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17.09.11 / Revolution ohne Basis? / Libyscher Übergangsrat NTC erhält in Tripolis wenig Zustimmung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Revolution ohne Basis?
Libyscher Übergangsrat NTC erhält in Tripolis wenig Zustimmung

Als der Chef des libyschen Übergangsrates NTC, Mustafa Abdel Dschalil, vor wenigen Tagen erstmals die Hauptstadt Tripolis besuchte, wertete dies ein Sprecher des NTC als „historischen Moment“. Doch nur wenige Hundert Libyer wollten den neuen Staatschef begrüßen.

Dschalil, der als Justizminister auch dem gestürzten Diktator Gaddafi gedient hatte, versprach in Tripolis die nächste Phase zum Aufbau eines neuen Libyens einzuleiten. Die Amtsgeschäfte will der NTC-Chef jedoch weiterhin und vorübergehend von der ostlibyschen Stadt Bengasi ausführen. Erst nach der „vollständigen Befreiung“ des Landes will sich der NTC in Tripolis niederlassen. Offenbar findet der Übergangsrat in der Hauptstadt noch wenig Unterstützung, wie die geringe Zahl derer zeigt, die den neuen Staatschef begrüßen wollten.

Die Bevölkerung in Tripolis ist nach wie vor verunsichert wegen der Aktivitäten verschiedener Rebellengruppen. Aufmerksam registrierten die Menschen, dass sich die Rebellen-Truppen aus der Gaddafi-Hochburg Sirte unter hohen Verlusten wieder zurückziehen mussten. Süd-Libyen entzieht sich offenbar weiterhin der Kontrolle der NTC-Rebellen. Bei einem Zwischenstopp in Misrata bestätigte Dschalil daher auch offiziell, dass Gaddafi „noch immer am Leben“ sei und über „Geld und Gold“ verfüge, womit er sich „Männer kaufen“ könne. Der Kauf von Söldnern durch Gaddafi ist eine beliebte und bisher nicht bewiesene Unterstellung des NTC.

Dem Chef des Übergangsrates, dem auf internationalem Parkett derzeit überall rote Teppiche ausgerollt werden, schlägt in der Heimat zunehmend Misstrauen entgegen. Das Wort der „Wendehälse“ kursierte in der letzten Woche in Libyen gegenüber den Überläufern aus dem alten Gaddafi-Regime. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) äußerte Bedenken, weil der Rat nicht alle Stämme und Gruppen gleichmäßig repräsentiere. Misstrauen erweckt zudem die Tatsache, dass über die Hälfte der Mitglieder des NTC immer noch nicht namentlich bekannt sind.

Die neue libysche Führung will in spätestens einer Woche eine neue Übergangsregierung bilden. Der Regierungschef des NTC, Mahmud Jibril, verkündete am Sonntag in Tripolis, die neue Regierung werde sich aus Vertretern der Regionen des Landes zusammensetzen. Von Wahlen oder einer demokratischen Verfassung ist bisher nicht die Rede.

Im Dunkeln liegen insbesondere die Verbindungen des Übergangsrates zur Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG), einer 1995 gegründeten militanten Vereinigung ehemaliger islamistischer Afghanistan-Kämpfer. Sie zählten, wie Hiba Fatima von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ bestätigte, zu den härtesten Kämpfern an der Frontlinie von Tripolis. Der ehemalige Emir der LIFG, Abdel Hakim Belhadj, wurde nun zum neuen Militärkommandanten von Tripolis ernannt. Wie ein Phantom agiert Belhadj in Tripolis – niemand hat ihn bisher in der Öffentlichkeit gesehen, doch die meisten Rebellengruppen hören auf ihn. H. E. Bues


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