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17.09.11 / Die bohrende Frage der Mitschuld / Ökonomen in der Krise: Haben ihre Fehlurteile die Banken- und Euro-Misere mit verursacht?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Die bohrende Frage der Mitschuld
Ökonomen in der Krise: Haben ihre Fehlurteile die Banken- und Euro-Misere mit verursacht?

Drei Jahre nach dem großen Konjunktur-Zusammenbruch 2008 offenbarte die Ökonomenzunft die eigene Sinnkrise. Auf ihrer Jahrestagung in Frankfurt am Anfang dieses Monats sollten „Lektionen aus der Krise“ präsentiert werden. Doch die versammelten 3800 Ökonomen präsentierten wenig Ergebnisse und viel Nabelschau. Dabei gab es nebenbei für die deutsche Wirtschaft gute Prognosen zu vermelden.

„Die Ökonomie beschäftigt sich viel zu wenig mit ihrem eigenen Versagen, und das ist blamabel“, meinte der Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider. Jeder Kritiker gelte gleich als Nestbeschmutzer. Mit dieser Meinung stand Schneider nicht allein. „Ich denke, die moderne Makro- und Finanzökonomie hatte einen gehörigen Anteil an der Krise“, bekannte Thomas Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Aufgrund der Theorien glaubte man, Konjunktur und Finanzrisiken gut berechnen zu können – und hat deshalb zu hohe Schulden aufgebaut.“ Andere Forscher wie der Oxforder Wirtschaftsprofessor Clemens Fuest verteidigten die bisherigen Forschungsansätze, die grundsätzlich nicht alle falsch gewesen seien.

Auch der Bonner Ökonomieprofessor Jürgen von Hagen, der die Frankfurter Tagung vorbereitet hatte, sieht die Kritik einiger Kollegen an der eigenen Zunft nicht so scharf. Die aktuelle Forschung habe sehr wohl etwas zur Krisenlösung beizutragen, meinte von Hagen und verwies auf die Reformen am Arbeitsmarkt im Jahr 2008. Auch hätten viele Volkswirte zu Recht vor zu niedrigen Zinsen wie in den USA oder von der Euro-Politik der Regierung gewarnt.

Erst im Frühjahr stellten sich über 90 Prozent der deutschen Volkswirtschaft-Professoren gegen die geplanten Maßnahmen der Regierung zur Euro-Rettung. Zum Leidwesen der Ökonomen verfolgte die Politik allerdings ihre Rettungsschirm-Politik bisher „alternativlos“. Angesichts der nahenden Griechenland-Pleite hoffen nun die Volkswirtschaftler auf Gehör, zumal der scheidende Vorsitzende des „Vereins für Socialpolitik“ (VfS), Lars-Hendrik Röller, zum neuen Wirtschaftsberater der Bundesregierung ernannt wurde.

Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, gab sich in Frankfurt optimistisch. Er schätzte das Risiko einer Rezession in den USA nur auf 50 Prozent. Weltweit und für die deutsche Wirtschaft sah der Wirtschaftsforscher keine großen Probleme. Heute würden etwa drei Viertel des globalen Wachstums aus den Schwellen- und Entwicklungsländern stammen. Die ehemals als „Dritte Welt“ bezeichneten Länder hätten ihren Anteil an der Weltwirtschaft in den letzten zehn Jahren von 20 auf 34 Prozent gesteigert. Das Wachstum Chinas werde auch bei einer schweren Rezession der führenden Industrienationen (G7-Länder) nicht unter sieben Prozent fallen. Zudem säßen die Chinesen auf einem Billionen-Polster von Devisenreserven, mit denen sie jederzeit die Konjunktur im eigenen Land stützen könnten.

In dieser glücklichen Lage befinden sich die USA und Japan, einstige Lokomotiven der Weltwirtschaft, nicht. Präsident Obama muss derzeit um die Verwirklichung seiner 450 Milliarden Dollar teuren „Job-Initiative“ bangen, da kein Geld da ist. Japan ist belastet durch sehr hohe Schulden und die Wirtschaft schrumpft nach Erdbeben, Tsunami und Atomunfall derzeit um ein Prozent.

Die deutsche Industrie, verkünden die Ökonomen, ist von den Problemen der lahmenden Wirtschaft in den G7-Staaten weniger betroffen. Das starke eigenständige Wachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern, das 2010 immerhin bei 6,2 Prozent lag, fördere auch die deutsche Exportindustrie. Nach einer Berechnung der Bank HSBC liegt der Anteil deutscher Konzerne im Handel mit diesen Ländern bei 14 Prozent. In China beispielsweise avancierte Volkswagen inzwischen zum zweitgrößten Autohersteller. Die Auftragseingänge der deutschen Industrie sanken im Juli zwar um 2,8 Prozent, liegen aber immer noch um 8,7 Prozent über dem hohen Vorjahreswert.

Während man mit Selbstkritik relativ sparsam umging, obwohl es genügend Anknüpfungspunkte gegeben hätte, fanden viele der angereisten Wirtschaftsexperten eine Freude darin, die Politik der Bundesregierung zu attackieren.

Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, kritisierte, dass Deutschland viel zu sanft mit den Banken im Land umgehen würde. So würden sich die Kosten der Bankenkrise allein für Deutschland auf 80 bis 100 Milliarden Euro belaufen. Allein die jährlichen Zinsen für diese Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro entsprächen dem doppelten Jahresetat aller 80 Max-Planck-Institute hierzulande, klagte er. Und auch andere seiner Kollegen führten die mangelnde Treffgenauigkeit deutscher Ökonomen bei der Analyse der derzeitigen Krise auf eine maue finanzielle Ausstattung der Lehrstühle zurück. Immerhin merkte der neue VfS-Chef, Michael Burda, an, dass die deutsche Ökonomenzunft offenbar vollständig unterschätzt habe, wie schnell sich die Integration der Finanzmärkte nach der Einführung des Euro vollziehen würde. Die europäischen Banken seien seiner Meinung nach jetzt so eng miteinander verflochten, dass eine Entflechtung nur schwer möglich ist, was im Grunde bedeutet, dass wenn eine namhafte Bank stürzt, sie alle anderen mit in den Abgrund reißt. H. E. Bues/Bel


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