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17.09.11 / Archäologischer Fund in der Lastadie / Nicht überall in Königsberg klappt die Zusammenarbeit von Bauherrn und Altertumskundlern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-11 vom 17. September 2011

Archäologischer Fund in der Lastadie
Nicht überall in Königsberg klappt die Zusammenarbeit von Bauherrn und Altertumskundlern

Jüngste Ausgrabungen im Zentrum von Königsberg brachten erstaunlich gut erhaltene Fundamente von historischen Altstadtbauten zutage. Ein Glücksfall, denn Investoren versuchen allzu oft, die gesetzlich vorgeschriebene archäologische Untersuchung vor Baubeginn zu umgehen.

An Königsbergs Pregelufer soll ein 36000 Quadratmeter großer Gebäudekomplex der Hotelkette „Accor“ entstehen. Neben einem Hotel sollen dort Appartements, Geschäfte und ein mehrstöckiges Parkhaus untergebracht werden. Die Investitionen für das Bauvorhaben werden auf umgerechnet 50 Millionen Euro geschätzt.

Laut dem Investitionsvertrag, der 2008 auf der MIPIM (Marché International des Professionnels de l’Immobilier), einer Messe für Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie Betriebsansiedlung im französischen Cannes geschlossen wurde, verpflichtet sich der Bauherr gegenüber der Stadtverwaltung, eine Fußgängerbrücke über den Pregel zu bauen, die das rechte Ufer des Flusses mit der Kant-Insel verbindet. Ebenso verpflichtete sich der Bauherr, die obligatorischen archäologischen Untersuchungen, wie sie für jedes Bauvorhaben im historischen Zentrum Königsbergs vorgesehen sind, auf seine Kosten durchzuführen.

Auf dem Bauplatz für den „Lastadie“-Komplex – es handelt sich um die altstädtische Lastadie (Verladekai), die zwischen der Laak und dem unteren Pregel lag – arbeiten zur Zeit etwa 80 Arbeiter und zehn Archäologen. Sie haben gut erhaltene Fragmente von Mauern der Altstadt freigelegt: Wassergräben, Überreste von Fachwerkbauten, Drainagekanäle und Wasserkollektoren. Die Funde zeugen von Umbauten und Veränderungen, die im 17. und 18. Jahrhundert stattgefunden haben müssen, als ein Teil der Stadtbefestigung entfernt wurde und an ihrer Stelle Wohnhäuser entstanden. An einigen Stellen konnten die Archäologen sogar Spuren entdecken, die bis ins 14. Jahrhundert zurück­reichen.

Vor Kurzem organisierte Alexander Chochlow, Leiter der Samländischen archäologischen Exkursionen, für historisch Interessierte eine Begehung des Ausgrabungsgeländes. Architekten, Historiker und Kulturschaffende nahmen daran teil. Auch der Professor Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, war anwesend. Mit großem Interesse machte er sich mit der Arbeit der Archäologen vertraut. Seiner Ansicht nach ähnelt die Situation in Königsberg der (Ost-)Berlins. Beide Zentren haben während des Kriegs große Schäden erlitten, waren teilweise untergegangen und unter dem Einfluss des real existierenden Sozialismus neu bebaut worden. Er erzählte von einer Berliner Initiative, die auf allen städtischen Grundstücken, die demnächst bebaut werden sollen, vorher Grabungen durchführen lässt. Finanziert würden die Grabungen durch eine Stiftung. Die Teilnehmer des Treffens zeigten sich sehr interessiert und sprachen sich dafür aus, dass das System auch vom Königsberger Gebiet übernommen würde. Matthias Wemhoff nannte Beispiele, bei denen die Ausgrabungsfunde sich in einen Neubau integrieren lassen. Vielleicht könnte auch ein Neubau des Komplexes „Lastadie“ am Pregelufer im historischen Stil eine Achse zwischen modernem Städtebau und der Geschichte bilden.

Alexander Chochlow betonte, dass russische Archäologen sich bei ihrer Arbeit an das Staatsgesetz Nr. 73 „Über Objekte des kulturellen Erbes der Völker der Russischen Föderation“ zu halten hätten, das archäologische Untersuchungen bei Bautätigkeiten und anderen kommunalen Arbeiten vorschreibt. Man könne allerdings nur selten beobachten, dass Bauherren sich daran halten wie im konkreten Fall. Auf vielen Bauplätzen der Stadt würden weder Ausgrabungen noch Untersuchungen vorgenommen und archäologische Funde von Baumaschinen einfach untergegraben. Ausgrabungen, wie sie das Gesetz vorsieht, seien teuer und deshalb würden Investoren versuchen, sie zu umgehen.

Die Ausgrabungsarbeiten sollen noch bis Ende September fortgesetzt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die bei den Arbeiten entdeckten Fundstücke und die daraus gewonnene Information eine Mahnung für künftige Bauarbeiten sein werden. Jurij Tschernyschew


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