzeugend, dass weder ein ethisch indifferenter Liberalismus noch sozialistisch-kollektivistische Ansätze aller Art (seit 1994 brachten alle Bundestagswahlen linke Mehrheiten – trotz einer weit nach links gerückten CDU) den Fragen der Zeit gerecht werden. Eindrucksvoll zeigt er auf, dass sich schon seit der Französischen Revolution zwischen diesen beiden Kräften eine gefährliche Schaukelbewegung feststellen lässt. Denn beide Denkansätze haben ihre Kehrseite: Während der Sozialismus auf das Kollektiv fokussiert ist (und dabei die Freiheit missachtet), kennt der Liberalismus letztlich nur den atomisierten Einzelnen. Vorderhand hält der Liberalismus zwar Freiheit und Recht hoch. Doch Recht und Gerechtigkeit sind auch dort massiv gefährdet, wo ein bindungsloser Liberalismus über Grundrechte entscheidet: Wenn es keine absolute Wahrheit und – davon abgeleitet – keine unveräußerlichen Rechte mehr gibt, weil über alles mit politischen Mehrheiten verfügt werden kann, stehen die Menschenrechte auf dem Spiel. Auch Redeverbote und die gesellschaftliche Ächtung respektabler Positionen – ausgerechnet im Namen der Toleranz – gehören zu den faulen Früchten eines aus dem Ruder gelaufenen Liberalismus.

Im zweiten Teil seines Buches wirft Seubert in Fortsetzung von Gedanken Hegels und Günter Rohrmosers, aber auch der wesentlichen Theoretiker der Sozialen Marktwirtschaft, das Problem einer „Ordnung der Freiheit“ auf. In deren Zentrum müsse eine Sittlichkeit stehen, die die Errungenschaften der Moderne, namentlich den freiheitlichen Rechtsstaat und die Marktgesellschaft, anerkennt, aber doch die auseinanderdriftenden Kräfte zu bündeln weiß. Hegel erkannte diese Kraft im sittlichen Staat, der gleichweit entfernt ist von totalitärer Vereinnahmung wie von ethischer Indifferenz und Neutralität. Dieser sittliche Staat führt die Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft und das Ethos der Familie zusammen.

Und er war – so die Gedanken Seuberts – in der Ordnung des Grundgesetzes, wie sie bis etwa 1968 gelebt wurde, schon einmal verwirklicht, ist aber heute bedroht, weil die politische Elite Raubbau treibt an den Grundlagen, von denen der demokratische Staat lebt, ohne sie selbst garantieren zu können.

Die so verstandene Sittlichkeit muss keineswegs mit äußerlicher „Moralität“ zusammenfallen, ja in Zeiten eines ausufernden „Gutmenschentums“ unterscheiden sich Moralität und echte Sittlichkeit geradezu schmerzlich voneinander. Für Seubert liegt deren Fundament im „Glutkern“ der Wahrheit der christlichen Botschaft. Denn sie überwinde den Antagonismus von Kollektivismus und Atomismus in einer personalen, dialogischen Menschlichkeit und sei zugleich vernünftig, so dass ihre Substanz auch in den nicht-christlichen Raum übersetzbar sei. Die Faszination der Gedankenführung besteht an dieser Stelle darin, dass Seubert klar aufzeigt, wie beispielsweise die Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, die Verfasser des Grundgesetzes und die großen Einiger Europas (man könnte hier übrigens Otto von Bismarck als Reichseiniger, Sozialreformer und eben auch Friedenspolitiker hinzufügen) nicht nur ganz überwiegend persönlich christlich motiviert waren, sondern Grundgedanken der christlichen Botschaft so in Politik und Wirtschaft übertragen haben, dass sie auch für deren nicht-christliche Bereiche und Mitglieder segensreich wurden.

Seubert hat mit „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus“ ein Werk vorgelegt, dass ihn noch mehr als bisher in die Fußstapfen Rohrmosers treten lässt. Aus der Diskussion um eine widerspruchslos-zusammenhängende, konservative Sicht auf die gegenwärtige Lage unseres Landes ist es nicht wegzudenken.   K. Badenheuer

Harald Seubert: „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus. Ethik und Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts“, Resch, Gräfelfing 2011, broschiert, 256 Seiten, 19,90 Euro.


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