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17.09.11 / Ein »Politiker, der den Beruf des Journalisten ausübt« / Karl-Eduard von Schnitzler, der Mann, der den »Schwarzen Kanal« machte, starb vor zehn Jahren in Zeuthen bei Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Ein »Politiker, der den Beruf des Journalisten ausübt«
Karl-Eduard von Schnitzler, der Mann, der den »Schwarzen Kanal« machte, starb vor zehn Jahren in Zeuthen bei Berlin

Noblesse oblige – Adel verpflichtet. Karl-Eduard von Schnitzler war nicht nur ein Spross des königlich-preußischen Legationsrates Julius Eduard von Schnitzler, sondern – zumindest seinen eigenen Angaben nach – auch ein Ururenkel des 99-Tage-Kaisers Friedrich III. Standesgemäß nahm der am 28. April 1918 in Berlin geborene Adlige nach dem Abitur auf dem Friedenauer Gymnasium ein Medizinstudium in Freiburg auf. Dieses Studium brach er jedoch 1937 ab. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre in Köln und betrieb eine Speditionsfirma, bevor er ab 1939 Kriegsdienst in einem Artillerieregiment und einer Nachrichtenabteilung leistete.

Politisch war Schnitzler bereits frühzeitig aus der Art geschlagen. 1932 wurde er Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges nahm er 1943 Kontakt zur Resistance auf. 1944 wurde er verhaftet, floh aus der Untersuchungshaft und geriet in britische Kriegsgefangenschaft.

Die Briten machten sich Schnitzlers Einstellung gegen das Dritte Reich zunutze und ihn zum verantwortlichen Redakteur für die tägliche BBC-Sendung „Hier sprechen deutsche Kriegsgefangene zur Heimat“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Schnitzler bereits 1945 bevorzugt entlassen und für die Umerziehung in Deutschland eingesetzt. Als 1946 in der britischen Besatzungszone der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) gegründet wurde, war er dabei. Er übernahm die Leitung der politischen Abteilung und wurde stellvertretender Intendant. Im Zuge des eskalierenden Kalten Krieges eckte Schnitzler mit seinen kommunistischen Anschauungen jedoch zusehends an. Erst versetzte ihn der britische Chefcontroller 1947 von Köln nach Hamburg, dann wurde der Kommunist, der sich selber als „Politiker, der den Beruf des Journalisten ausübt“, verstand, entlassen.

Mit Unterstützung des westdeutschen KPD-Politikers und -Journalisten Kurt Lichtenstein, zu dem er schon vorher Kontakt hatte, wechselte Schnitzler in die DDR und deren Dienste. Er arbeitete für den Berliner Rundfunk und den Deutschlandsender und trat 1948 der SED bei. Nach dem Besuch der Parteihochschule im Jahre 1951 übernahm er 1952 die Leitung der Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees.

Als auch in der DDR das Fernsehen an Bedeutung gewann, wurde Schnitzler Chefkommentator des DDR-Fernsehens, eine Aufgabe vor der Kamera, auf die er sich nun konzentrierte. Nachdem er vorher bereits die Moderation des „Treffpunkts Berlin“, einer politischen TV-Diskussion mit westlichen Journalisten, übernommen hatte, begann 1960 die Ausstrahlung von „Der Schwarze Kanal“. Die Wahl des durchaus erklärungsbedürftigen Titels erläuterte er in der ersten Sendung: „Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müsste, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen.“ Das Konzept der 20-minütigen Sendung bestand darin, dass Schnitzler Ausschnitte aus westlichen Nachrichten, Reportagen und politischen Magazinen ausschnittweise zeigte und diese mit kritischen, bissigen, ätzenden, polemischen Kommentaren versah, was ihm den Spitznamen „Sudel-Ede“ einbrachte.

So kritisch Schnitzler gegen­über dem Westfernsehen war, so unkritisch war er gegenüber dem eigenen Staat und dem eigenen Block. „Die Falltür West-Berlin ist dichtgemacht worden. Die auf das Herz der DDR gerichtete Lanzenspitze ist umgebogen“, kommentierte er 1961 den Mauerbau. Die Beteiligung der DDR-Streitkräfte an der Niederschlagung des Prager Frühlings lobte er als „brüderlichen Beistand“. Und die Bürgerbewegung in der DDR diffamierte er als Produkt des Westfernsehens.

Diese Antipathie beruhte auf Gegenseitigkeit und so war auf den Montagsdemonstrationen zu hören „Schnitzler in den Tagebau“ oder „Schwarzer Kanal, heut zum letzten Mal“.

Im Gegensatz zur erstgenannten ging die zweite Forderung schließlich in Erfüllung. Am 30. Oktober 1989 ging Schnitzler mit seinem „Schwarzen Kanal“ ein letztes Mal auf Sendung. Wie das DDR-Fernsehen ging nun sogar die SED zu ihm auf Distanz. 1990 kam er einem Parteiausschluss durch den Austritt zuvor, nachdem zuvor bereits ein Parteiverfahren gegen ihn eingeleitet worden war.

Nach dem Ende der DDR, den er auf einen Verrat der Sowjet­union zurückführte, fand er in westdeutschen Stalinistenzirkeln eine neue Heimat, die noch DDR-unkritischer sind als die mitteldeutsche ehemalige DDR-Regierungspartei. Er wurde Mitglied der DKP und schrieb für die kommunistische „Rote Fahne“. In dem Satiremagazin „Titanic“ übernahm er die Rubrik „Roter Kanal“. Daneben veröffentlichte er mehrere Bücher mit Nachlasscharakter, angefangen mit der Ende 1989 vorgelegten Autobiografie „Meine Schlösser oder Wie ich mein Vaterland fand“, dann „Der rote Kanal. Armes Deutschland“ von 1992 und schließlich 1994 „Provokation“, das mit dem Satz beginnt: „Die Deutsche Demokratische Republik war das Beste, was in der Geschichte den Deutschen, den Völkern Europas und der Welt aus Deutschland begegnet ist“.

„Hey Schnitzler, du elender Sudel-Ede / Sogar, wenn du sagst, die Erde ist rund / Dann weiß jedes Kind: Unsre Erde ist eckig / Du bist ein gekaufter verkommener Hund / Und wirst du bald unter der Erde liegen / In dich geh’n nicht mal mehr die Würmer rein / ,Der muss jetzt im Grab noch die Würmer belügen‘ / Wird stehen auf deinem Marmorstein“, sang Wolf Biermann. Vor zehn Jahren war es so weit. Am 20. September 2001 starb Karl-Eduard von Schnitzler unweit seines Geburtsortes Berlin in Zeuthen an den Folgen einer Lungenentzündung. M.R.


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